Die Olympischen Winterspiele sollen ein modernes Russland zeigen. Das wahre Gesicht von Sochi hat der Journalist Rob Hornstra am Donnerstag in den Deichtorhallen präsentiert.
Die Welt ist gierig nach Gold. Nicht nach den verborgenen Schätzen, die tief in der Erde schlummern, sondern nach Olympischen Medaillen bei den Winterspielen im russischen Sochi. Die Jagd nach dem glänzenden Metall wird weltweit von einem Millionenpublikum verfolgt. Den wenigsten ist dabei jedoch bewusst, wie wenig die Region rund um die pompösen Olympischen Sportstätten funkelt. Um die Unterschiede zwischen dem Glanz der Spiele und der Lebensrealität der Menschen in und um Sochi sichtbar zu machen, waren die Journalisten Rob Hornstra und Arnold van Bruggen seit 2009 am Schwarzen Meer unterwegs. Sie dokumentierten, wie die Region sich in den letzten fünf Jahren verändert hat. Am Donnerstag präsentierte Hornstra das Buch zum Projekt in den Deichtorhallen.
Olympische Winterspiele? Hier?
Hornstra und van Bruggen waren schon vor dem Beginn von „The Sochi Project“ in der Region unterwegs. Sie waren zunächst überrascht, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt gab Sochi zum Austragungsort der Winterspiele 2014 zu machen. „Die Sportstätten liegen direkt an der Grenze zu einer Konfliktregion, außerdem zählt der Kaukasus zu den ärmsten Gebieten in Russland. Da haben wir uns schon über die Entscheidung gewundert“, erzählt Hornstra.
Schnell entstand die Idee, bis zum Beginn der Spiele Land und Leute zu dokumentieren. Von 2009 an gab es jedes Jahr eine Publikation zu einem bestimmten Themenbereich oder einer bestimmten Region rund um Sochi. Außerdem wurden die Arbeiten der beiden weltweit ausgestellt. „Die Region bekommt so wenig Aufmerksamkeit, deshalb wollten wir dieses Projekt machen“, sagt Hornstra. Finanziert wurde die Arbeit der Journalisten durch Crowdfunding. Rund 25.000 Euro pro Jahr kamen so zusammen.
Keine glückliche Geschichte
Die Bilder und Geschichten, die Hornstra und van Bruggen sammelten, passen nicht zu den sauberen Spielen, die der Weltöffentlichkeit präsentiert werden sollen. „Die wunderschönen olympischen Stadien sind nicht Sochi“, sagt Hornstra. Auf ihren Streifzügen durch die Stadt und die angrenzenden Regionen wurden die Journalisten regelmäßig mit Armut und Perspektivlosigkeit der Menschen konfrontiert. Insbesondere für die Jugend ist der Boom, den die Olympischen Spiele bringen sollten, ausgeblieben.
Besonders eindrucksvoll und gefährlich war für Hornstra und seinen Kollegen die Arbeit im nördlichen Kaukasus. Während in Sochi 50 Milliarden Dollar für den Bau einer potemkinschen Kulisse ausgegeben wurden, herrschen in der Nachbarregion Krieg und Willkür des Staates. „Vor allem das Buch über diese Reise erzählt keine glückliche Geschichte“, sagt Hornstra. In den Bergen des Kaukasus bekämpft der russische Staat sogenannte Terroristen mit aller Gewalt. Die selbsternannten Freiheitskämpfer wiederum schlagen ebenfalls mit aller Härte zurück. Für die Menschen, die dort leben, bleibt nur die ständige Angst.
„Überall wo wir hinkamen, hörten wir die gleichen Geschichten“, sagt Hornstra. Menschen werden entführt, getötet und gefoltert. Immer nach dem gleichen Muster verschwinden Kinder, Väter und Mütter spurlos: Schwarze Jeeps ohne Kennzeichen fahren vor, Männer steigen aus und verschleppen ihre Opfer an unbekannte Orte. Wer sich wehrt wird getötet. Auch das Gespräch mit den Journalisten kann gefährlich werden. Ein Kontakt von Hornstra und van Bruggen wurde sechs Monate nach ihrem Besuch durch russische Sicherheitskräfte erschossen.
Selbst die beiden westlichen Journalisten gerieten mehrfach ins Fadenkreuz der Staatsorgane. „Plötzlich waren die Jeeps ohne Kennzeichen da und wir wurden verhaftet. Das war richtig beängstigend“, berichtet Hornstra. Als Grund für die Festnahme wird angegeben, dass sie sich unbefugt im Bereich einer „Counter Terrorist Operation“ aufgehalten hätten. Auf den Hinweis des Journalisten, dass sie davon nichts gewusst hätten, habe der Beamte nur geantwortet: „Das können sie ja auch nicht. Das ist geheim.“
Hornstra und van Bruggen wurden schließlich freigelassen. Nach Russland dürfen sie seit Juni 2013 aber nicht mehr einreisen. Auch wenn sie irgendwann gerne wieder nach Sochi zurückkehren würden, ist ihre Arbeit dort erst einmal abgeschlossen. Als Resümee der Jahre an der Schwarzmeerküste und im Kaukasus bleibt Ernüchterung: „Ich verstehe bis heute nicht, warum die Spiele an Sochi vergeben wurden“, sagt Hornstra. Das IOC hat sich bisher noch nicht zu dem Projekt geäußert. Die Spiele in Sochi gehen vor den Augen der Weltöffentlichkeit weiter. Hornstra und van Bruggen wollen dafür sorgen, dass das wahre Gesicht Russlands dieser ebenfalls nicht verborgen bleibt.
Hier geht es zur Webseite des Projektes mit allen Geschichten, Bildern und Hintergründen.
Borobedarf Bochum
24. Februar 2014 at 14:59
Putin hat alles getan, dass es die besten Spiele allerzeiten werden. Und trotzdem waren sie es nicht.
Mila
12. August 2014 at 09:41
#Borobedarf Bochum ganz deiner Meinung.