Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und blickt auf ein biederes TV-Jahr.
So, das Medienjahr geht zu Ende, das wie selten eines zuvor im Schatten des Abschieds stand. Abschied von der trügerischen Gewissheit, Nachrichten müssten keine europäischen Kriege mehr vermelden. Abschied auch vom romantischen Glauben, die „Tagesschau“ vermelde nur wirklich Mitteilenswertes wie solche Katastrophen. Und Abschied von vertrauten Begleitern der Abendunterhaltung, die sonderbar unvergänglich erschienen. Drei Namen stehen da stellvertretend fürs Medienjahr: Wladimir Putin, Johann Westhauser und, nein, nicht Markus Lanz, sondern Blacky Fuchsberger.
Fernsehen, das unbekannte Wesen
Der russische Präsident stürzte mit seinem nationalistischen Egotrip auf Krim und Donbass den halben Erdball in die Krise und war daher zu viel, aber völlig zu recht auf dem Bildschirm. Der österreichische Höhlenforscher versetzte mit seinem verpatzten Egotrip in menschenfeindliche Tiefen die halbe Nachrichtenwelt in Aufruhr und war daher zu viel und das völlig zu unrecht auf dem Bildschirm. Der einstige Showmaster starb einen unspektakulär friedlichen Tod und verlässt den Bildschirm somit für immer.
So wie ein paar andere TV-Monolithen vergangener Epochen: Maximilian Schell und Mareike Carrière, Frank Schirrmacher und Robin Williams, Peter-Scholl Latour und Siegfried Lenz, Udo Reiter und zuletzt einer, der trotz seiner 80 Jahre kein Alter kannte: Udo Jürgens. Umso eifriger überholten sich die Sender mit Nachrufen auf den wohl letzten wahrhaft zeitlosen Entertainer und ernteten dafür auch noch sensationelle Quoten mit Dokumentationen, die erst Wochen zuvor Premiere hatten. Fernsehen, das unbekannte Wesen. Einerseits.
Ein biederes TV-Jahr
Andererseits hat es Seiten, die berechenbarer sind als Silvester, Feuerwerk und „Dinner for One“ zusammen. „Tannbach“ zum Beispiel, der nächste Zeitgeschichtsschinken rund um irgendwas mit Hitler gedreht. Ein Staraufgebot von Nadja Uhl über Lauterbach, Gedeck, Zehrfeld bis hin zu den Nachwuchskräften Henriette Confurius oder Jonas Nay spielt ab Sonntag Nachkriegszeit im geteilten Titeldorf nach. Für einen hohen siebenstelligen Betrag wartet der Dreiteiler wie üblich mit historischer Detailversessenheit auf. Und was zeigt uns das ZDF da? Konventionelles Fernsehen am Rande der Pilcherschnulze. Kein Mut, kein Schwung, kein gar nichts. Nur betuliche Langeweile in authentischer Kulisse. Selten begann das TV-Jahr so bieder.
Und selten ging es so bieder weiter. Auch die lang ersehnte Adaption von Noah Gordons „Medicus“ überrascht Montag/Dienstag im Ersten ja allenfalls mit den migrationshintergründigen Zielgruppenstars Elyas M’Barek und Fahri Yardim an der Seite von Ben Kingsley und einem Hauptdarsteller, der wie stets in solchen Stoffen viel zu glatt ist für seine Zeit. Gute Unterhaltung, zugegeben. Aber drei Minuten nach dem Abspann längst vergessen. Dennoch darf der Blockbuster das, was der ARD-Verantwortliche Volker Herres immer dann aufs Strengste verbittet, wenn man mal eine Doku zur Primetime fordert: Die Sprengung des Programmschemas. Dank des Mittelalterarztes mit Hipsterfrisur fällt der anschließende Sachfilm aus.
Tipp der Woche
Schon aus Protest sollte man daher den ganzen Tag 3sat sehen, wo der Themenabend „Hans und Heinz“ wenigsten konsequent auf Tradition setzt. Genauer: Die Herren Moser und Rühmann, denen der Kanal ab 7.10 Uhr 15 meist schwarzweiße Klassiker widmet. Alternativ könnte man aber auch das tun, was Silvester ohnehin ratsam ist: Nicht fernsehen! An Neujahr gibt es dann ja Gelegenheit, die Kurzabstinenz auszugleichen. Etwa durch den „Tatort“ mit Nora Tschirner und Christian Ulmen als Weimarer Ermittlergespann Dorn/Lessing, das trotz des denkbar doofen Titels „Der Irre Iwan“ überzeugt. So viel Witz schafft nicht mal Münster, Ausgabe, geschweige denn das Saarland.
Ansonsten steht die Woche voll im Zeichen patriotischer Klebrigkeit. Beispiel Neujahrsskispringen, das die ARD ab Mittag gewiss wieder zum nationalen Erweckungserlebnis hochjazzt wie den Gewinn der Fußball-WM, dessen filmisches Zeugnis „Die Mannschaft“ am Freitag zur besten Sendezeit belegt, dass Sportreportagen wie Traumschiffe ins Wohnzimmer schippern können. Und Samstag zeigt „Eine Liebe für den Frieden“ mit Birgit Minichmayr als Bertha Suttner an der Seite von Sebastian Koch als Alfred Nobel, wie artig Geschichte daherkommen kann. Dann doch lieber Fiktion wie den schwarzweißen „Tipp der Woche“ (Montag, 23.35 Uhr, Servus): „Goldenes Gift“, ein Film Noir von 1947 mit Robert Mitchum als Privatdetektiv im Griff der Femme Fatale Jane Greer. Oder auf Arte in Farbe (Dienstag, 20.15 Uhr): Robert Altmans Hollywoodpersiflage „The Player“, mit 70 Stars von 1992. Auch übersetzt sehenswert.
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