Herzlichen Glückwunsch, ihr seid Fußballweltmeister. Und wenn man den deutschen Medien glaubt, bin ich es scheinbar auch. Obwohl ich weder etwas dafür getan, noch überhaupt davon gewusst habe.
Ich stand dem ganzen Trubel um die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien von Anfang an sehr kritisch gegenüber. Ich habe mich aufgeregt über all die „Berichterstattung“ über den Bodymaßindex von Jogi Löw und die Frisuren oder Schuhfarbe der Spieler. Ich war die ganze Zeit genervt, von all den Eventfans, die U- und S-Bahnen verstopften, laut grölend durch die Straßen zogen und mir mit Feuerwerk, Autokorsos und Hupkonzerten den Schlaf raubten. Ich warnte vor übertriebenem Nationalismus, Rassismus und Patriotismus und war in den vergangenen Wochen insgesamt nicht gut auf das Thema WM zu sprechen.
Trotzdem fand ich mich am Sonntagabend mit meinem Mitbewohner, nennen wir ihn Valentin, zum Minifanfest im heimischen Wohnzimmer ein. Ohne Deutschlandtrikot, Schlandschminke, Nationalflagge und Vuvuzelas, dafür aber mit ausreichend Knabberkram – 90 Minuten können schließlich ganz schön lang sein. Wie durchschnittlich 34,65 Millionen Menschen in Deutschland verfolgte ich das WM-Finale vor dem Fernseher. Nicht weil das deutsche Team dabei war, sondern weil es sich schlicht und ergreifend um das Endspiel des wichtigsten, internationalen Fußballturniers handelte.
Tom Bartels, halt die Klappe!
Wer nun am Ende dieses letzten WM-Spiels als Sieger vom Platz gehen würde, war mir schon vor Beginn der Weltmeisterschaft egal. Vielleicht lag es daran, dass mir bereits in der 70. Minute erstmals die Augen zufielen. Vielleicht war auch der Schlafmangel schuld, oder der überaus ermüdende Kommentar von Tom Bartels. Vielleicht auch einfach die Tatsache, dass mich ein Fußballspiel selten so richtig begeistert. Ich weiß es nicht. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich, wie sich die Spieler gegenseitig die Waden massierten, sodass ich erst dachte, es handele sich um einen Werbespot für Massageöl. Dann dämmerte mir: Verlängerung.
Noch bevor der Schiedsrichter die Extrazeit anpfiff und Millionen Menschen auf der Welt weitere 30 Nervenaufreibende Minuten bescherte, war ich schon wieder im Land der Träume. Dort blieb ich bis zum Morgen und auch Autokorso, Feuerwerk und Hupkonzert konnten daran nichts ändern. So erfuhr ich erst morgens aus der Zeitung, dass ich offenbar den Titel geholt hatte. „Wir sind Weltmeister!“, titelten zum Beispiel „Neue Westfälische“ und Rhein Zeitung“. Erst Papst, jetzt Weltmeister! Was für ein Gefühl, unbeschreiblich. Ich kann es immer noch nicht glauben. Eins ist sicher: Niemals werde ich vergessen, wie ich als einfacher Mann schlafen ging und als Fußballweltmeister aufwachte.
Foto: Arne Müseler : arne-mueseler.de
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