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Kritik an Musikpreis: „Der ‚Hans‘ verharmlost Mitläufer der Nazi-Zeit“

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Henry Lührs
@henrycalrs

E-Mail: luehrs@hh-mittendrin.de

Heute wird der Hamburger Musikpreis „Hans“ verliehen. Das Label Audiolith kündigte schon frühzeitig an, nicht teilzunehmen und kritisiert die Veranstalter scharf.

Hamburg ist eine Stadt mit einer ausgeprägten Club- und Konzertszene. Als Musikstadt hat Hamburg eine lange Tradition und einen guten Ruf bei Musikern aus aller Welt. In den kleinen Live-Clubs auf St. Pauli begann so manch erfolgreiche Band ihre Laufbahn, die Musikszene in der Hansestadt ist so groß wie vielseitig und die Förderung junger Künstler gewinnt an Fahrt. Teil dieser Förderung soll auch der Hamburger Musikpreis „Hans“sein. Seit 2009 werden Künstler der Hamburger  Musikszene jährlich in verschiedenen Kategorien ausgezeichnet.

Kritik von Audiolith und Musikern

Eigentlich ist Nachwuchsförderung ja eine tolle Sache. Trotzdem kommt der „Hans“ nicht bei allen in der Hamburger  Szene gut an. Bereits 2010 zeigte sich Lars Lewerenz, der Gründer des Labels Audiolith, dem Preis gegenüber kritisch. Als Audiolith als „Label des Jahres“ ausgezeichnet wurde, zerschlug er seine Trophäe mitten auf der Bühne. Er habe deutlich zeigen wollen, dass er nicht mit Hans Albers in Verbindung gebracht werden wolle. Auch 2014 hat Audiolith früh deutlich gemacht, dass man beim „Hans“ nicht erscheinen werde.

„Für uns ist es ein unerträglicher Gedanke, dass ein Preis verliehen wird, der nach einem Künstler benannt ist, der während der Nazizeit an einigen der bekanntesten Propagandafilmen mitgewirkt hat“, gab das Label bekannt. Hans Albers stehe sinnbildlich für das, was in Deutschland nach 1945 schief gegangen sei.

„Die alten Eliten wurden nach 1945 nicht etwa an den Rand der Gesellschaft verbannt, sondern bekleideten wieder hohe Ämter, verdienten einen Haufen Geld und hatten genug Zeit, ihre Teilnahme am Nazi-System herunter zu spielen“, heißt es in der Stellungnahme von Audiolith.

„Es ist für uns unverständlich, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, irgendwas nach Hans Albers zu benennen“. Es sei eine Schande für Hamburg, dass  die „Handlanger und Mitläufer“ im Nationalsozialismus mit dem Preis verharmlost und der „Opportunist“ Albers zum Vorbild für junge Musiker gemacht werde, so Audiolith.

Die Hip-Hop-Band Neonschwarz unterstützt den Standpunkt ihres Labels und gab auf ihrer Facebookseite bekannt: „Natürlich freuen wir uns, dass die Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft uns zutraut, mit unserer Musik den Wirtschaftsstandort Hamburg nach vorne zu bringen. Leider ist am Mittwochabend das Releasekonzert von unserem Freund Zinnschauer in der Roten Flora, da sind uns nun wirklich die Hände gebunden.“

„Der Preis wurde nicht nach Hans Albers benannt“

HANSestadt und HANSeatisch

Die Interessengemeinschaft der Hamburger Musikwirtschaft hatte die Idee für den „Hans“ ursprünglich entwickelt. Auf die Kritik von Audiolith angesprochen, sagt Ideengeber Alexander Maurus zu Mittendrin:  „Der Name ‚Hans‘ steht zunächst einmal für Hansestadt und hanseatisch und beschreibt daher eine geografische Verortung. Der Musikpreis wurde nicht originär nach Hans Albers benannt.“ Dennoch habe Albers als singender Seefahrer auch das Image der Stadt beeinflusst. Maurus weist auch darauf hin, dass Albers eine jüdische Frau hatte. Das Label Audiolith sein ein „äußerst innovatives Label, das seit vielen Jahren hervorragende Arbeit leistet“, sagt Maurus trotz der Kritik. „Generell sind kritische Diskussionen immer bereichernd, vor allem im kulturellen Bereich“, so Maurus.

Beim Musikpreis „Hans“ gehe es darum, „den Fokus auf die starke Musikszene in Hamburg zu legen, ihr mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und zu verdeutlichen, wie wichtig sie für Hamburg und die städtische Kultur ist“, sagt Maurus.  Das Besondere an dem Preis sei, dass nicht nur die Musiker, sondern auch alle anderen Mitwirkenden, wie etwa Grafiker, Programmmacher und Clubbetreiber ebenfalls ausgezeichnet würden, sagt der Ideengeber.

„Günther“ statt „Hans“

Das Label Audiolith kritisiert den Preis aber nicht nur, man liefert auch einen Verbesserungsvorschlag. Die Hamburger Plattenfirma regt an, den „Hans“ nach Günter Discher umzubenennen. Discher belieferte während der Nazizeit Swingclubs auf St.Pauli mit Schallplatten und musste dafür ins Jugendkonzentrationslager. Er wurde nach dem Krieg ein aktiver Antifaschist und legte weiterhin Platten auf. 2012 starb er mit 87 Jahren, nachdem er am Abend zuvor noch als DJ in einem Altenheim gespielt hatte. Mit Anspielung auf den Vorschlag ihres Labels, schrieben Neonschwarz auf Facebook: „Vielleicht sind wir ja 2015 für den Goldenen Günter nominiert, da hätten wir bestimmt Zeit.“

„Hans“ dieses Jahr in der Markthalle

Auch ohne Audiolith und Neonschwarz wird der Hamburger Musikpreis am Mittwoch wieder verliehen. Dieses Jahr steigt die Veranstaltung  in der Markthalle. Die Finalisten in den acht verschiedenen Kategorien stehen bereits fest. Zu ihnen gehören die Gruppen Neonschwarz und Deichkind aber auch der Golden Pudel Club. Über die Sieger in Kategorien wie „Song des Jahres“, „Gestaltung des Jahres“ oder „Medienformat des Jahres“ entscheidet eine Jury, bestehend aus ausgewählten Musikern, Produzenten, Veranstaltern, Managern und Radiomachern über die Preisträger.

Wer mit welchem Preis ausgezeichnet wurde und was sonst noch während der Preisverleihung passierte, lest ihr im Laufe des morgigen Tages bei Mittendrin.

Foto: IHM

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