Seine Leica-Kameras hat der Fotograf Sascha Erni immer dabei. Im Interview erzählt er über seine Leidenschaft für die Kamera.
Sascha Erni wurde 1975 im Kanton Aargau in der Schweiz geboren und lebt jetzt mit Freundin und Katze, nach einem Ausflug nach Niedersachsen, im Kanton Thurgau. Er ist freischaffender Autor, Fotograf und Textredakteur, und arbeitet unter anderem für die Kulturplattform des Kantons Thurgau. Er studierte Englische Sprach- und Literaturwissenschaften, Deutsche und Nordische Mittelalterkunde sowie Philosophie und Musikwissenschaften an der Universität Zürich.
Mittendrin: Wann hattest du die erste Kamera in der Hand?
Sascha Erni: Da war ich vielleicht sieben oder acht Jahre alt. Ein Onkel war auf ein Spiegelreflex-System umgestiegen und „vererbte“ unserer Familie seine alte Minolta-Messsucher-Kamera. Ich durfte dann damit herumspielen und machte vorwiegend Fotos von Sonnenuntergängen und Wolken. Wohl auch, weil mir am Anfang das Scharfstellen noch schwer fiel.
Wie bist du zur Leica gekommen?
Sascha Erni: Indirekt über besagten Minolta-Messsucher. Ich hatte in meiner Jugend eine lange Fotoabstinenz und bin dann „digital“ wieder eingestiegen mit einem spiegellosen System von Olympus. Es kamen analoge Mittelformatkameras hinzu. Ich kam damit aber einfach nicht wirklich gut klar, die Messsuchererlebnisse aus meiner Vergangenheit hatten ihre Spuren hinterlassen. Zum Testen besorgte ich mir eine Olympus XA, eine Kompaktkamera mit einem absolut grauenhaften Messsucher aus den 80ern. Die hatte mich 10 Euro auf dem Flohmarkt gekostet. Aber es waren die besten 10 Euro, die ich jemals investiert habe, denn ich merkte sofort: Das ist es. Durch Glück in einer Online-Auktion kam ich an eine Leica M3 aus dem Jahr 1957 und ein dazu passendes Summicron 50mm von 1960. Ich hatte wieder Spaß an der Fotografie, also kamen weitere Objektive hinzu. Ich setzte dann auf die M3 folgend eine M9 meine Arbeitskameras. Seit gut vier Jahren fotografiere ich sowohl privat als auch beruflich zu 95 Prozent mit Leicas.
Für welche Situationen ist sie die perfekte Kamera?
Sascha Erni: Für mich ist die Leica die perfekte Reportagekamera. Einfach, weil sie so schön klein und leicht ist, nicht weiters auffällt – und verdammt alt aussieht. Nur Leute, die sich selbst enthusiastisch mit Fotografie auseinandersetzen, erkennen eine Leica auf der Straße. Für die anderen ist die M9 entweder eine auf altmodisch getrimmte Kompaktknipse oder eine analoge Kamera, eine Liebhaberei. Dadurch wirkt sie in der heutigen Zeit der Überwachungskameras und Sofort-im-Internet-Handyfotografie wohl ungefährlicher. Die Menschen sind entspannter, wenn ich mit der M3 oder M9 unterwegs bin. Viele blenden die Kameras aus. Mimik wird so zu einer Möglichkeit, an Fotos zu kommen: Man wirkt nicht wie ein Cyborg, der statt eines Gesichts einen schwarzen Klotz mit großer Linse auf den Schultern trägt. Das halbe Gesicht steht frei, wenn man zum Fokussieren beide Augen offen lässt bleibt man auch als Fotograf noch Mensch.
Wie erkennt der Laie an Fotos, dass sie mit einer Leica gemacht wurden?
Sascha Erni: Gar nicht. Ich glaube sogar, dass Profis in einem Test keine Chance hätten, eine Leica von einer anderen Kamera zu unterscheiden, weder die digitalen noch die analogen Modelle. Die „Leica-Anmutung“ ist keine technische Kenngröße. Ja, die Objektive gehören mit zu den Besten auf dem Markt, und die machen das Bild, aber wir sind mittlerweile auf einem solchen Qualitätsniveau, dass praktisch alle Kameras und deren Objektive ordentliche Bilder machen können.
Wie wäre wohl dein Leben ohne die Fotografie verlaufen?
Sascha Erni: Langweiliger. Das Tolle am Fotografieren ist für mich, abseits vom gestalterischen oder dokumentierenden Aspekt, das Hinsehen als solches. Mit den Einschränkungen eines Fotoapparats schaut man automatisch anders hin als ohne, was interessante Perspektiven eröffnet. Und aus Perspektiven erwachsen Ideen, aus Einschränkungen so Möglichkeiten, man nimmt sowohl aktiv wie auch passiv andere Strukturen und Zusammenhänge wahr, die Fotografie fördert eine andere Wahrnehmung. Fotografie ist für mich in der Hinsicht wie LSD – sie erweitert das Bewusstsein, obwohl man dabei gleichzeitig komplett dicht ist.
Foto: Sascha Erni
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