Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei die Lässigkeit und Vergesslichkeit des Publikums gefunden.
Was wären Fix ohne Foxi, Ying ohne Yang, Baden ohne Baden? Halbe Sachen wie Gruner ohne Jahr, also undenkbar. Jetzt aber trennt sich das Publizisten-Paar und mit ihm ein weiteres Stück deutscher Mediengeschichte.
Das kann man nüchtern veränderten Konsumgewohnheiten zuschustern, aber mit jeder Ära endet eben auch ein geschlossener Erinnerungsraum und Gegenwart wird Geschichte. So wie man es dem Fernsehen schon lange vorhersagt im Kampf gegens Home-Entertainment auf DVD, Streams und Youtube.
Wen ein Fernsehformat nämlich so fesselt, dass ein Loskommen unmöglich ist, neigt naturgemäß zu dem, was neudeutsch Binge-Watching heißt. Serienglotzen am Stück, ganze Staffeln in einer Nacht oder wie es ein amerikanisches Liebespaar getan hat: 51 Episoden The Walking Dead nacheinander, zweieinhalb Tage unterbrochen nur von den nötigsten Verrichtungen, in Zeitraffer festgehalten vom US-Sender Fox.
Nicht, dass Extrem-Binging dieser Art mit einer deutschen Serie durchhalten würde; keine einzige erzeugt schließlich auch nur annähernd den Sog von, sagen wir: „Homeland“ oder „House of Cards“. Aber hiesige Sender sollten sich angesichts der Lässigkeit, in der die zwei Hardcorezuschauer das Zombiegemetzel durchgestanden haben, ruhig mal zum Anlass nehmen, ihre Struktur zu überdenken. Also zum Beispiel, was Privatkanäle wie Vox oder RTL2 schon getan haben, ganze Abende einer Serie zu widmen.
Publikumsvergesslichkeit als Sensation
Aber vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seiner grundsatzlinearen Programmpolitik ist so was natürlich nicht zu erwarten. Dort gilt es eher als Sensation, wenn Jörg Pilawa kurz vor Weihnachten im NDR zum 80. Geburtstag von Rudi Carrell „Am laufenden Band“ aufwärmt. Jene schlaghosenalte Siebzigershow, bei der heute niemand mehr so genau sagen kann, worum es dabei bis aufs finale Vorbeirauschen merkwürdiger Sachpreise wie Schnellkochtopf und Trockenhaube eigentlich ging.
Aber diese Publikumsvergesslichkeit teilen Klassiker mit vielem aus der Gegenwart. So wird also vom heutigen Fernsehpranger „Mein Kind schafft das“ spätestens zwei Stunden nach der achten Folge nur in Erinnerung geblieben sein, dass sich RTL2 unter Vortäuschung von Anteilnahme an fetten Kindern beim Abspecken ergötzt hat. Auch an „Akte D“ dürfte sich nach dem Montagsauftakt nur wenige erinnern – was allerdings keine inhaltlichen Gründe hat. In der ARD-Reihe wird nämlich endlich das politisch gewollte Scheitern der Entnazifizierung dokumentiert. Allerdings kurz vor Mitternacht, wenn garantiert keiner zusieht. Das gilt dann leider auch für eine weitere Entmystizierung der jungen Republik in „Unser Wirtschaftswunder“, das zwar um 20.15 Uhr läuft; aber 3sat haben viele gar nicht auf der Fernbedienung.
Den Quotensieg des Tages wird daher wohl „Alles muss raus“ davontragen. Der ZDF-Zweiteiler (Fortsetzung Mittwoch) handelt schließlich von der Pleite des Schlecker-Konzerns. Dass er sie wenig erbaulich per Holzhammermoral verarbeitet, tut da nichts zur Sache; fiktionalisierte Zeitgeschichte mit Starbesetzung (Atzorn, Preuß, Lukas, Martinek, Sadler) zieht immer. Besonders, wenn sie auch noch vom Topthema Fußball handelt, des FC Bayern zumal, der Mittwoch im Ersten mal wieder einen Satz kostenloser Werbung kriegt, wenn es die zugegeben spannende Geschichte des jüdischen Ex-Präsidenten Landauer zugegeben versiert erzählt.
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