Rund 60 Personen gedachten am Sonnabend in Billbrook Ngoc Nguyên und Anh Lân Dô, die Opfer eines Anschlags der rechtsterroristischen Gruppe „Deutsche Aktionsgruppen“ geworden waren. Die Erinnerung an die Tat macht deutlich: Rassistisch motivierte Gewalt gab es schon vor den NSU-Morden und ist bis heute nicht verschwunden.
Der regnerische Sonnabend brachte rund 60 Personen in der Halsketraße in Billbrook zurück in die Vergangenheit. Vor 34 Jahren starben die zwei vietnamesischen Flüchtlinge Ngoc Nguyên und Anh Lân Dô, 22 und 18 Jahre alt, in der Flüchtlingsunterkunft, die sich früher in der Straße befand. Heute steht hier ein Hotel. Nichts erinnert mehr an die schreckliche Nacht am 22. August 1980. Drei Neonazis der rechtsradikalen Organisation „Deutsche Aktionsgruppen“ hatten damals drei Molotov-Cocktails durch Fenster der Flüchtlingsunterkunft geworfen. Nguyên stirbt noch in der selben Nacht, während Dô neun Tage später seinen Brandverletzungen erlag. Seit Sonnabend wird an beide mit einer Tafel erinnert.
Rassistisch motivierte Morde schon vor der NSU
Die Veranstaltungsreihe “Vom rassistischen Normalzustand zum Nationalsozialistischen Untergrund” möchte durch die Gedenkkundgebung die Gräueltaten des Trios wieder ins Bewusstsein der Menschen bringen. Der ehemalige Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) veranstaltete damals eine Trauerfeier auf dem Öjendorfer Friedhof zu der 400 Menschen kamen, um mit ihm der Opfer zu gedenken. Auch die Hamburger Medien berichteten. Jedoch geriet der Anschlag schnell in Vergessenheit, was sich nach mehr als 30 Jahren nun geändert hat. Frank Keil, Journalist und Teilorganisator, erklärt den Zeitpunkt der Gedenkveranstaltung im Zusammenhang mit dem NSU–Prozess: „Es ist wichtig zu wissen, dass der NSU-Fall nicht der erste seiner Art ist“. Somit ist der NSU-Mord an dem Altonaer Süleyman Taşköprü vor 13 Jahren nicht der erste rassistisch motivierte Mord in Hamburg gewesen, wohl aber der bekannteste.
Das Unwissen über die Boat People
Ein Grund warum die Tat in Billbrook in Hamburg so unbekannt ist, sei auch das mangelnde Wissen über die „Boat People“. „Vietnam und der Krieg dort, waren so weit weg von Deutschland, dass es die wenigsten interessiert hat“, sagt Keil. Nach der Wiedervereinigung Vietnams wurden viele politisch anderes Denkende, wie die Befürworter des südvietnamesischen Regimes, von der kommunistischen NLF verfolgt. Auch religiöse und ethnische Minderheiten wurden zunehmend unter Druck gesetzt. Aufgrund der umliegenden kommunistisch regierten Länder, flohen viele Vietnamesen, wie auch Ngoc Nguyên und Anh Lân Dô, über das chinesische Meer. Viele sogenannte „Boat People“ überlebten die Reise nicht. Jedoch wurden die zwei Flüchtlinge von Aktivisten des Schiffes „Cap Anamur“ gerettet und fanden neben 11.000 anderen vietnamesischen Flüchtlingen eine neue Heimat in Deutschland.
Eine Frage der Mentalität
Die Gedenkfeier fand inmitten des alltäglichen Verkehrs auf der Straße statt. Dementsprechend liefen Passanten verblüfft vorbei und Autofahrer drosselten ihre Geschwindigkeit, um das Geschehen besser beobachten zu können. Ein älterer Mann stoppte und stieg aus, um nachzufragen. Thorsten Meier, mit dem der Autofahrer gesprochen hatte, sagte: „Der Mann war sehr interessiert und hat es für wichtig gehalten, dass wie diese Aktion hier machen. Er konnte sich sogar dunkel an die Ereignisse erinnern.“ Nun steht eine blaue Gedenktafel vor dem Hotel, die an die Tat vor 34 Jahren erinnert und als Symbol „für Solidarität mit den Familien und Angehörigen aller ermordeten MigrantInnen und Opfern von Rassismus und Neofaschismus“ stehen soll. Die Tafel ist gleichzeitig eine Mahnung an alle, dass rassistische Gewalt auch heute noch in Deutschland präsent ist. Ein weiterer Grund warum das Schicksal von Ngoc Nguyên und Anh Lân Dô und anderen Opfern nie vergessen werden darf.
Fotos: Sally Eshun
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