Unzählige Burgerrestaurants haben das einstige Billigfastfood zum kulinarischen Trend gemacht. Dominik Brück hat sich auf eine Reise durch die Bulettentempel Hamburgs begeben und am Ende eine überraschende Erkenntnis gewonnen.
Hamburg ist umgeben von einer Dunstwolke aus Bratfett. Überall in der Stadt stapelt man Salat, Tomaten, Gurken und Zwiebeln auf Rinderhack, Schweinefilet, Hühnerbrust oder Sojabuletten. Das Ganze wird zwischen zwei Brötchenhälften versteckt – wahlweise Sauerteig, Mehrkorn, Vollkorn oder low-carb ohne Korn und ohne Teig. Die Hansestadt ist im Burgerfieber. Im Wettstreit der Gourmetbrater ist alles erlaubt. Es gibt fast keine Komposition von Aromen, die noch nicht versucht, keine Kombination von Lebensmitteln, die nicht schon mal im Inneren eines Burgerbrötchens übereinander gestapelt wurden. War der Burger früher die schnelle, ungesunde Mahlzeit zwischendurch, steht er nun im Zentrum einer eigenen Szenekultur.
Der Burger wird nicht gegessen, er wird zelebriert
Eines der Ursymbole des amerikanischen Kapitalismus scheint tatsächlich etwas geschafft zu haben, an dem seit Marx und Engels so viele gescheitert sind: Der Burger hat die Grenzen der Klassen überwunden. Egal, ob man in der Brooklyn Burger Bar die „Fleischeslust“ mit edlen Cocktails garniert, bei Hans im Glück über Sesamkörner hinweg beobachtet, wie die Kinder zwischen Birkenstämmen umhertollen, oder in der Kleinen Pause Gemüsepattys kauend über eine gerechtere Weltordnung diskutiert – der Hamburger ist den Hamburgern ein echter Freund geworden. Ganz gleich mit welchen Angeboten und Philosophien die Burgerschmieden von The Bird bis Ottos Burger an ihre Gäste herantreten, die wichtigste Frage bleibt: „Wo gibt es den Best Burger in Town?“.
Für die zahlenden Kunden eine Glaubensfrage. Denn wer das Essensgeld einer ganzen Woche für einen Burger auf den Kopf haut, wird nichts anderes erwarten als den Besten. Wie dieser aussehen und schmecken muss, ist genauso leicht zu beantworten wie die eine Frage nach dem Sinn des Lebens, des Universums und allem, was existiert. Und so ziehen die Gralsritter des Burgerordens durch die Stadt, schmecken, schmatzen, schlürfen, um am Ende der Reise zwischen Süßkartoffelfritten und Home-Brewed-Ice-Teas den einen, den richtigen, den Burger für’s Leben zu finden. Da das auf Dauer einsam sein kann, wird der Freundeskreis in die Suche einbezogen. So werden die Burgerbratereien der Stadt zu neuen Treffpunkten, an denen die geheimen Zutaten des perfekten Burgers eifrig diskutiert wird.
Vielleicht liegt die Antwort in der Vergangenheit
Während ich diese Zeilen schreibe und auf meinem 250 Gramm Kobe-Rind-Burger mit original italienischem Büffel-Mozzarella und Trüffel-Honig-Krabben-Sauce herumkaue, habe ich eine Vision. Die ultimative Geheimzutat liegt vielleicht gar nicht hinter dem Spuckschutz der Burgerläden, sondern weit in der Vergangenheit. Früher, als wir nicht in den Nobelbratereien Zuflucht suchten, saßen wir dicht an dicht um ein Feuer gedrängt, dass wir Grill nannten. Statt Gourmettempeln waren der Stadtpark und diverse Dachterrassen unsere kulinarische Heimat. Zwar gab es weder Edelzutaten, noch erlesene Beilagen oder exotische Getränke, doch der Burger schmeckte trotzdem so, wie er auch heute noch schmeckt – vielleicht sogar ein bisschen besser. Auch damals wurde viel diskutiert, über den perfekten Burger und was drauf gehört. Das war vor langer Zeit, lange bevor Lebensmittel zu Szeneobjekten wurden. Vielleicht sind es gar nicht der Blue Cheese, die Guacamole, das Kobe-Rind und das Low-Carb-Brötchen, die den perfekten Burger ausmachen. Vielleicht sind es die Freunde, mit denen man ihn teil.
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