Seit 100 Jahren halten Fotografen auf der ganzen Welt ihre Motive mit einer Leica-Kamera fest. Die besondere Faszination der kompakten Kamera vermittelt eine neue Ausstellung in den Deichtorhallen.
„Die Leica ist die perfekte Reportagekamera, einfach, weil sie so schön klein und leicht ist, nicht weiter auffällt – und verdammt alt aussieht“, schwärmt der Fotograf Sascha Erni. So ist sie immer in seiner Tasche dabei und schnell einsetzbar. Ohne erst an vielen Knöpfen drehen zu müssen, kann er sofort losknipsen. Trotz ihrer geringen Größe erkennt der Laie bei den Bildern keinen Unterschied zwischen einer modernen Spiegelreflex-Kamera und der älteren Leica. Das beschert der Leica schon seit über 100 Jahren eine treue Fangemeinde.
„Die Menschen sind entspannter“
Als Oskar Barnack im März 1914 den ersten funktionsfähigen Prototyp einer neuartigen Fotokamera für 35 Millimeter perforierten Kino-Rohfilm fertigstellte, revolutionierte er die damalige Fotografie – ein Meilenstein, der noch heute spürbar ist. Vor der Leica gab es nur große, klobige Apparate zum Fotografieren: So zum Beispiel Balgen-Kameras. Dies ist ein Apparat, der im Jahre der Erfindung der Fotografie 1839 entwickelt wurde. Das große blasebalgähnliche Gehäuse, das sich zusammenfalten lässt, kennt fast jeder aus alten Filmen. Der Fotograf wirft sich meistens noch ein Tuch über den Kopf, um besser durch den Sucher schauen zu können. Damals war es ein Highlight, wenn ein Familienfoto damit geschossen wurde. Neue Perspektiven waren jedoch nahezu ausgeschlossen, denn die Kameras wurden mit einem Holzgestell als Stativ aufgebaut, damit sie nicht wackelte und das Bild scharf blieb. Das alles brauchte man bei der Leica nicht mehr: Sie konnte in der Hand gehalten werden und näher an den Menschen heran gehen, weil kein Abstand mehr zum fokussieren benötigt wurde. Das ist auch heute noch ein Vorteil im Vergleich zu großen Spiegelreflexkameras. „Viele blenden die kleine Kamera aus. Man wirkt nicht wie ein Cyborg, der statt eines Gesichts einen schwarzen Klotz mit großer Linse auf den Schultern trägt. Das halbe Gesicht steht frei, wenn man zum Fokussieren beide Augen offen lässt, bleibt man auch als Fotograf noch Mensch“, erzählt Erni. Es entwickelte sich dadurch eine Form der Fotografie, die nahe am Menschen ist und keine auffällige, störende Kamera zwischen Fotograf und Motiv hat.
Ausstellung: „Die Welt durch den Leica-Sucher“
Genau diese Motive möchte die Ausstellung „Augen auf! 100 Jahre Leica“ in den Deichtorhallen zeigen und damit das Alleinstellungsmerkmal der Leica hervorheben. Dabei zeigen rund 500 Fotografien die Geschichte der Kleinbildfotografie von den Anfängen bis heute. Die Ausstellung startet am 24. Oktober im Haus der Fotografie. „Als Preview zeigen wir ausgewählte Bilder schon vorher in einer Outdoor-Austellung am Jungfernstieg“, erzählt Bert Antonius Kaufmann, Kaufmännischer Direktor der Deichtorhallen. Von heute bis Ende Oktober kann sich jeder, Bilder von 17 Fotografen kostenfrei an der Alster anschauen. „Wir gehen damit zum dritten Mal seit 2012 mit einer Ausstellung zu den Menschen auf die Straße und wollen sie von den großen Fotografen faszinieren“, erklärt Kaufmann die Intention.
„Leica treibt einen zu Weißglut“
Auch die Fotografin Heike Rost benutzt die Leica. Sie sieht die Arbeit mit der Kamera allerdings auch als Herausforderung: „Sie ist eigenwillig. Hat Ecken und Kanten, ist zickig, treibt einen gelegentlich zur Weißglut, in Wutausbrüche oder zur stillen Verzweiflung „Schließlich erfordere die Leica vom Fotografen das ganze Können. Man müsse genau über das Bild nachdenken. Einfach schnell Abdrücken funktioniere nicht. Rost stört daher die heutige Digitalfotografie, wo schnell hunderte Male auf den Auslöser gedrückt werde, ohne über das Motiv nachzudenken. Die Fotografin arbeitet anders: Die Präzision müsse an erster Stelle stehen. Das Scharfstellen ohne Sucher, die genaue Kenntnis von Bildwinkeln und Abbildunssqualitiäten oder die richtige Auswahl von Brennweite und Objektiv gehören für sie dazu. Ohne dies sei ein gutes Bild nicht möglich. In der Digitalfotografie würde man häufig nur den Automatikmodus benutzen und draufhalten. „Die meiste Arbeit findet aber im Kopf hinter der Kamera statt. Im Idealfall hat ein Fotograf die handwerklichen Kenntnisse soweit verinnerlicht, dass sie wie ein Reflex funktionieren. Erst dann hat man den Kopf frei für die Geschichten hinter den Bildern“, sagt Rost. So ist die Leica kein Apparat für Gelegenheitsknipser und macht einen besonderen Reiz für Fotografen aus. „Mit der Leica fotografieren wir auch heute noch andere, bessere Motive, als in den Tageszeitungen erscheinen“, schwärmt Sascha Erni von seiner Lieblingskamera.
Fotos: Sascha Erni, Tobias Johanning
Nils
11. Oktober 2014 at 09:40
Guter Bericht, gutes Interview. Aber warum keine Bildunterschrift??? Auf dem Foto links steht der 86jährige Modephotograf FC Gundlach. Warum wird er im Text nicht erwähnt?