Um die autogerechte Stadt zu zementieren, lässt sich die Exekutive immer wieder Hindernisse für unmotorisierte Verkehrsmittel einfallen. Der neueste Clou: Fußgängerampeln mit Fahrradsymbolen.
Wer das Land der Abblendlichter und Drängler besser verstehen will, braucht eigentlich nur seine Verordnungen zu lesen. „An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende“, heißt es in der StVO §37 Abs. 2, Ziff. 6, „müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt“.
Alles klar? Nein?
Dann fragen wir doch mal die Verkehrsbehörde, warum Fußgängerampeln zurzeit mit Fahrradsymbolen förmlich gepflastert werden: „Vor diesem Hintergrund“, erläutert eine Frau aus Fleisch und Blut in Buchstaben und Satzzeichen, „müssen die Streuscheiben der Signalgeber an weiterhin gemeinsam mit Fußgängern signalisierten Furten ab diesem Zeitpunkt auch das Symbol für den Radverkehr enthalten“.
Immer noch Verständnisprobleme?
Gut, versuchen wir es mal selbst mit der Erklärung dessen, was PS-Fans für ein Menschenrecht halten: Weil diese Stadt Fahrradfahren als reinen Freizeitspaß betrachtet, nicht als alltägliche Fortbewegung, weil sie befeuert vom Ballermannboulevard der Marke MOPO auf Rädern wahlweise Rüpel oder Rentner verortet, weil Hamburg also nicht zu Unrecht Jahr für Jahr als fahrradfeindlichste Stadt im Land gewählt werden will, tut sie alles, um Radler so zu verwirren, bis sie endlich erwachsen werden und fürs Fortkommen Benzin verbrennen.
Nur so ist zu erklären, dass man sie – egal ob schwarzer, roter, bunter Senat – nahezu um jeden Preis vom Asphalt fernhalten will. Nichts anderes scheint das zu bezwecken, was die Verwaltung in schönstem Bürokratenkauderwelsch „Streuzeichen“ nennt: die Kombination aus Fußgänger- und Fahrradsymbol auf ein und derselben Ampel, pardon: Lichtsignalanlage. Auf mittlerweile 57 Prozent davon signalisiert die Stadt all jenen mit Muskelantrieb: ihr gehört zum Fußvolk, habt euch der Blechlawine gegenüber also gefälligst auch so zu verhalten: unterwürfig, verletzlich, klein.
Das ist verkehrspolitischer Irrsinn, ökologisch bizarr, moralisch eine Bankrotterklärung und juristisch zudem nichts weniger als rechtswidrig. Denn der Gesetzgeber hat den Kommunen 1997 unmissverständlich aufgetragen: Fahrräder gehören auf die Fahrbahn, schon weil sie das Passantentempo bei halber Pkw-Geschwindigkeit locker ums Zehnfache steigern. Und was macht die Freie und Autostadt Hamburg? Sie baut die Radwegebenutzungspflicht seither sogar noch aus, garniert das Ganze mit Doppelfunktionsampeln und nährt damit den Verdacht, die Radwegebenutzungspflichtigen ganz bewusst der Lebensgefahr auszusetzen, erst an Kreuzungen ins Sichtfeld der Autos zu geraten. Schließlich ist jedes Opfer unachtsamer, gar feindseliger Autofahrer ebenso wie jedes von der Straße gehupte Rad ein Hindernis weniger auf dem Weg in die autogerechte Stadt.
Klingt zynisch? Ist Hamburgisch! Zumal die Verkehrsbehörde noch einen draufsetzt. Weil sie es in 17 Jahren – leider, echt, der Aufwand, das Geld! – nicht geschafft hat, die neue Rechtslage auch umzusetzen, müsse man Radfahrer vor dem Irrglauben bewahren, nicht auf Fußgängerampeln achten zu müssen. Na herzlichen Dank, liebe Exekutive! Nach der Logik könnte man auch das innerörtliche Mindesttempo ganz aufheben und alle Ampeln dauerhaft auf rot schalten. Noch mehr verkehrspolitischer Stumpfsinn gefällig? Aus Behördensicht sind die Doppelsymbolampeln nämlich nur „begründete Ausnahmefälle“. Wenn zu den 981 dieser Ausnahmen bis Ende 2016 weitere 290 hinzukommen, wären wir bei zwei Dritteln. Algebra für die Autolobby.
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