Die Eröffnungsgala der 25. lesbisch-schwulen Filmtage auf Kampnagel fühlte sich an wie eine Familienfeier – allerdings vor ausverkauftem Haus. Nicht so herzlich war der Empfang für Bürgermeister Olaf Scholz, dessen Eröffnungsrede von Tröten und Buh-Rufen übertönt wurde.
Goldene Jubiläumskrönchen, Geburtstagsständchen und viele, viele kräftige Umarmungen – das Foyer auf Kampnagel hat sich an diesem Abend in eine öffentliche Geburtstagsfeier verwandelt. Wer da mit soviel Herzlichkeit gefeiert wird, muss ein besonderes Geburtstagtskind sein. Tatsächlich ist es den lesbisch-schwulen Filmtagen Hamburg in 25 Jahren gelungen, zu einem der weltweit bedeutendsten queeren Filmfestivals aufzusteigen. Was als autonomes Seminar über „Homosexualität im Film“ an der Uni Hamburg begann, ist längst eine international bekannte Größe geworden. Auch Kampnagel Intendantin Amelie Deuflhard zieht in ihrer Geburtstagsrede den Hut vor der Veranstaltung: „Dass dieses Festival das größte der Welt ist, wusste ich. Dass es auch das tollste der Welt ist, habe ich heute Abend erst erfahren.“
Die ModeratorInnen glänzten mit Charme und aufwändigen Kostümen
In einer vierstündigen Inszenierung mit viel Pomp und Glitzer führen die ModeratorInnen Didine van der Platenvlotbrug und Blessless Mahoney das Publikum charmant durch den Geburtstagsabend. Statt Torten gibt es rauschende Tüll-Kostüme für die ModeratorInnen: Blessless Mahoneys „Kleid“ bestand aus einem fahrbaren Unterstand auf Rädern und wurde folgerichtig als Tisch und Abstellfläche für den Sektkübel eingesetzt.
#LSF25 Opening-Gala with @Hendrik_Menken pic.twitter.com/S2BSIEXQdp
— Stefan Melnik (@StMelnik) 14. Oktober 2014
Das Publikum folgt brav den Anweisungen der ModeratorInnen und setzt sich seine goldenen Krönchen auf, die ModeratorInnen begrüßen daraufhin alle „GenderzarInnen, Queens und Prinzen“. Beherzt greift Didine ein, als der Anfang von Bürgermeister Olaf Scholz‘ Rede im kollektiven Trötenlärm untergeht: „Jeder darf hier seine Meinung ausdrücken, das gleiche gilt auch für unseren Gast Olaf Scholz“. Den Protestierenden ging es vor allem um die nach wie vor ungelöste Situation der Gruppe Lampedusa in Hamburg.
Scholz: „Die Hamburger Ehe hat Geschichte geschrieben- und es geht weiter“
Der Erste Bürgermeister betont die Vorreiterrolle Hamburgs beim Kampf um Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren. Mit der „Hamburger Ehe“ sei es Hamburg 1999 als einem der ersten Bundesländer gelungen, die Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auf dem Standesamt zu ermöglichen. Mit dieser Eintragung ergaben sich jedoch nicht die gleichen Rechte und Pflichten wie für die traditionelle Ehegemeinschaft zwischen Mann und Frau. Scholz kritisiert außerdem konservative Vorbehalte beim Kampf für mehr Rechte von Lesben und Schwulen, bei denen es die Haltung gebe „bis hierhin und nicht weiter“. Das nächste Thema auf der Agenda sei das Adoptionsrecht von homosexuellen Paaren, was Scholz ausdrücklich befürwortet: „Es muss weitergehen.“
Eröffnungsfilm „Acting Out“: Bestärkung und Lobeshymne zugleich
Der Eröffnungsfilm sollte ein Geburtstagsgeschenk der Community an sich selbst sein: Ein selbstgedrehter Dokumentarfilm über die Entstehungsgeschichte des Festivals, über die Herausforderungen und Chancen, vor denen das ehrenamtliche Team heute steht. War das Ziel des Films die Community zu feiern, die Erfolgsgeschichte des Festivals zu erzählen und damit gleichzeitig die finanzielle Existenz des Festivals zu sichern? Dann haben die Regisseurinnen Christina Magdalinou, Silvia Torneden und Ana Grillo ihr Ziel erreicht. Wenn der Film für ein Publikum außerhalb der Community relevant und vor allem unterhaltsam sein sollte, können wir leider nur fünf von zehn Punkten vergeben. Für Außenstehende war die detaillierte Dokumentation von Teamsitzungen, Nachtbar-Vorbereitungen und persönlichen Liebeserklärungen streckenweise langatmig. Anstatt eine Lobeshymne auf die gewachsenen Freundschaften und die Trinkfreudigkeit der Nachtbar-Gäste zu singen, wären einige Hintergrundinformationen zu den ausgewählten Filmen und vor allem ein Einblick in den Auswahlprozess der Filme spannender gewesen.
Ehrenamtliche: „Ich weiß nicht, ob ich mal im Rollstuhl sitzen werde. Aber ich weiß, dass ich immer hier sein werde“
Berührt hat der Film vor allem dann, wenn das ehrenamtliche Team von seinen persönlichen Festivalmomenten erzählt, da sich hier das eigene Coming Out und die eigene Identitätsfindung mit den Themen des Festivals überschneiden. So erzählt ein transsexuelles Teammitglied über ein persönliches Schlüsselerlebnis beim Videodreh: „Ich sitze mit sechs nackten Männern im Raum und merke auf einmal: Das hier ist ja mein Projekt, mein Thema“. Eine andere Ehrenamtliche ist als Ticketabreißerin dabei und obwohl sie sich körperlich nicht mehr so fit fühlt, will sie auf jeden Fall weitermachen: „Ich weiß nicht, ob ich mal im Rollstuhl sitzen werde. Aber ich weiß, dass ich immer hier sein werde“. Woher kommt das riesige Engagement der Freiwilligen, wie kamen in 25 Jahren 250.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden zusammen? Auf diese Fragen gibt der Film eine überzeugende Antwort: Austausch und Zusammenhalt. Kaum ein anderes queeres Festival sei zu so einem communityverbindenden Ereignis geworden. Zu keinem anderen Festival kommen so viele Leute von weit her angereist, nur um diese rauschende Festivalwoche mitzuerleben.
„Queere Filmfestivals sind immer noch extrem wichtig“
Umso stärker betont der Film auch, dass das Festival unter finanziellem Druck steht. Der Hauptsponsor, die Hamburger Kulturbehörde, kalkuliert offenbar die Arbeit der Ehrenamtlichen als selbstverständlich mit ein. Die VeranstalterInnen fordern schon lange mehr Geld für Hauptamtliche um die Organisation zu professionalisieren.
Aber wozu braucht man überhaupt noch ein queeres Filmfestival, wenn Homosexuelle heiraten und bald auch Kinder adoptieren können? Die Antwort im Film lautet für den Austausch der Community. Die familiäre Atmosphäre im Kampnagel-Foyer zeigt, welche Vernetzung und welch intensiver Austausch die Menschen hier über die Jahre immer wieder zusammengebracht hat. Andererseits erinnert er an die vielen Orte, in denen Homosexuelle massiv diskriminiert werden, wie in Kamerun oder in Hamburgs Partnerstadt St. Petersburg. Ein LGBT-Aktivist aus Russland formuliert es so: „Ihr könnt uns am meisten damit helfen, wenn ihr eure Forderungen weiterhin durchsetzt. Das ist ein klares Signal an die ganze Welt“.
Der Eröffnungsfilm „Acting Out“ ist noch an folgenden Tagen zu sehen:
Donnerstag, 16.10., 20 Uhr, Rote Flora
Samstag, 18.10., 15 Uhr, Studio Kino 1
Filmempfehlungen des Teams für Mittwoch:
Kate Bornstein is a queer & pleasant Danger, 18:00 Metropolis Kino
Vulva 3.0, 20:15 Metropolis Kino
Sounds Queer, 22:30 Rote Flora
Foto: Lesbisch Schule Filmtage: Gardenia – Bevor der letzte Vorhang fällt
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