Stadtgespräch

Appell: Kein Platz für Rassismus und Nationalismus im Sport

Stadtgespräch
Marvin Mertens
@MarvMertens

Ressortleitung Stadtgespräch | Kontakt: mertens@hh-mittendrin.de

Ganz ehrlich? Ich wünsche mir ein schnelles Ende der Fußball-Weltmeisterschaft herbei. Denn dann gibt es keinen Platz mehr für Rassismus und Nationalismus unter dem Deckmantel des Sports. Ein Appel von Marvin Mertens.

„Für Kamerun ist die WM damit beendet.“ Als ich diesen Satz morgens im Radio hörte, keimte in mir Hoffnung auf. Zwar weiß ich dank eifrig rechnender Kollegen über alle möglichen Konstellationen Bescheid, die die deutsche Mannschaft noch das Achtelfinale kosten könnten. Dennoch hoffe ich, dass die Weltmeisterschaft auch für das deutsche Team bald zu Ende ist.

Warum? Schön, dass ihr fragt. Nach meinem ersten Text zur Weltmeisterschaft wurde ich vor allem dafür kritisiert, alle Deutschlandfans pauschal als Nationalisten zu verurteilen. Doch davon bin ich weit entfernt. Die Menschen, die sich alle vier Jahre Deutschlandfarben ins Gesicht schmieren, sich drei Wochen lang für Fußball interessieren und nur in Deutschlandfahnen gekleidet aufs Heiligengeistfeld pilgern, sind mir praktisch egal, sie gehen mir höchstens auf die Nerven. Ihnen geht es darum, das deutsche Team aus gefühlten 20.000 Kilometern Entfernung anzufeuern, sich volllaufen zu lassen, oder einfach um das Public-Viewing-Event an sich. Alles schön und gut, alles kein Problem.

Was ich wirklich kritisieren möchte

Was ich wirklich kritisieren möchte, ist die sinkende Hemmschwelle für rassistische, faschistische und nationalistische Sprüche und Handlungen. Das Netz gegen Nazis hat auf dieser Seite die nationalistischen Entgleisungen deutscher Fans während der ersten WM-Woche gesammelt. Ob ein Hakenkreuz in Deutschlandfarben, „Sieg Heil“-Rufe bei einem Autokorso, Kids, die in irgendeinem deutschen Garten unter den Augen von lachenden Eltern eine Portugalflagge verbrennen oder einfach der allseits bekannte Gruß mit der rechten Hand – all das ist Teil der deutschen Fankultur. Nicht nur während der WM natürlich. Aber gerade dann.

Nach und während dem Spiel des deutschen Teams gegen die Mannschaft aus Ghana gab es auf Twitter und Facebook unzählige offen rassistische Kommentare. Da geht es um Sklaverei, Armut, Hunger und Krankheiten wie zum Beispiel Aids – alles bezogen auf die Hautfarbe und Herkunft der Spieler aus Ghana. Da fallen Begriffe wie „Bimbo“ oder „Neger“, immer wieder auch das Wort „Hass“. Außerdem wurde bekannt, dass deutsche Fans in Brasilien durch sogenanntes Blackfacing, also schwarz angemalte Gesichter, negativ aufgefallen sind. Sowohl die Kollegen von Zeit-Online als auch das Blog „Lichterkarussell“ haben die Twitter-Entgleisungen deutscher Fans während des Spiels gegen Ghana teilweise Dokumentiert. Das ist Rassismus, nichts anderes.

Vereinen statt entzweien –  Miteinander statt gegeneinander

Und das klage ich an. Das finde ich nicht gut. Ich habe nichts gegen Fußballfans und auch nicht gegen Deutsche, zumindest nicht grundsätzlich. Aber ich bin der Meinung, dass Sport – Ja, Fußball ist immer noch Sport –, die Menschen vereinen sollte. Bei dieser WM habe ich eher das Gefühl, dass der Sport Menschen entzweit. Nicht speziell auf Fanfesten, nicht vor dem Fernseher oder im Stadion, sondern weit davon entfernt: Am nächsten Tag beim Einkaufen, auf der Arbeit oder in Bahn.

Von Fanfest-Patriotismus zu Nationalismus ist es nur ein kleiner, ein winziger Schritt. Ich glaube, dass die Hemmschwelle für fremdenfeindliche Äußerungen, nationalistische Graffitis und rassistische Sprüche während der WM deutlich sinkt. Und ich glaube auch, dass die Toleranz für diese Dinge in etwa im gleichen Maße steigt. Im Freudentaumel um Miro Klose, Poldi und Schweini interessiert es keinen, ob jemand neben ihm den Gruß zeigt oder „Sieg Heil“ brüllt. Nein, im Alkoholrausch lassen sich vermutlich sogar mehr Menschen zum Mitmachen verleiten. Da wird Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit schnell als Bagatelle abgetan, da ist „Alles halb so wild“, weil ja WM ist und man nun mal feiern will. Auch das thematisieren die Zeit-Kollegen.

Zum Schluss noch ein Appell:

Ich möchte an all die Menschen appellieren, die freiwillig auf Fan-Feste gehen, um dort einfach nur mit vielen anderen Menschen Fußball zu schauen und immer so sehr darauf pochen. An euch, die ihr gesagt habt, ihr findet es nicht fair, als Nationalisten dargestellt zu werden, nur weil ihr das deutsche Team unterstützt: Lasst euch von nationalistischen oder rassistischen Tendenzen, Äußerungen oder Taten nicht mitreißen. Zeigt den Menschen, die solche Dinge sagen oder tun, dass so etwas nicht in Ordnung, nicht zu tolerieren ist und stimmt nicht mit ein. Steht gegen Rassismus, Nationalismus und Faschismus und für ein friedliches Miteinander ein. Nur dann kann eine Weltmeisterschaft wirklich zu einem Fest für alle Menschen werden. Wenn durch den Fußball Grenzen zwischen Menschen überwunden werden können, dann kann sogar ich mich mit der WM arrangieren. Sonst nicht.

Foto: Arne Müseler : arne-mueseler.de

Kommentare anzeigen (4)

4 Kommentare

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  2. Ded

    3. Juli 2014 at 10:53

    Ich stimme zu, dass diese Entgleisungen einiger „Fans“ nicht tragbar sind, aber…wahrscheinlich halten Sie, Herr Mertens, bei Ihrer Auffassungsgabe auch alle Muslime für Terroristen, nur weil eine vergleichbar kleiner Teil der Gläubigen den Islam militant verbreiten möchte. Nationalismus pauschal in einen Topf mit Faschismus und Rassismus zu werfen ….*lach* ….was haben Sie denn geraucht? Da Sie aber zumindest dieses braune Pack verurteilen, habe ich auch grundsätzlich nichts gegen Sie.

    • Marvin Mertens

      Marvin Mertens

      3. Juli 2014 at 11:12

      Ich möchte darauf einfach mit einem Zitat aus dem obigen Text antworten: „Nach meinem ersten Text zur Weltmeisterschaft wurde ich vor allem dafür kritisiert, alle Deutschlandfans pauschal als Nationalisten zu verurteilen. Doch davon bin ich weit entfernt. Die Menschen, die sich alle vier Jahre Deutschlandfarben ins Gesicht schmieren, sich drei Wochen lang für Fußball interessieren und nur in Deutschlandfahnen gekleidet aufs Heiligengeistfeld pilgern, sind mir praktisch egal, sie gehen mir höchstens auf die Nerven. Ihnen geht es darum, das deutsche Team aus gefühlten 20.000 Kilometern Entfernung anzufeuern, sich volllaufen zu lassen, oder einfach um das Public-Viewing-Event an sich. Alles schön und gut, alles kein Problem.“
      Der Text ist ein Appell an die „echten Fans“, den Menschen, die sich auf Fanfesten oder überhaupt im Zusammenhang mit der WM, nationalistisch, faschistisch oder rassistisch äußern, Einhalt zu gebieten und diese nicht zu unterschätzen. Aber ich denke, das Zitat aus dem Text reicht aus, um zu zeigen, dass ich nicht pauschal jeden in einem Deutschlandtrikot als Nationalisten verurteile.
      Marvin Mertens

      • Ded

        3. Juli 2014 at 11:38

        DAS hört sich jetzt ganz anders an und ich stimme Ihnen bis auf eine Sache zu. Sie „verurteilen“ Menschen als Nationalisten – dieser Satz hat dadurch eine negative Deutung des Begriffs „Nationalismus“. GESUNDER Nationalismus ist, sich nicht durch das braune Pack verführen zu lassen oder sich Rassismus hinzugeben und dafür jederzeit einzutreten, dass nie wieder Menschen- und Völkerrecht durch Deutschland gebrochen wird. Übrigens waren es Nationalisten, die sich zum Wohle Deutschlands 1848 zusammensetzten, um Deutschland die erste Verfassung zu geben, auf die noch heute unser Grundgesetz basiert.

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