Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel dieser Woche gekämpft und dabei seltsamste Gesprächspaar des Sommers gefunden.

Nein, sie hat nicht „Digger“ gesagt. Auch „Yo, Motherfucker“ stand nicht auf Angela Merkels Spickzettel. Und die Basecap saß einzig auf dem Kopf ihres Gegenübers schief, weil die Bundeskanzlerin beim Youtube-Interview mit LeFloid keine trug. Puh, hätte voll in die Hose gehen können für den versierten Diskursprofi im selbstgewählten Gespräch mit dem hitzigen Videoblogger, der seine Tonlage von krass auf konziliant regelte und die Fragen seiner schulpflichtigen Fans mit Begriffen wie „Wortklauberei“ oder „schlussendlich“ vortrug.

Da trafen sehr verschiedene Welten also auf Augenhöhe aufeinander – wenngleich der junge Netzwerker etwas oft vorm Machtzentrum Merkel dienerte, das indes schon den Stolz ganz anderer Kaliber gefressen hat wie der Wolf das Lamm. Ungewohnt stammelnd, aber erstaunlich souverän (LeFloid) vs. gewohnt souverän, aber erstaunlich entspannt (LaMerkel), hat das seltsamste Gesprächspaar des Mediensommers somit doch keine Revolution angezettelt, sondern einfach mal den Kontakt gesucht – und in gewisser Weise sogar gefunden.

Eine krachende Absage

Ein Kontakt, den Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf auf sensationell selbstsichere Art verweigern. Als die zwei gereiften Nachwuchskräfte des Regelprogramms in einem furiosen Video die deutsche Arroganz gegenüber Griechenland anhand populistischer Schlagzeilen von „Bild“ und ähnlich vulgären Kampfblättern der Biedermeierrechten bloßstellte, wollte sie SPD-Chef Sigmar Gabriel sofort ins Vizekanzleramt einladen – und erntete eine krachende Absage. Sie belegt schmerzhaft, wie wenig die alte Politik trotz Instagram-Profilen und Staatssekretären für neue Medien noch immer von eben denen versteht.

Wie wenig sie selbst vom eigenen Biotop versteht, legt die preisgekrönte Doku „Willkommen auf Deutsch“ nahe. Carsten Rau und Hauke Wendler müssen Dienstag (22.45 Uhr) im Ersten zu keiner Zeit kommentierend eingreifen, um das Versagen der Politik samt Alltagsrassismus der deutschen Mitte zu entlarven, die sich im Hamburger Speckgürtel gegen eine Handvoll Flüchtlinge wehrt, als gehe es um biblische Plagen.

Um ähnlich heißes Eisen geht es tags drauf zur Primetime bei 3sat. Die beklemmende Reportage „Tödliche Odysse durch die Schweiz“ zeichnet den Leidensweg eines schwangeren Flüchtling aus Syrien nach, den die Untätigkeit (oder der Vorsatz?) ignoranter Behörden das Baby gekostet hat – was im Anschluss klug in den Kontext ortsüblicher Xenophobie gestellt wird, wenn „Gegen das Fremde“ den Versuch der Schweizerischen Volkspartei skiziiert, aus dem Alpenidyll eine Rassegemeinschaft zu formen.

Eine Perle ernster Unterhaltung

Auf besseren Programmplätzen sind solche Themen gut fürs Renommee, aber schlecht für die Quote – also bestens geeignet für Dunja Hayali. Um dies zu belegen, kriegt die sympathischste Moderatorin mit Niveau im Öffentlich-Rechtlichen abseits vom Frühstücksfernsehen ein Format namens „ZDFdonnerstalk“, mit dem die türkischstämmige, hinreißende, lesbische Top-Journalistin um 22.15 Uhr viermal Maybrit Illners Sommerpause füllt. Gefolgt wird dieses Labor von der neuen Staffel „Kessler, ist…“. Zu Beginn schlüpft der Verwandlungskünstler in, nein: er wird förmlich Horst Lichter, in dieser Perle ernster Unterhaltung im Zweiten. Dort also, wo Lars Reichelt zwei Tage zuvor zeitgleich zeigen darf, warum der SWR zu klein geworden ist für den Schwäbischen Allround-Entertainer mit klavierbegleitet großer Klappe.

Schmalzfreie Liebesgeschichte

Aber auch fiktional gibt es was zu sehen im premierenarmen Sommer. Donnerstag um 20.15 Uhr etwa Kiyoshi Kurosawas in aller Stille mitreißendes Drama „Sühne“. Es behandelt den Mord an einem japanischen Kind nicht als Kriminalfall, sondern Sozialstudie jener vier Mitschülerinnen, die den Täter nicht identifizieren konnten und daran zu zerbrechen drohen – bis eine von ihnen 15 Jahren später seine Stimme im Radio hört. Weniger drastisch, aber ungemein sehenswert ist der Dreiteiler „Halb so alt wie sie“, mit dem Arte Freitag (ab 20.15 Uhr) beweist, dass man die Liebe einer reifen Hochzeitsplanerin zu einem jungen Studenten auch schmalzfrei erzählen kann – sofern es nicht in Deutschland geschieht.

In Schweden entstanden sind die „Wiederholungen der Woche“ wie Ingmar Bergmans berühmtes Sittengemälde des Fin de Siècle „Fanny und Alexander“ von 1982 (Montag, 20.15 Uhr) auf Arte, das im Anschluss das schwarzweiße Frühwerk des Regisseurs „Wilde Erdbeeren“ (1957) um einen alten Professor zeigt, der all die verpassten Chancen seines Lebens resümiert. Bliebe noch ein Doku-Tipp: „Der wirkliche Amerikaner“, Lutz Hachmeisters brillantes Porträt (Dienstag, 0.00 Uhr ZDF) des Kommunistenjägers Joe McCarthy.

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