„Immer dem Klang der Musik nach“, lautete die Wegbeschreibung. Und tatsächlich: Erst nur leise, dann immer lauter sind arabische Rhythmen im Kulturladen St. Georg zu hören. Plötzlich ruft eine laute Stimme: „Stopp! Stopp! Stopp!“ und die Musik verstummt. Endlich wird klar, woher der Klang kommt: Neun Kinder sitzen in einem Halbkreis und spielen auf Mandolinen und Gitarren. Vor ihnen steht Ali Shibly, der Leiter des Mandolinenorchesters „Sol“, und korrigiert Fehler im Spiel der jungen Musikanten.
Man sieht Ali Shibly an, dass er Spaß an der Arbeit mit den Kindern hat. Mit großer Freude gibt er sein Wissen an die nächste Generation weiter. Er selbst begann in seinem Heimatland Irak im Alter von neun Jahren zu musizieren. Zuerst lernte er die Oud – eine Kurzhalslaute aus dem Nahen Osten – zu spielen. Inzwischen beherrscht er auch die Mandoline und die Gitarre. Auch viele der Kinder spielen mehr als ein Instrument. Die 15-jährige Kardina, die bereits seit sieben Jahren Teil des Orchesters ist, spielt nicht nur die Mandoline im Orchester, sondern beherrscht auch Gitarre und E-Bass. Ihr gefällt vor allem die Vielfalt im Orchester. „Die Musik, die wir hier spielen ist ziemlich verschieden – das ist toll“, sagt sie. Denn neben typischen arabischen Volksliedern spielt das Orchester auch deutsche Weihnachtslieder, griechische Songs und Evergreens.
Doch nicht nur das Repertoire ist vielfältig, sondern auch die Mitglieder des Mandolinenorchesters. Die insgesamt 35 Kinder stammen aus 14 verschiedenen Ländern unter anderem Peru, Marokko, dem Iran und aus Deutschland. Das findet vor allem Soz toll, die seit sechs Jahren bei der Gruppe dabei ist. „Wir sind hier viele verschiedene Kinder – ich habe viele neue Freunde gefunden“, erzählt die 14-jährige lächelnd. Dem können die Geschwister Sarah und Saly aus Bad Oldesloe nur zustimmen: „Das Zusammensein mit den anderen Kindern und die Konzerte machen sehr viel Spaß.“ Bisher hatte das Orchester bereits mehrere große Auftritte im Kultur- und Kommunikationszentrum Fabrik in Ottensen. Es war jedoch auch schon im Ausland erfolgreich: 2009 wurde das Mandolinenorchester nach Ägypten eingeladen und gab dort insgesamt sechs Konzerte – unter anderem in Kairo und Alexandria. Neben den zahlreichen Kontakten ihres Mentors schätzen die Kinder vor allem seine Art. „Ali hat sehr viel Geduld mit Kindern, dadurch mach es einfach super viel Spaß!“, erzählt Kardina. „Er ist auch ein sehr guter Lehrer.“, ergänzt Soz.
Ali Shibly kann seine Freude am Musizieren im Kulturladen erfolgreich an die Kinder weitergeben. Der 47-jährige lebt für die Musik. Neben seinem Engagement im Kulturladen hat der gebürtige Iraker bereits 1999 seine eigene Band gegründet. Die Shibly Band kombiniert Jazz mit traditioneller arabischer Musik. Das verbindende Element der beiden Musikstile bildet die Oud, wie Ali Shibly erklärt. Die Stücke werden von ihm selbst komponiert. Die Band trat bereits bei deutschen Jazz-Festivals auf und veranstaltete eine Tournee durch Syrien und Jordanien.
Die Gründung des Mandolinenorchesters ergab sich eher zufällig: Mehrere Bekannte fragten Ali Shibly, ob er ihren Kindern das Mandoline-Spielen beibringen könne. Doch dafür fehlte dem Musiker der Raum. Also kam er auf den Kulturladen in St. Georg, der einen Raum zur Verfügung stellte. Die Bedingung, dass der Kurs für alle offen und zudem kostenlos sein müsse, war für den Musiklehrer kein Problem. „Ich hatte schon lange den Wunsch ein Kinderorchester zu gründen“, erzählt Ali Shibly. So kam es zur Gründung des Mandolinenorchesters „Sol“. Den Namen haben die Kinder sich selbst ausgesucht, berichtet der Orchesterleiter weiter: „Sol ist einerseits der Hauptton und andererseits bedeutet es auf Spanisch Sonne“.
Für sein Engagement im Kulturladen wurde der Wahlhamburger dieses Jahr mit dem Bürgerpreis der Bezirksversammlung Hamburg Mitte ausgezeichnet. Der Preis wird vergeben für „herausragendes Engagement in der Integrationsarbeit“. Der Iraker Ali Shibly, der über Mazedonien vor 15 Jahren selbst als Zuwanderer nach Deutschland kam, setzt sich dafür ein, „dass aus Zugewanderten Einheimische werden“, so die Bürgerpreis-Urkunde. Mit dem Preisgeld in Höhe von 2500 Euro will der großherzige Orchesterleiter neuer Mandolinen für die Kinder kaufen.
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