Egotronic mit neuem Album: Instrumente statt Elektro

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Musik
Henry Lührs
@henrycalrs

E-Mail: luehrs@hh-mittendrin.de

“C’est moi.” auf Deutsch übersetzt „Ich bin’s“: So heißt die neue Scheibe der Electropunkband Egotronic. Henry Lührs hat mit Sänger Torsun über die Platte und seine Verbindung zu Hamburg gesprochen.

Weg vom Elektronischen, hin zum Punk lautet das Motto von Egotronic, die mit diesem Album einen „Stilwechsel“ abschließen wollen. Am 17. April feiert die Band das Release ihres Albums im Hamburger Knust. Mittendrin hat mit Sänger Torsun Burkhardt über die neue Platte, seine Verbindung zu Hamburg und über die Frage gesprochen, warum seine alten Songs so gut auf aktuelle Geschehnisse im Land zu übertragen sind.

Mittendrin: Torsun, dein letztes Album ist nun ein Jahr alt. Was hat dich dazu bewegt, jetzt schon eine neue Platte aufzunehmen?

Torsun: Die Naturgewalt namens Lars Lewerenz, seines Zeichens Gründer von Audiolith Records, hat uns dazu bewegt.

„C’est moi!“ ist weniger elektronisch und dafür gitarrenlastiger. Wie kam es, dass du alte, elektronische Songs neu aufnimmst?

Torsun: Wie gesagt, Lars war die treibende Kraft. Er fand den Stilwechsel, wie er mit dem letzten Album „Die Natur ist dein Feind“ bei uns Programm wurde, also Gitarre, Bass und echte Drums dazu, so gut, dass er vorschlug, wir sollten alten Songs in diesem neuen punkrockigen Gewand aufnehmen. Als er dann auch noch meinte, wir sollten – wenn schon eine richtige Punkrockplatte – diese gleich noch im Mutterland des Punk, also England, aufnehmen, gab es kein Halten mehr.

Die Songs des Albums kann man schon als so etwas wie deine Hits bezeichnen. Wie hast du deine Auswahl getroffen?

Torsun: Maßgeblich bei der Auswahl war, welche Songs sich gut in Punkversionen übersetzen lassen. Das ist auch der Grund, warum viele Lieder vom ersten Album dabei sind, denn damals war meine Arbeitsweise genau andersherum, ich versuchte Punkrock Songs mit rein elektronischen Mitteln umzusetzen. Diese ließen sich perfekt umbauen und klingen jetzt zum Teil so, wie ich sie damals eigentlich im Kopf hatte. Vielleicht sogar ein gutes Stück besser, weil meine neuen Kollegen wirklich exzellente Musiker sind, die ihre Instrumente perfekt beherrschen.

Schon das Album „Die Natur ist dein Feind“ war punkiger als einige deiner alten Sachen. Wie würdest du selbst den Stil deines neuen Albums beschreiben?

Torsun: Eine Metarmorphose, die sich über drei Alben zog, ist jetzt abgeschlossen. Von ursprünglich Elektropunk ging es über Elektro-Indie zu Punk mit elektronischen Elementen.

An deinen alten Songs hat sich auf dem neuen Album viel geändert. Wird sich auch auf der neuen Tour etwas an deinen Konzerten ändern?

Torsun: Ja. Es passiert jetzt wesentlich mehr live und wesentlich weniger Rechner. Dadurch steigt zwar auch die Möglichkeit, Fehler zu machen, aber die Shows haben unwahrscheinlich an Dynamik und Lebhaftigkeit gewonnen.

Egotronic live auf dem Ackerfestival 2013

Egotronic live auf dem Ackerfestival 2013 (Foto: Marvin Mertens)

 

Die meisten Songs des neuen Albums sind politisch sehr kritisch und hinterfragend. Findest du, es hat sich während der Jahre auch etwas zum Positiven geändert in diesem Land?

Torsun: Ganz im Ernst? Nein! Ich erlebe gerade bitterste Déjà-vu Momente zum Anfang der 90er. Damals waren rassistisch motivierte Anschläge und Aufmärsche extrem präsent. In dieser Phase wurde das Grundrecht auf Asyl so ausgehöhlt, dass man von einer Abschaffung des Rechts sprechen musste. Gegen diese Abschaffung gingen aber immerhin noch weit über 10.000 Menschen auf die Straße. Als letzten Sommer die Überreste des Rechts noch weiter ausgehöhlt wurden, hat das kaum noch jemanden interessiert. Dieser Rassismus ist also Normalität geworden. Wenn man dazu noch die NSU-Mordserie bedenkt, bei der sich die Frage stellen muss, in wieweit der Verfassungsschutz das unterstützt hat und dann noch die derzeitig extrem aggressive rassistische und antisemitische Stimmung hinzunimmt, muss man feststellen, dass Vieles sogar noch schlimmer geworden ist.

Aber die rechtspopulistische Bewegung „Pegida“ hat es nicht nach Hamburg geschafft. Woran liegt das?

Torsun: Hamburgs SPD-Regierung brüstet sich damit, konsequenter abzuschieben als zum Beispiel das Bundesland Bayern. Wer so eine SPD hat, braucht keine AfD mehr. Das ist unfassbar bitter. Andererseits gab es aber gerade in Hamburg auch immer schon viele Menschen, die etwas gegen Rechts unternahmen.

Woran es liegt, dass die politischen Aussagen deiner alten Songs so gut auf aktuelle politische Ereignisse zu übertragen sind?

Torsun: Weil der Antisemitismus und der Rassismus in diesem Land nie wirklich unter Kontrolle waren und sich das gerade in letzter Zeit wieder ganz extrem Bahn bricht, seine hässliche Fratze zeigt. Selbst in der Zeit, als das weniger offensichtlich war, war der Hass auf Anderes immer noch latent vorhanden. Das beweisen meine alten Songtexte wie zum Beispiel „Möllewahn“ leider sehr genau. Das Lied beschäftigt sich mit einer deutschen Projektionsleistung auf Israel und letztes Jahr hatten wir die größten und aggressivsten antisemitischen Aufmärsche seit der Nazi-Zeit. Finster!

Gibt es etwas, das Hamburg für dich zu etwas Besonderem macht?

Torsun: In Hamburg entstand das beste Label der Welt: Audiolith. Alleine das reicht schon, damit ich mich mit dieser Stadt im Besonderen verbunden fühle. Ich bin froh, ein Teil dieses Labels sein zu dürfen.

In deinem Song „Berlin calling“ sagst du, Hamburg sei „teuer aber genauso billig“. Wie meinst du das?

Torsun: In Hamburg zu leben ist einfach etwas teurer als z.B. in Berlin. Aber beide Städte sehen sich als „Weltstädte“, was sie nicht sind. Es gibt keine leider keine deutsche Stadt, die den Titel Weltstadt verdient hätte. Das meine ich mit billig.

Aber nicht nur in „Berlin calling“, sondern auch in „Hamburg“ und „Hamburg soll brennen“ singst du über die Hansestadt. Woher kommt dein Bezug zu ihr?

Torsun: Ich bin einfach sehr oft dort, weil ich dort viele tolle Menschen kennengelernt habe. Deshalb spielt Hamburg in meinem Leben und somit auch in meinen Liedern immer schon eine wichtige Rolle.

Die Platte geht natürlich auch mit einer Tour einher, die bald startet. Freust du dich?

Torsun: Auf jeden Fall. Konzerte spielen war das, was ich solange ich denken kann immer machen wollte. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Am 17. April kommt dein neues Album. Am selben Tag ist das Konzert in Hamburg. Bist du schon aufgeregt?

Torsun: Ja, sehr. Als wir mit der letzten Platte im Hafenklang einkehrten, erlebten wir eines unserer besten Hamburgkonzerte aller Zeiten. Ich bin gespannt, ob wir das dieses Jahr noch toppen können.

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