Das Atelier im ersten Stock der „Wartenau 16“ ist ein eigenes kleines Universum. Hier hat sich das Unternehmen „formschoen“ auf rund 270 Quadratmetern eingerichtet – eines von vielen kleinen Start-Ups in dem Gebäudekomplex.
Auf über 600 Quadratmetern haben sich hier Anfang des Jahres Designer, Medienbüros, Theaterschaffende und andere Kunstschaffende eingemietet, nachdem sie sich mit ihrem Konzept bei der Hamburg Kreativ Gesellschaft beworben hatten, die das Objekt für zwei Jahre zu günstigen Mietpreisen anbietet.
Als Sarah Bürger von der Wartenau 16 erfuhr, zögerte sie nicht lange: „Ich hatte schon länger die Idee zu einem solchen Projekt“, erzählt die junge Modedesignerin, Projektmanagerin und Mutter in der provisorisch eingerichteten Lounge hinter den Tischen, an denen ein paar Leute Schnittmuster auf Stoffe übertragen. Ein Projekt wie formschoen – das beinhaltet einen Raum, wo Modedesigner und Hobbynäher zusammen treffen, ein Co-Working-Space, der das allgemeine Verhältnis zur Kleidung ändern soll: „In der Nahrungsmittelindustrie haben die Leute irgendwann begriffen, dass hinter den Eiern auch Käfige stehen – warum nicht auch in der Mode?“
Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene
Als Bürger das Atelier bezog, war es leer. Wände mussten eingezogen, Industrienähmaschinen und Bügelanlagen angeschafft und die Elektrizität angepasst werden. Die so entstandene Werkstatt kann heute ab 30 Euro im Monat von jedem genutzt werden. Zusätzlich bietet formschoen Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene an und vermietet Büroplätze sowie einen Lichtraum für Fotoshootings und andere Events.
Die junge Unternehmerin erhofft sich dadurch einen regen Austausch. „Die Modewelt ist komplex, jeder hat andere Vorlieben – Design, Schnitt oder Fertigung – die Bereiche können sich gegenseitig befruchten“. Bürger ist es außerdem wichtig, beim Thema Nachhaltigkeit über den Tellerrand zu schauen. Biobaumwolle ist nichts schlechtes, aber: „19.000 Liter Wasser werden für die Herstellung einer Jeans durch die einzelnen Arbeitsschritte verbraucht“. Und Baumwolle gebe es bereits heute zu wenig, gemessen am derzeitigen globalen Verbrauch. Ihr persönliches Kredo für den Klamottenkauf lautet deshalb: „Bescheidenheit“. Bei Kleidung achtet sie auf Qualität und Kombinierbarkeit und braucht so in der Summe nur wenig zum anziehen. Mit formschoen führe sie keinen gemeinnützigen Verein, betont sie, aber ihr Ideologie sei ihr wichtig: „Ich will schon davon leben können, aber reich werde ich damit nicht.“
Die Hansestadt empfindet Bürger als durchaus offen fürs „Selbermachen“. Die Liebe für kleine Designer sei da, die Vernetzung in der Modewelt jedoch manchmal schwierig: „Modedesigner behalten ihre Kontakte gern für sich“. Für Bürger ist das Quatsch: „Nur zusammen sind wir stark“, lacht sie. Auch in der Wartenau 16 selbst hilft man sich. Für die Homepage holte sich das formschoen Unterstützung von der Agentur mimikamedie, die ein Stockwerk weiter unten residiert.
Kollegin Heike Winhold ist Dozentin für Modedesign und Schnittkonstruktion an der Akademie Jak und hat im formschoen einen Raum für ihrer Passion, dem Drapieren an der Schneiderpuppe, gefunden. Sie findet kritischere Worte für den Modestandort Hamburg. „In Berlin ist es für Künstler einfacher“, findet sie. Die Mieten seien günstiger, das Publikum internationaler, die Messen größer und auch die Presse gewollter, über Modethemen zu berichten. In Hamburg, so habe sie manchmal das Gefühl, werde eher auf Tragbarkeit als auf Kreativität geachtet.
Hamburg Kreativ Gesellschaft schafft Plätze für Start Ups
Dass Kreative sich nicht dem Markt anpassen, sondern diesen für ihre eigenen Ideen gewinnen sollten, findet auch Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft, die junge Kreative durch Beratung und die Bereitstellung günstiger Gewerbeflächen unterstützt. Dazu mietet sie große, vorübergehend ungenutzte Objekte an, um sie dann kleinteilig an verschiedene Start Ups weiter zu vermieten. Das sei in der Summe günstiger, als wenn jeder Kreative für sich nach einem kleinen Büro oder Atelier suche und unterstütze zudem die Vernetzung. Im Falle der Wartenau16 wird zusätzlich ein sogenannter „Zwischennutzungsfond“ zur Subventionierung der Mieten genutzt, um sie für Start Ups bezahlbar zu machen. „Lieber wäre es uns, wenn der Markt das von allein hergeben würde“, erklärt Rühl.
Oft, wie auch bei der Wartenau16, sind die Mietverträge zeitlich begrenzt, bis die Eigentümer eine für sie bessere Nutzungsmöglichkeit finden. Auch von Ressentiments einiger Eigentümer weiß der Geschäftsführer zu berichten. Es gebe nicht selten die Befürchtung, dass die Kreativen – einmal in ein Objekt eingezogen – dieses nicht mehr freiwillig nach Mietvertragsende hergeben würden. Manche Eigentümer zögen deshalb sogar einen vorübergehenden Leerstand vor. Wären Hausbesetzungen nicht sogar verständlich, wenn den Jungunternehmern als Alternative nur die Straße bliebe? „Das Problem würde sich von ganz allein lösen, wenn der Markt für diese Art der Nutzung größer wäre und wir somit mehr Platz für junge Kreative zur Verfügung hätten“, gibt Rühl zu bedenken.
Fotos: Henriette Bunde, formschoen
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