„Bleiben oder gehen“ – So heißt das neue Album der Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem 30. Januar ist die Band nun auf Tour. Mittendrin hat mit Sänger Monchi über das neue Album, die Tour aber auch über Antifaschismus und die Stadt Hamburg gesprochen.
Mittendrin: Monchi, heute bist Du in Hamburg, um Interviews zu geben. Bist Du generell gerne in Hamburg?
Monchi: Auf jeden Fall. Mir wurde gestern die Frage gestellt: „Berlin oder Hamburg?“ Ich habe geantwortet „Rostock“. Aber Hamburg ist eine Stadt, die mir sehr liegt, einfach von den Menschen her. Ich bin hier sehr gerne. Ich hab hier auch relativ viele Freunde. Ob die Audiolith-Leute, die True-Rebel-Leute oder auch die DirAction-Leute, die unseren Merch machen, ich kenn hier Leute schon relativ lange. Ich gehe in Hamburg auch sehr gerne mal feiern, meistens in die gleichen Kneipen. Zum Beispiel ins ehemalige Skorbut, ins Kraken oder auch mal ins Jolly Roger. Hamburg ist schon eine Stadt, in der ich mich wohl fühle.
Wo bist du in Hamburg bisher am liebsten aufgetreten. Gibt es etwas in Hamburg, dass Dir besonders gefällt?
Monchi: Das ist immer total verschieden. Wir haben Konzerte vom Kraken, einer Punkerkneipe, bis hin zur Sporthalle Alsterdorf, als Vorband von den Broilers vor 8000 Leuten gespielt. Das sind natürlich verschiedene Eindrücke. Am wohlsten, hab ich mich persönlich im Skorbut gefühlt. Aber das liegt einfach an den Menschen. Ich treffe dort Leute, mit denen ich schon länger zusammenhänge. Das Skorbut ist klein aber fein.
Auf dem Cover des neuen Albums „Bleiben oder Gehen“ sind Du und Kai als Jugendliche abgebildet. Aber auch in dem ersten Video, das ihr veröffentlicht habt, wird die Band in einer Art Rückblende als jugendliche Gang gezeigt. Ist das eine Art Motto? Gibt es einen Zusammenhang zum Albumtitel?
Monchi: Das ist eine Variante oder Perspektive des Albums. Ich glaube, jeder von uns hat so einen kleinen Freundeskreis gehabt, mit dem man Scheisse gebaut hat. Die Idee war, das mal widerzuspiegeln: Eine Jugend auf dem Dorf. Da hat man das Thema „Bleiben oder gehen?“ einfach vor Augen gehabt. Viele Freunde sind gegangen, sind weggezogen oder Freundschaften haben sich aufgelöst. „Bleiben oder Gehen“ meint nicht nur das Wegziehthema, sondern es zieht sich durch das Album durch. Für uns war das natürlich cool, sowas mit den Kids zu drehen. Das waren zum Teil unsere Brüder oder Neffen. Der Junge aus dem Video, der genauso aussieht wie ich, der wohnt bei mir im gleichen Viertel, ist aber nicht mit mir verwandt.
In dem Song „ Diese eine Nacht“ singst du: „Meine ganze Generation, jeder hier kennt diese Frage schon. In Dauerschleife, diese Zeilen – Gehen oder Bleiben?“ Das ist ja auch der Albumtitel. Wie ist das gemeint?
Monchi: Diese Frage zieht sich als ein roter Faden durch das Album. Einmal ist es natürlich wieder dieses Wegziehthema. Wir wohnen in Mecklenburg-Vorpommern. Ich glaube jeder bei uns kennt dieses Gefühl: Bleibst du hier? Gehst du? Ziehst du weg? Ich kenne es auch von Freunden, dass dieses Thema omnipräsent ist. Aber „Bleiben oder Gehen?“ ist auch im Sinne von sehr vielen anderen Perspektiven gemeint. Zum Beispiel von Beziehungen. Wie lange bleibst du in einer Beziehung? Wie lange kämpfst du darum? Bleibst du? Gehst du? Ab wann machst du dich vielleicht auch selbst kaputt? Oder hängst du dich an irgendwelchen Sachen auf? Aus verschiedenen Blickwinkeln zieht sich die Frage als Thema durchs Album.
Besonders eure Heimat Mecklenburg-Vorpommern ist in dem Album ein Thema. Ihr kommt ja ziemlich vom Dorf und fühlt euch dort auch trotz vieler Probleme sehr wohl. Wie hat es dich geprägt in der Provinz groß zu werden?
Monchi: Sehr! Das nimmt man selbst gar nicht so wahr, aber für Leute von außerhalb ist das schon sehr wahrzunehmen. Ich glaube, man macht dann andere Erfahrungen als Leute aus der Stadt. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen mit 3000 Leuten, wo der letzte Bus am Freitagabend gefahren ist und der erste wieder am Montag. Das sind schon Sachen, die einen definitiv prägen. Im Positiven, wie auch im Negativen. Man macht auf jeden Fall Erfahrungen, die man in einer Großstadt wie Hamburg nicht machen kann. Ein Großteil meiner Leute hat zum Beispiel mit 16 einen Moped-Führerschein gemacht, um einfach mal rauszukommen.
Gab es irgendetwas, das dich bei dem neuem Album sehr inspiriert oder bewegt hat?
Monchi: Das ist jetzt eine sehr persönliche Antwort. Ich denke, auf diesem Album versuche ich auch in vielen Punkten, die Trennung von meiner Ex-Freundin zu verarbeiten, die sich einfach ewig lange hingezogen hat. Man kommt auseinander, wieder zusammen, dann wieder auseinander und das bis zum absoluten Abfuck. Das ist jetzt noch nicht lange her. Ich glaube schon, dass da von mir persönlich viel Verarbeitung mit reingekommen ist. Es gibt aber sehr verschiedene Seiten vom Album! Sehr positive, sehr negative und auch sehr nachdenkliche.
Auch mit dem neuen Album zeigt ihr euch als Band wieder klar antifaschistisch. Aber nicht nur mit Deiner Musik engagierst du dich als Antifaschist. Wann hast du angefangen, dir diese klare politische Meinung zu bilden?
Monchi: Ich glaube, das passiert nicht von heute auf morgen. Das ist auch jetzt noch nicht abgeschlossen. Auch ich hab noch ganz viel Scheiße in meinem Kopf und mach nicht auf perfekt. Früher so mit 13 war mir Politik auch eine Zeit lang total scheißegal! Ich hab auch mal Faschomucke gehört. Das war bei uns in Mecklenburg-Vorpommern halt so, dass du die ganzen Alben geschenkt bekommen hast. Wenn die Nazis nach der Schule da rumstehen und du eine CD umsonst bekommst, dann ist das erst mal geil. Wenn es dann noch verboten ist, umso geiler. Ich hab da auch gar kein Problem drin gesehen. Wenn du dich nachher mal fragst: „Was singen die da?“, „Um was geht es da?“, dann fängt man an, darüber nachzudenken. Politisierung hört ja nicht ab einem bestimmten Punkt auf. Das hat auch immer etwas mit eigenem Scheitern und Verstehen zu tun. Hat ja auch seinen Grund, dass unser letztes Album so hieß. Das hat etwas damit zu tun, dass ich mich nachher mit bestimmten Sachen auseinandergesetzt habe und versuche mich mit mir auseinanderzusetzen. Mit meinen Fehlern oder auch mit Sachen, die ich scheisse finde. Ich versuche dann, Reibung zu erzeugen und mich zu positionieren. Es ist für mich klar, dass ich, wenn ich Zeit habe, auf antifaschistische Demonstrationen gehe oder dass wir versuchen als Band, Antifa-Arbeit, die wir gut finden, zu unterstützen.
Wie kam es dazu, dass ihr als Band politische Musik macht?
Monchi: Wir machen Musik mit teilweise politischen aber auch sehr persönlichen Texten. In so einem Dorf bist du irgendwann gezwungen, dich zu positionieren und zu sagen: „Nein, ich bin kein Nazi!“ Dann sind es erst mal die Nazis, die Dich zur Zecke machen. Als Nazis am Anfang auf unsere Konzerte kamen, fanden wir das scheisse. Das haben wir auch klar gesagt. Wir hatten auch keinen Bock, mit denen da zu saufen. Das ist halt ein Prozess gewesen, zu dem man auch gezwungen wurde. Es ist wichtig, dass man irgendwann auf den Punkt kommt und sich dem nicht entzieht.
Auf der neuen Platte kritisiert ihr wieder Dinge wie Polizeigewalt oder Law-and-Order-Politik. Inwiefern hast politische Konflikte in Hamburg beispielsweise um die Esso-Häuser, die Rote Flora oder die Flüchtlinge aus Lampedusa in Hamburg mitgekriegt?
Monchi: Von außen. Aber ich war zum Beispiel auch auf der „Rote-Flora-Demo“ im Dezember 2013. Dort war es meiner Meinung nach einfach teilweise gewollt, dass es knallt. Wenn man sich diese Demo noch einmal im Internet anguckt, dann sieht man, dass es definitiv von der Polizei nicht gewollt war, dass die Demo losgeht. Wenn man sich die Flüchtlingspolitik vom SPD-Senat hier in Hamburg anguckt, dann ist das einfach etwas Krasses. Das ist rechte, konservative Politik. Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig ist, dass Leute auf die Straße gehen und sich dem widersetzen und sich solidarisch mit Geflüchteten zeigen. Es ist wichtig, dass Leute nicht nur in ihrem Kämmerchen bleiben und schlau labern, sondern wirklich auf die Straße gehen und ihren Standpunkt klar machen. In Hamburg ist das glücklicherweise groß passiert. Ich finde, in der Hinsicht ist Hamburg eine Stadt, die viel präsenter ist als Berlin.
Eure Tour geht von Ende Januar bis Anfang April und ihr werdet 19 Konzerte, auch in der Schweiz und Österreich spielen. Hast du Bock wieder aufzutreten?
Monchi: Klar! Da ist ganz viel Vorfreude, wir sind heiß. Wir werden drei Monate auf engstem Raum unterwegs sein. Natürlich wird’s auch Momente geben, in denen man gerne wieder zu Hause wäre und man fertig ist. Aber die Vorfreude auf die Konzerte macht da viel weg. Das ist für uns das erste Mal, dass wir so eine lange Albumtour spielen, in größeren Clubs und als Headliner auf Festivals. Ein sehr wichtiger Punkt ist für uns, dass wir befreundete Bands mitnehmen. Sowohl aus Mecklenburg-Vorpommern als auch Bands, die wir schon ewig kennen. Wir waren in der Position, die Leute zu fragen und das ist etwas sehr Geiles. Wir freuen uns mega darauf, die Bands auf unsere Konzerte mitzunehmen. Im Uebel & Gefährlich war ich bisher einmal beim Frittenbude Konzert und das ist ein fetter Laden. Da wird man schon nervös oder man ist aufgeregt und hofft, dass es geil wird. Vorfreude, Aufgeregtheit, Unsicherheit und die Lust darauf, dass es endlich losgeht: das sind alles Dinge, die da mitspielen. Das braucht auch alles extrem viel Vorarbeit. Wir arbeiten jetzt seit einem Jahr an dem Album.
Am 20. Januar ist eure Tour gestartet. Auf „Bleiben oder gehen?“ betont ihr auch, dass es wichtig ist, zwischendurch mal zur Ruhe zu kommen, abzuschalten und zu sich selbst zu finden. Konntest du das in letzter Zeit mal?
Monchi: Das bekomme ich nicht gut hin! Auch wir als Band schaffen das leider viel zu selten. Da spielt bei unserem Album ganz viel Selbstkritik mit. Damit halten wir uns den Spiegel vor. Ich finde es wichtig, nicht nur anderen Leuten den Finger zu zeigen, sondern auch mal zu gucken, wo ist man selbst vielleicht ein Idiot. Dazu gehört auch, dass wir es eben nicht schaffen, als Band mal zur Ruhe zu kommen. Wenn wir sagen, wir machen mal vier Wochen Pause und dann kommt eine geile Konzertanfrage, machen wir das halt trotzdem. Die Frage ist, wie lange man das aushält. Die Punkte, wo man mal zur Ruhe kommen kann, sind meiner Meinung nach sehr wichtig. Da sind wir als Band auf jeden Fall noch auf dem Weg. Ich würde aber sagen, mit so einem Album verarbeitet man schon sehr viel.
Abschließend: Wie würdest du das neue Album in drei Worten beschreiben?
Monchi: „Mega-Affen-Geil!“
Die aktuellen Tourdaten von Feine Sahne Fischfilet:
13.02.2015 Dresden Scheune
14.02.2015 Wien (AT) Arena
20.02.2015 Hamburg Uebel & Gefährlich
27.02.2015 Jena Kassablanca
28.02.2015 Heidelberg Halle 02
06.03.2015 Münster Skates Palace
07.03.2015 Leipzig Täubchenthal
13.03.2015 Oberhausen Druckluft
14.03.2015 Düsseldorf Zakk
20.03.2015 München Hansa39
21.03.2015 Nürnberg Löwensaal
27.03.2015 Bremen Schlachthof
28.03.2015 Frankfurt tba
10.04.2015 Stuttgart LKA Longhorn
11.04.2015 Basel (CH) Hirscheneck
Tickets gibt es bei Audiolith
Die neue Platte von Feine Sahne Fischfilet klingt sehr vielseitig und behandelt die Frage „Bleiben oder gehen“ aus ganz verschiedenen Blickpunkten. Mal euphorisch, optimistisch und glücklich, dann wieder selbstkritisch, melancholisch und nachdenklich, verbindet alle Stücke des Albums die mitreißende Energie.
Mehr als ein Jahr hat die Band nun an der Scheibe gearbeitet, am 30. Januar feiert Feine Sahne Fischfilet Releasekonzert auf Burg Klempenow in Mecklenburg-Vorpommern. Die Band brachte das Publikum in der eigenen Heimat zum kochen und ließ sich mit Familie und ganz viel Pyro so richtig abfeiern. Freunde, Familie aber auch das Label „Audiolith“ waren extra zum Konzert angereist – und auch Mittendrin war dabei.
Das Album scheint erneut einen Nerv zwischen Punk und Ska, sowie zwischen ruhigen und wütenden Songs zu treffen. Am Donnerstag, 19. Februar, und Freitag, 20. Februar, wird Feine Sahne Fischfilet in Hamburg gleich zwei Mal im Knust und im Übel und Gefährlich vor ausverkauftem Haus spielen. Einige Glückliche können vielleicht noch Restkarten ergattern.
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