Wenn es um diese, um unsere Stadt geht, muss auch mal ernsthaft über Dinge geredet werden, die nicht so offen ins Auge stechen wie, sagen wir: größenwahnsinnige Seilbahnen, größenwahnsinnigere Opernhäuser oder geradezu germaniautopische Olympiabewerbungen. Dann muss über Salat geredet werden.
Den nämlich verkauft ein ungewohnt gesunder Schnellimbiss am Rande der Schanze, dort also, wo das Galao-Inferno ins umliegende Wohngebiet ausfranst. Mit Chinos, Vollbart, Duttfrisur bewaffnet, fällt die örtliche Kreativwirtschaft Mittag für Mittag in die kleine Salatbar ein und delektiert sich an gebratener Aubergine, Couscousallerlei nebst hübsch angerichtetem Grünzeug. Lecker. Und verpackungsaufwändig.
Pro Portion gibt es eine dicke Einwegschale plus Plastiktüte. Womit wir beim Punkt wären. Denn es gibt da einen, der bei jedem Besuch seine eigene Tupperschale mitbringt. Tüte? Nein, danke. Geht so. Sind ja nur ein paar Meter ins Büro oder heim. So geht das mehrmals die Woche, immer schön mit gutem Beispiel voran, bloß keinen bevormunden, einfach Salat rein, 70 Cent Tara für die Schale abgezogen, ist sogar billiger als die Einwegvariante. Und was geschieht? Nichts. In fast drei Jahren ist noch nie auch nur einer dieser hungrigen PR-Profis mit den vermeintlich modernen Sichtweisen dem Beispiel gefolgt.
Das könnte man ignorant nennen, uneinsichtig, vielleicht auch nur aufmerksamkeitsreduziert. Hätte sich nicht eines schönen Tages dies ereignet: Drei Männer mit super Frisuren packen sich irgendwas mit Hähnchen in ihre Plaste und Elaste, als einer zu den anderen lauter als nötig irgendwas über den „Öko-Wichser da mit seiner Spackendose“ sagt und stolz durch ihn hindurch grinst. Womit bewiesen wäre: Man muss nicht missionieren, um als Missionar verachtet zu werden. Die Missionare der Konsumgesellschaft dulden auch so keine Propheten neben sich.
Seither kauft der Anrainer weiter still seinen Salat in der Spackendose, grummelt darüber, dass es niemand nachmacht, und freut sich dennoch diebisch, dass der Imbiss-Besitzer den Öko-Wichser-Hasser damals freundlich gebeten hat, seine volle Einwegschale gern kostenlos mitzunehmen, aber doch bitte nie wieder in seinen Laden zu kommen. Das war natürlich eine eher geschäftsuntüchtige Rebellion gegen die Invasion der Ignoranz in den Lebensraum Schanze, aber ein ungeheuer rührender. Was das nun mit Seilbahnen, Opernhäusern, Olympiabewerbungen zu tun hat? Augenscheinlich wenig, unterschwellig eine ganze Menge.
Schließlich sind es solche größenwahnsinnigen Aufwertungsobjekte einer glitzernden, aseptischen Metropole, die den innerstädtischen Raum zusehends mit Designern ihrer selbst und anderer fluten oder wahlweise mit dem sedierten Stimmvieh aufdringlichen Entertainments. Dass es in gewachsenen Städten Existenzen gibt, Menschen, ein Dasein abseits von Event und Profit, ist ihnen vielfach so fremd wie das Innere der Smartphones, mit denen sie künftig Bilder jener Leuchttürme hanseatischer Selbstüberschätzung ins Netz speisen, die ihre Standorte zu kalten, entfremdeten, blutleeren machen.
Die Sommerspiele 2024 in Hamburg wären verantwortungsbewusst, strukturfördernd, nachhaltig und zum Wohle aller, sagt also Bürgermeister Scholz? Sie wären es exakt so, wie Einwegverpackungen für etwas grundsätzlich Gutes: Nach Gebrauch unbrauchbar. Zumindest für die Durchschnittsbevölkerung. Wer sich dagegen wehrt, gilt als Spaßbremse, nein: Spaßbremsen-Wichser. Aber die kriegt der ortsansässige Größenwahn schon irgendwann raus in die Randbezirke. Hamburgs Mitte gehört dann voll und ganz: dem Business.
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Knitterfee
3. September 2014 at 15:10
Ach, es kursieren doch jetzt jede Menge Videos im Netz, die mit den verpackungsfreien Supermärkten, die total schick aussehen. In spätestens nem Jahr ist Dose selber mitbringen voll im Trend, dank Social Media 😉