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Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei vorgegaukelte Relevanz und billige Klamaukkopien gefunden.

Keine Frage: Selbst als gebührenfinanzierter Sender mit Niveau kann man ein Boulevard-Magazin machen. Womöglich muss man es sogar tun, angesichts der Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage, die selbst der „FAZ“ längst bunte Spalten verpasst hat und Arte Dokusoaps. Es ist halt bloß fraglich, ob sich die ARD wirklich entblöden muss, fürs Boulevard-Magazin „Brisant“ wie zuletzt Redakteure des debilen Blaublutblatts „die aktuelle“ als „Promi-Experte“ zu engagieren. Das ist ja doch so, als würde die NASA Erich von Däniken für eine Mars-Mission engagieren. Oder auch: Das Publikum darüber entscheiden lassen, was demnächst auf einem anderen Sender mit Anspruch läuft.

Nichts gegen Partizipation oder Interaktivität, aber dass die Zuschauer des ehrgeizigen „TV-Lab“ den abischerzflachen Dünnschiss „Diese Kaminskis“ ins ZDFneo-Programm gewählt haben, kann nur zweierlei bedeuten: An der Wahl haben bloß Stammgäste von RTL2 teilgenommen. Oder ZDFneo hat sich nur als Jugendkanal des ZDF getarnt und ist in Wahrheit RTL2. Kurz nach seinem 5. Geburtstag am Freitag geht er nämlich mit der billigen Klamaukkopie von „Six Feet Under“ in Serie, bei der prollige Kölner Bestatter beim Ketterauchen, tihi, den Sarg ansengen oder darauf, bruha, kopulieren.

Herrjemine.

Dann doch lieber die letzte Folge „Wetten, dass…?“ (oder sollte man sagen: die letzte mit Markus Lanz?) ansehen, für die allerdings grad Furchtbares vermeldet wurde: kurz vor Weihnachten muss sie nun doch ohne die drei Altmoderatoren auskommen, von denen sich der erste (Elstner) grundlos abgemeldet hat, der wichtigste (Gottschalk) sarkastisch und der irrelevante (Lippert) bedauernd. Mit purem Hohn dagegen hat Will Arnett beim Late-Night-Talker Jimmy Kimmel über seinen Besuch auf dem Wettsofa hergezogen: Fünf Minuten lang lachte sich der Hollywoodstar über die Absurdität unseres Fernsehens schlapp und gelobte, schon aus Angst vor unserer Humorlosigkeit werde er es nie wieder aufsuchen.

Das Grauen – tagein, tagaus

Aber keine Sorge, lieber Will: Samstag ist die Couch wieder mit Stamminventar von Grönemeyer über Berben bis Hirschhausen besetzt und Arnetts Blockbuster mutierter Schildkröten läuft ja auch schon eine Weile im Kino, da kann er sich die deutsche Werbeplattform sparen. Wir allerdings, wir Eingeborenen, wir können das nicht so leicht. Uns wird tagein, tagaus das Grauen vorgesetzt – und das zum Mauerfalljubiläum auch noch mit vorgegaukelter Relevanz. Etwa das Experiment „Eine Woche DDR“, bei dem RTL eine Schulklasse im Mittagsjournal „Punkt 12“ fünf Wochentage lang in FDJ-Hemden steckt, mit Spreewaldgurken füttert, Fahnenappelle simulieren lässt und so angeblich den Alltag Ost erspürt.

Schlechter geeignet ist dafür eigentlich nur noch der lausige „Polizeiruf“ Magdeburg am Sonntag. Besser dagegen taugt der Themenabend „Mauerfall“, mit dem das ZDF parallel bis drei Uhr nachts die Zeit vor 25 Jahren aufleben lässt. Richtig gut wäre auch die Wiederholung von „Hurra Deutschland!“, mit dem EinsFestival ab Freitag um 17.30 samt der legendären Handpuppen an die Ereignisse der Wendephase erinnert. Nahezu perfekt indes eignet sich der ARD-Mittwochsfilm „Bornholmer Straße“. Darin spielt Charly Hübner einen fast beängstigend glaubhaften Grenzer, dem die Ost-Berliner am 9. November ’89 den Übergang einrennen. Die Tragik darin ist so voller Komik und umgekehrt, dass Christian Schwochows biografische Fiktion schon jetzt zum Besten zählt, was 2014 hervorgebracht haben wird.

Mehr als Action

So was ist gewöhnlich auch bei allem, was Hinnerk Schönemann spielt, der Fall. Wobei der Ostseekrimi „Nord bei Nordwest“ Donnerstag im Ersten das Rad des Küstenwesterns nicht neu erfindet, aber um ein fabelhaftes Exemplar erweitert, wenn Schönemann als Exbulle mit Tierarztpraxis in Mecklenburg auf zwei Leichen stößt. Ebenfalls hoch im Norden handelt, was der NDR heute um 23.15 Uhr erstausstrahlt. Da „In der Stunde des Luchses“ aus Skandinavien stammt, ist aber bereits zu ahnen, dass es hier um weit krassere Kriminalität geht: einen dänischen Doppelmörder nämlich, der zur Resozialisierung einem psychiatrischen Experiment unterzogen wird, das auch dem Zuschauer an die Nerven geht.

Dass Sat1 am Dienstag ein brauchbares Drama zeigt, bei dem man sich trotz Alexandra Neldel als aufrechte Ärztin im asiatischen Katastrophengebiet nicht fremdschämen muss, sei hier auch noch erwähnt (wobei „Gegen den Sturm“ dennoch dünnere Bretter bohrt. Und damit wären wir auch schon beim Kontrastprogramm „Tipp der Woche“. In Schwarzweiß diesmal „Sie küssten und sie schlugen ihn“ (Montag, 20.15 Uhr, Arte), mit der Francois Truffaut 1959 die Nouvelle Vague begründete. In Farbe „Dead Man Walking“ (Mittwoch, 20.15 Uhr, Tele5), mit der Sean Penn 1995 als verurteilter Hinrichtungskandidat bewies, dass er mehr kann als Action.

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