Die Zeit Hamburg und die Heymann Buchhandlungen haben am Freitag die Poetry-Slammerin Julia Engelmann in den Mojo Club eingeladen. Moderator Kilian Trotier sprach mit der Netzberühmtheit über Bahnfahrten und andere Belanglosigkeiten.
„Julia, wie geht es dir?“ fragt Moderator Kilian Trotier zu Beginn des Gesprächs. „Ja, ganz gut. Ich freue mich hier zu sein“, antwortet die 22-jährige Studentin. Trotier erwartet mehr und quetscht sie über ihre Bahnfahrt nach Hamburg aus. Was so banal anfängt, wird sich über den ganzen Abend erstrecken. Julia Engelmann wurde in den letzten Monaten zu einer kleinen Sensation. Ursprung hatte das „Phänomen Engelmann“ bei dem Hörsaal-Slam in Bielefeld vor einem Jahr. Sie trug ihr Gedicht „One Day / Reckoning Text“ vor und hielt somit einer ganzen Generation den Spiegel vors Gesicht. Mit Konjunktiven wie „fast hätten wir uns mal demaskiert“ und Imperativen wie „lass uns werden, wer wir sein wollen“ fordert sie die sogenannte Generation Y auf, sich selbst zu verwirklichen und mutig zu sein, denn „Mut ist auch bloß ein Anagramm für Glück“.
„Schreibst du auf der Bahnfahrt?“
Der Mojo Club auf der Reeperbahn ist bis auf den letzten Platz mit Gästen besetzt, die vergebens auf ein interessantes und tiefgründiges Gespräch hoffen. Engelmann wirkt wie ein schüchternes und einfältiges Schulmädchen während Trotiers Fragen so trivial und flach sind, dass man ihr die ebenfalls oberflächlichen Antworten nicht übel nehmen kann. Radio Bremen beschreibt sie als „Die Stimme einer ganzen Generation“. Trotier fragt, ob Engelmann damit was anfangen könnte. „Also mit den Begriffen kann ich etwas anfangen, ja“, sagt sie während der Moderator etwas irritiert dreinschaut. Auch das Publikum weiß nicht, ob die Aussage witzig gemeint ist oder nicht und lacht etwas verhalten. Trotier bittet sie den von ihr angewendeten Begriff „Weltschmerzpflaster“ zu erläutern. Sie enthält sich jedoch, weil sie ihre Texte für jede mögliche Interpretation zugänglich lassen wolle. „Ich fänd’s auch doof, wenn Rilke sein Gedicht „der Panther“ Zeile für Zeile erklären würde“, sagt sie und erntet damit verdienten Applaus.
Zwischen beeindruckender Poetik und überflüssiger Banalität
Engelmann liest an dem Abend drei Gedichte aus ihrem neuen Buch „Eines Tages, Baby“. Eins davon ist „Stille Wasser sind attraktiv“. Sie erhebt sich aus ihrem roten Sessel und druckst vor dem Mikrofon anfangs etwas rum, was einen an Rüdiger Hoffmann erinnert. Ob es einstudiert ist oder nicht, bleibt offen. Schon die Süddeutsche Zeitung hat ihren Auftritt damals in Bielefeld als „einkalkuliert“ abgestempelt. Plötzlich ist sie jedoch wie ausgewechselt. Ihre Gedichte liest sie selbstsicher und fesselnd vor und das Publikum hört gespannt zu. Im darauffolgenden Gespräch fragt Trotier nach dem Verhältnis mit Engelmanns Eltern und ob dieses sich geändert hätte. „Natürlich hat es sich geändert, weil wir uns über die Monate geändert haben“, sagt Engelmann. Dem Moderator ist die Antwort „zu abstrakt“. Was für eine Antwort er auf seine triviale Frage aber erwartet, weiß man nicht. Ein Poetry-Slam Video, das mittlerweile über 6 Millionen Mal auf YouTube angeklickt wurde, abrupte mediale Aufmerksamkeit und zum Teils scharfe Kritik – selbstverständlich ändert das einen Menschen und sein Umfeld. Besonders wenn öffentliche Figuren wie Jan Böhmermann das Gedicht als „volkstümliche Rührbröckchen“ beschreibt. Somit ist auch die Frage, warum sich Engelmann eine Auszeit vom Medienrummel genommen hat, überflüssig.
Es ist bemerkenswert, wie sich eine junge Person in ihren Gedichten so offenbart und verwundbar macht, denn das Gedicht an ihre Eltern erzeugt Gänsehautgefühl. Umso bedauerlicher ist es deshalb, dass das Gespräch zwischen Engelmann und Trotier nur auf einer oberflächlichen Ebene bleibt und der Moderator die Unterhaltung mit der jungen Frau nicht recht in Gang bringen kann.
Foto: Hannah Schuh – Poetry-Slammerin Julia Engelmann im Gespräch mit Kilian Trotier am 27.06. im Mojo Club.
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden