Stadtgespräch

Kolumne Wahnsinnsstadt: „Blindflug ins Verderben“

Stadtgespräch
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

Im Februar wird die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Jan Freitag hat den Blick in die Glaskugel gewagt und fürchtet einen Blindflug ins Verderben – mit einer Koalition aus CDU und AfD. 

Prognosen künftiger Wahlergebnisse sind viereinhalb Monate vorm nächsten Urnengang natürlich so verlässlich wie Jahreshoroskope, aber wir wollen es an dieser Stelle trotzdem mal versuchen: Die SPD wird am 15. Februar zwar mit Abstand stärkste Kraft, verliert aber ebenso wie die GAL Stimmen, von denen die AfD insgesamt 19,4 Prozent holt – vor allem dank massiver Wählerwanderung von FDP und Linken, die beide aus der Bürgerschaft fliegen. Da die CDU zugleich um fünf Punkte zulegt, fordern Bild und Bernd Lucke die Christdemokraten schon am Tag der Wahl zur Koalition auf. Wenige Wochen später wird Dietrich Wersich Bürgermeister, ernennt sodann Jörn Kruse zum Innensenator.

Und der Irrsinn nimmt seinen Lauf

Wie 2001. Ronald Barnabas Schill. Erinnert sich noch jemand? Damals war es genauso. Nach Jahren überwältigender Erfolglosigkeit besoff sich Carl-Friedrich Arp Ole Freiherr von Beust am Nektar reaktionärer Machtperspektive und nutzte den gnadenlos richtenden Politberserker Schill zum Steigbügelhalter eines Minderheitsbürgermeisters, den kaum jeder vierte Wahlberechtigte in diesem Amt hatte sehen wollen.

Vom Schulsystem über die innere Sicherheit bis tief ins zwischenmenschliche Miteinander zerhackte die rechtspopulistische Karikatur eines schwarz-braunen Senats fortan alles, was humanistische Gesellschaften irgendwie lebenswert macht; und als der elitäre Blaublüter Beust dem aberwitzigen Treiben seines durchgedrehten Hofnarren ein pathetisches Ende bereitete, dankten Hamburgs Wähler seinen zweieinhalbjährigen Blindflug ins Verderben nicht etwa mit einem Arschtritt in die Opposition; nein, sie verschafften ihm fortan die absolute Mehrheit.

Ein gutes Pflaster für Wahnsinnige 

Womit zweierlei bewiesen wäre: Hamburg ist ein gutes Pflaster für Wahnsinnige samt ihrer Pfleger. Und aus politischen Fehlern zu lernen zählt nicht eben zu den Kernkompetenzen hiesiger Stimmberechtiger. Regelmäßig schwappten daher zuletzt hart- bis poprechte Aggressoren ins  Rathaus, um sich dort flugs selbst zu zerlegen. Den Beginn machte 1993 die Statt-Partei, vier Jahre drauf gefolgt von der DVU, was 12 Tage nach 9/11 in Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive gipfelte. Ideologische Ausrichtung: Jeweils bräunlich-verschmiert. Haltbarkeit: stets weniger als eine Legislaturperiode.

Es sollte also nicht verwundern, wenn im Heimatbundesland der irrlichternden Intelligenzhenker von Fritz Honka über Christian Worch, Jürgen Hunke, Thomas Steiner Wulf bis hin zu Nadja Ab del Farrag, demnächst abermals ein geistiges Nichtschwimmerbecken wie die Alternative für Deutschland mit ihrem entfesselt giggelnden Wirtschaftsprof Bernd Lucke vorneweg die Stadtpolitik flutet.

Verwandlung zum politischen Klärwerk

Noch interessanter aber dürfte sein, wie sich Dietrich Wersich dem selbstverordneten Abszess am Gesäß seines Geltungsbedürfnisses wieder entledigt, wenn sich die AfD eher früher als später in ihre Bestandteile auflöst. Ob ihn Jörn Kruse also, sagen wir: mit Herpes am Großmaul mit irgendwas wie Homosexualität erpresst, bis sich der Bürgermeister als Befreier von dem geriert, was er uns allen eingebrockt hat. Vor allem aber – ob die CDU so aasig aus der Sache raus käme wie von Beust, der seinerzeit als einziger nichts vom Abgrund seines politischen Ziehkindes Schill geahnt haben will, jenem narzisstisch gestörten Verbal-Nazi, der nun die Dschungelcamps und Menschenzoos des Deppenfernsehens verunreinigt.

Es könnte also sein, dass der 15. Februar 2015 diese eigentlich doch ganz ansehnliche Stadt mal wieder in ein politisches Klärwerk verwandelt, zum Abklingbecken persönlichkeitsgestörter Psychopathen und ihrer Parteisurrogate. Gut, dass solche Prognosen heute noch Kaffeesatzleserei sind.

 

Titelfoto von 3268zauber (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons 

Kommentare anzeigen (2)

2 Kommentare

  1. Jutta

    15. Oktober 2014 at 16:18

    Hallo Jan Freitag,
    überlassen wir doch die Satiere den Satirikerinnen, die haben das gelernt und die können das.

  2. Georg E.

    16. Oktober 2014 at 15:16

    So aberwitzig es klingt, guter Jan Freitag, aber kann es sein, dass die SPD hierzulande mit seherischen Fähigkeiten ausgestattet ist und derob angesichts des heranrauschenden schwarz/bekackten Zerlegebetriebs, die Dinge in die historisch bekannten „eigenen“ Hände nimmt, so dass der böse Mob nix mehr zum Zerlegen vorfindet. Hui, wie clever ist das denn? Jetzt beginne ich die unglaubliche Strategie der Füchse um den Leitfuchs und Hüter der Intelligenz im Rathaus Olaf Scholz zu verstehen. Raffiniert. Und die Betroffenen können sich sauber schon vorher auf die schlimmsten Kloppet vorbereiten. Sozialdemokratische Politik: immer irgendwas mit Fernrohren.

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