Wohnprojekt statt Kino: „Mehr als schöner Wohnen“

Politik
Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Das Grundstück des ehemaligen Rialto-Kinos in Reiherstiegviertel soll mit einem neuen Wohnprojekt belebt werden. Zusätzlich soll im Erdgeschoss soll öffentlich nutzbarer Raum für die WilhelsmburgerInnen entstehen. Wie genau das aussehen könnte, wird ab Montag bei der Veranstaltungsreihe „Mehr als schöner Wohnen“ im Viertel diskutiert.

Die Idee vom kollektiven Wohnen soll am Vogelhüttendeich in Wilhelmsburg bald Wirklichkeit werden: Auf dem Grundstück des ehemaligen Rialto-Kinos im Reiherstiegviertel soll nach dem Kauf durch Konrad Grevenkamp ein neues Wohnprojekt für bis zu 24 Personen geschaffen werden. Während Grevenkamp mit der Projektgesellschaft impuls21 das Eckhaus in der Mokrystraße 1-3 für ein Wohnprojekt für etwa 40 BewohnerInnen umbaut, soll auf dem Nachbargrundstück ein 15 Meter hoher Neubau entstehen. 150 Quadratmeter sollen im Erdgeschoss als Fläche für den Stadtteil geöffnet werden.

„Die WilhelmsburgerInnen verbinden viel mit dieser Ecke und sind sehr interessiert daran, was hier nun passiert“, sagt Martina Helmke von der Initiative „Projekt Rialto“, die sich als Gruppe für das Wohnen im Rialto-Neubau bewirbt. Viele AnwohnerInnen mache es traurig, dass auf dem Grundstück lange Zeit nichts passiert sei. Die Initiative will nun den Dialog mit den Menschen aus dem Stadtteil suchen und auch kritische Perspektiven diskutieren. Auf den öffentlichen Flächen im Erdgeschoss, dort wo einst das Rialto-Kino flimmerte, soll ein Raum für den ganzem Stadtteil entstehen.

Rialto Projekt, Foto: Isabella David

Die Rialto Lichtspiele sind ein Kino am Vogelhüttendeich in Wilhelmsburg. 1913 wurde das Rialto als Reiher Theater mit 335 Plätzen eröffnet, ab 1921 etablierte es sich für die Vorführung von Kinofilmen. Das Kino entwickelte sich mit den Trends der Technik weiter. 1987 musste das Rialto den Spielbetrieb einstellen. 2013 wurde das Kino durch eine Privatinitiative und ehrenamtliche Hilfe provisorisch wieder hergerichtet und erhielt eine vorläufige Genehmigung der Behörden für eine Spielzeit von 180 Tagen.

Was der Stadtteil wirklich braucht

„Uns ist wichtig, dass hier ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung entsteht“, ergänzt Helmke. Hier müsse man auch über die Entwicklung des Viertels diskutieren, sich also auch kritisch mit größeren Themen, wie der Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Spiele und den möglichen Konsequenzen für die Elbinseln auseinander setzen können. „Gemeinsam mit engagierten Menschen aus dem Stadtteilbeirat, den Vereinen und den AnwohnerInnen wollen wir diskutieren, was an dieser Stelle wirklich gebraucht wird“, sagt Helmke. Die Projektgruppe will sich dabei bewusst fernab der „Insel-Marketing“-Diskurse bewegen, die im Zuge der Internationalen Bauausstellung (IBA) und der Gartenschau (igs) im Stadtteil angestoßen worden sind.

Den Spagat schaffen

Mit der Veranstaltungsreihe „Mehr als schöner Wohnen“ möchte die Initiative „Projekt Rialto“ über das Wohnprojekt informieren und den Stadtteil an den Entwicklungen am Vogelhüttendeich teilhaben lassen. „Wir wollen zeigen, was da für Leute kommen und offen diskutieren, was auf der 150 Quadratmeter großen Stadtteilfläche möglich wäre“, sagt Helmke. Aus der Gruppe wohnen viele erst seit ein paar Jahren, einige bald seit einem Jahrzehnt in Wilhelmsburg. „Es wird sich zeigen, ob wir den Sprung zwischen den Parallelkulturen im Stadtteil schaffen“, meint Helmke weiter. Der Spagat müsse zwischen den Zugezogenen, vor allem Studierenden und Kreativen und denen geschafft werden, die schon hier im Stadtteil aufgewachsen sind, sich zum Teil seit Jahrzehnten im und für den Stadtteil einsetzen.

Nichts aufdrücken, was nicht passt

Wie und auch wer genau in Zukunft am Vogelhüttendeich 30 wohnen wird, ist derzeit noch offen. Eigentümer Grevenkamp hat eine Bauvoranfrage gestellt, mit einem Ergebnis wird im Oktober gerechnet. „Dass hier ganz neu gebaut wird, sehen wir als Chance. Wir suchen schon seit fünf Jahren nach einem geeigneten Haus“, sagt Helmke. So könne die Wohngruppe, die schließlich hier einzieht – das Gebäude also kauft oder mietet – auch noch Einfluss auf die Aufteilung nehmen. Vor allem das Kriterium der Barrierefreiheit könne in älteren Häusern meist nicht erfüllt werden, hier würde sich dafür direkt eine Gelegenheit bieten. Nach der Entscheidung über die Bauvoranfrage im Herbst, könnte bereits im Frühjahr 2016 mit dem Neubau im Reiherstiegviertel begonnen werden. Insgesamt 700 Quadratmeter Wohnfläche sollen hier entstehen.

Ob die Wahl des Eigentümers auf das „Projekt Rialto“ fällt, weiß auch Martina Helmke nicht. Für die Veranstaltungsreihe macht das aus ihrer Sicht keinen Unterschied: „Unabhängig davon, ob genau unser Wohnprojekt am Vogelhüttendeich einziehen darf, ist es Zeit, die Ideen mit allen WilhelmsburgerInnen zu diskutieren.“ Wichtig ist für Helmke und die Projektgruppe vor allem eines: „Dem Stadtteil darf hier nichts von außen aufgedrückt werden, was hierher nicht passt.“

Rialto Projekt, Foto: Isabella David

 „Mehr als schöner Wohnen“

Bei der Veranstaltungsreihe sollen ab dem 10. August nicht nur die Bedürfnisse, Wünsche und Möglichkeiten für die öffentliche Fläche diskutiert werden, sondern auch aktuelle Entwicklungen thematisiert werden. Dazu gehören auch die bereits angestoßenen Entwicklungen durch IBA und den „Sprung über die Elbe“, Mieterhöhungen und Ladenschließungen im Stadtteil. Das Projekt nimmt sich selbst nicht aus dieser Gleichung und will hinterfragen, welche Rolle das Wohnprojekt im Zuge von Gentrifizierung im Viertel einnehmen kann und will.

Darüber hinaus möchte die Rialto-Projekt-Gruppe die politische Frage nach der Vergabe und Planung von Wohnraum und die Ausgestaltung des Hamburger Wohnungsmarktes stellen. Hierfür soll der eigene organisatorische Hintergrund, das Mietshäusersyndikat, als Beispiel für eine gesamtgesellschaftliche Perspektive herangezogen werden.

Auftakt der Veranstaltungsreihe ist am Montag, 10. August. Ab 19 Uhr findet im Schulschiff der Freien Schule für Gestaltung im Hinterhof der Honigfabrik, Industriestraße 125-131, ein Vortrag und Diskussionsabend zum Mietshäusersyndikat statt.

Weiter geht es bereits am Donnerstag, 13. August, mit einer offenen Diskussionsveranstaltung zur öffentlichen und sozialen Gestaltung des Rialto-Neubaus. Los geht es um 19 Uhr im BI Integrationszentrum Wilhelmsburg in der Rudolfstraße 5.

Das ganze Programm und mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen findet ihr hier.

 

 

Titelbild: By RIALTO Lichtspiele (RIALTO Lichtspiele) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Bilder im Text: Isabella David

 

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