Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel dieser Woche gekämpft und dabei merkwürdige Comebacks und einen humorlosen Humoristen gefunden.
Warum man von Oliver Pocher zuletzt so wenig gehört hat? Vielleicht ja, weil selbst die anspruchslosesten Privatsender langsam gemerkt haben, dass der Glaube allein, witzig zu sein, nicht bedeutet, dass man witzig ist. Womöglich auch, da er sich länger nicht mit einer neuen Freundin ähnlich oberflächlicher Ausstrahlung in die „Bild“ gewanzt hat. Insgesamt könnte es also daran liegen, dass vom humorlosesten Humoristen unserer Zeit ohnehin nichts länger im Kopf bleibt als ein grundschulischer Furzwitz. Wobei so einer gegen Pochers menschenverachtend witzlosen Spaßbesuch im rassistisch verseuchten Heidenau die blanke Philosophie ist.
Comeback beim Erzrivalen
Und wo wir schon bei den merkwürdigsten Comebacks der Medienwoche sind: Stefan Aust, einst linksliberaler Journalist von Rang mit Hang zur publizistischen Keule gegen alles, was ihn – etwa Windkraftanlagen – in der Nähe seines Landsitzes stört, ist wieder Chefredakteur. Diesmal allerdings nicht beim „Spiegel“, sondern dem früheren Erzfeind „Welt“. Dass er Springers alttestamentarisches Kampfblatt früherer Tage redaktionell führt, erinnert ein wenig daran, als würde Alice Schwarzer den „Playboy“ führen. Oder, sagen wir, der Welt geschmeidigste Historytainer Nico Hofmann den Kulturkanal Arte. Geht aber nicht, weil er nun die altehrwürdige Ufa leitet. Erste Sensationsmeldung seiner Amtszeit: Das fiktionale Großprojekt „Turnschuhgiganten“ um die Brüder Dassler wird nicht von Hofmanns Teamworx produziert.
Die hat dafür das Premiumprodukt der Woche gemacht: „Die Udo Honig Story“, eine aberwitzige Groteske über die Haft von Uli Hoeneß, der in Uwe Jansons überdrehter Sat1-Version am Dienstag seinen Knast übernimmt, was nicht immer so witzig ist, wie es sein will, aber dank Uwe Ochsenknecht als Honig und Hannes Jaenicke (Franz Kaiser) allemal unterhaltsamer als das öffentlich-rechtliche Dokudrama der Vorwoche, in dem ein hinlänglich bekanntes Blatt nur neu sortiert wurde.
Zu populistisch für die Mediathek
Das wiederum erinnert ans erstaunlichste Remake im Fernsehjahr: Frank Plasberg lädt heute um 21 Uhr offenbar exakt jene Gäste ein, die vor neun Monaten so populistisch übers Thema Gender gestritten hatten, dass die ARD das Stück kürzlich aus der Mediathek warf. Ein Schicksal, dass man dem alten Musikantenstadl unterm neuen Namen (Stadlshow) mit, hüstel, „frischem“ Personal (Francine Jordi, Alexander Mazza) nach neun Sekunden wünscht. Der neuesten Fassung eines hirntoten Genres hingegen lieber schon 30 Minuten vor der Erstausstrahlung: „Mila“, eine irgendwie lustig gemeinte Telenovela mit Susan Sideropudingsbums als liebeshungrige Ulknudel auf der 287-tägigen Jagd nach Mr. Right, wofür sich mittlerweile vermutlich nur noch der Herzschmerzkanal Sat1 zwei Stunden zuvor nicht zu blöde ist.
Reklame für Dosenobst
Fünf Minuten nach Beginn des folgenden Tags dann nimmt das ZDF in „Twinfruit“ aufs Korn, womit Sender wie Sat1 ihr Programm umrahmen: Reklame. In der Mockumentary genannten Pseudo-Doku soll ein Team selbstgerechter Werber die nächste Kampagne für Dosenobst ersinnen und betrügt sich dabei fast noch mehr als ihre Kundschaft, was sich vor Stromberg nicht zu verstecken braucht. Weniger absurd, dafür nicht minder unterhaltsam, sind die zwei herausragenden Dramen der Woche: Am Mittwoch um 22.45 Uhr zeigt das Erste „Die Erfindung der Liebe“. Endlich, muss man sagen! Denn nach dem Tod der Hauptdarstellerin Maria Kwiatkowsky als Frau, deren Freund eine todkranke Millionärin heiraten soll, musste Lola Randl den Film völlig neu konstruieren – was ihr auf atemberaubende Art gelungen scheint.
Von atemberaubend bis herzergreifend
Atemberaubend ist auch Clive Owen im anrührenden Familienfilm „The Boys Are Back“ (Freitag, 20.15 Uhr, Arte) um einen Sportreporter, der nach dem Tod seiner Frau zwei Kinder allein erziehen muss und damit heillos überfordert ist. Nicht atemberaubend, aber immerhin herzergreifend ist dafür die „Wiederholung der Woche“ in Farbe, Samstag um 15 Uhr, BR: „Das fliegende Klassenzimmer“ von 1973 mit dem unvergessenen Blacky Fuchsberger als Lehrer Böhk und reichlich Schlaghosen. Schwarzweiß, aber nie grau in grau ist hingegen „Die Teuflischen“ von 1954 mit Simone Signoret als Geliebter eines Sadisten, den sie mithilfe seiner Frau am Sonntag (20.15 Uhr) auf Arte auf unerreicht perfide Art zur Strecke bringt. Bliebe noch der dokumentarische Tipp. Er lautet „Grüezi Schweiz“, ein Fünfteiler, der Montag und Mittwoch zur besten Sendezeit vier Einwanderer-Familien begleitet, die mal nicht nur aus Syrien stammen, sondern auch aus Deutschland, Italien und Schottland. Sehr heilsam!
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