Tausende Flüchtlinge in unbeheizten Zelten: „Das ist unzumutbar“

Die Flüchtlingsunterkunft im Jenfelder Moorpark im Sommer, nun sind die Zelte unbeheizt.
Politik
Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

– Rund 3.000 Flüchtlinge sind in Hamburg in unbeheizten Zelten untergebracht. Die Menschen frieren, viele sind erkältet.

– Am Montag und Dienstag haben Flüchtlinge in Wilhelmsburg und vor dem Rathaus gegen die Situation demonstriert.

– Am Mittwochnachmittag will Bürgermeister Olaf Scholz in der Bürgerschaft eine Regierungserklärung zur Situation der Flüchtlinge abgeben. 

In Hamburg sind trotz niedriger Temperaturen rund 3.000 Flüchtlinge in unbeheizten Zelten untergebracht. Am Dienstag haben etwa 100 von ihnen vor dem Rathaus gegen diesen Zustand demonstriert. Am Mittwochnachmittag will Bürgermeister Olaf Scholz in der Bürgerschaft zur Situation der Flüchtlinge sprechen. 

Kaum zehn Grad sind es tagsüber in der Stadt. Die meisten Hamburger haben längst ihre Heizungen angeschaltet und das dickere Bettzeug aus dem Schrank geholt. Möglichkeiten, die etwa 3.000 geflüchtete Menschen in Hamburg derzeit nicht haben. Sie sind unter anderem in Wilhelmsburg, Jenfeld und der Schnackenburgallee in unbeheizten Zelten untergebracht. Bei den aktuellen Wetterbedingungen sind es tagsüber in den unbeheizten Zelten kaum zehn Grad, abends sinkt die Temperatur unter drei Grad. Viele Flüchtlinge sind erkältet und frieren in den Zelten.

Am Dienstag haben in der Hamburger Innenstadt, erst am Jungfernstieg und später vor dem Rathaus, etwa hundert Flüchtlinge aus der Zentralen Erstaufnahme in der Schnackenburgallee gegen diese Zustände demonstriert. „Uns ist kalt, unsere Kinder schlafen in unbeheizten Zelten. Wir sind verzweifelt“, heißt es von den Demonstranten.

„Die Lager machen krank“

Bereits am Montag sind in der Dratelnstraße in Wilhelmsburg geflüchtete Menschen gegen die Unterbringung in der Zentralen Erstaufnahme auf die Straße gegangen. Auf einem Transparent forderten sie ein Ende „leerer Versprechungen“. Die Menschen berichten, dass ihnen bereits mehrfach versprochen worden sei, in feste Unterkünfte verlegt zu werden. Viele von ihnen leben schon seit fast drei Monaten in den Zelten.

„Dort ist es inzwischen neben allen anderen Widrigkeiten saukalt. Die Lager machen krank. Holt Männer, Frauen und Kinder raus! Jetzt!“, fordert Franz-Georg Wolf, ehrenamtlicher Deutschlehrer in Wilhelmsburg. Auch SPD-Bezirkspolitikerin Kesbana Klein hat sich am Dienstag ein Bild von der Situation vor Ort gemacht und will versuchen etwas daran zu verändern: „Die Leute müssen jetzt aus der Kälte raus. Das ist unzumutbar. Punkt. Da gibt es kein wenn und aber.“

Ende September versicherte Bezirksamtsleiter Andy Grote beim „Pegelstand Elbinsel“: „Im Winter sollen alle Menschen, egal woher sie kommen, in Wilhelmsburg einen Dach über dem Kopf haben!“ Die Zelte in der Zentralen Erstaufnahme in der Dratelnstraße sollen schnellstmöglich durch beheizbare Container ersetzt werden, diese seien zurzeit jedoch nicht lieferbar. Auf Nachfrage dazu verweist das Bezirksamt Hamburg-Mitte auf die Zuständigkeit der Innenbehörde und des Trägers fördern&wohnen.

Situation der Flüchtlinge zur Chefsache machen

Ehrenamtliche berichten, dass fördern&wohnen bereits vor vier Wochen mitgeteilt habe, die Heizungen „in den nächsten Tagen“ in Betrieb zu nehmen, geschehen sei dies bisher nicht. Warum bisher nicht alle Zelte beheizt werden, hat fördern&wohnen auf Nachfrage von Mittendrin bisher nicht erläutert.

Freiwillige Helfer in ganz Hamburg versuchen den Menschen in den unbeheizten Zelten zu helfen, so gut es eben geht. Täglich werden Wärmflaschen, Wasserkocher, dicke Decken und Thermo-Unterwäsche gesammelt und in die Einrichtungen gebracht. Eine feste, beheizte Unterkunft kann dadurch jedoch nicht ersetzt werden.

Bereits Ende September forderten Bürger und Initiativen beim „Pegelstand Elbinsel“ den Bürgermeister selbst zum Handeln auf. Der Appell des offnen Briefes an Scholz: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister Scholz, wir bitten Sie, seien Sie ‚Feuer und Flamme‘ für die nach Hamburg kommenden Flüchtlinge und machen Sie diese Aufgabe zur Chefsache.“ Auch der Flüchtlingsrat fordert die Stadt zum Handeln auf: „Wir fordern statt immer mehr Großlagern die Belegung leer stehender Wohnungen und anderer geeigneter Gebäude mit einem Standard, der auch im Winter menschenwürdig ist“, hieß es in einer Erklärung des Flüchtlingsrats Hamburg.

Am Mittwochnachmittag will sich Bürgermeister Olaf Scholz erstmals in einer Regierungserklärung in der Bürgerschaft zur Situation der Flüchtlinge äußern. Erwartet wird, dass sich der Bürgermeister sich auch dazu äußert, wie und wo geflüchtete Menschen im Winter in Hamburg unterbracht werden sollen. Darüber hinaus wird es voraussichtlich um die neue Funktion des Hamburger Flüchtlingskoordinators Anselm Sprandel gehen. Live könnt ihr die Regierungserklärung hier verfolgen.

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