Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen hat am Donnerstag einen Wohlfahrtsindex für Hamburg präsentiert. Aus der Studie geht hervor, dass Hamburg zwar reicher geworden ist, aber auch die Soziale Ungleichheit in der Stadt gestiegen ist – für die Grünen der Auftakt zu einer neuen Debatte über nachhaltiges Wachstum.
Den HamburgerInnen geht es gut – zumindest wenn man nach der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) geht. Hier wird der Gesamtwert aller Waren, Güter und Dienstleistungen für den Zeitraum eines Jahres erfasst. Nach einer Konjunkturflaute ist das BIP seit 2009 zur Freude der Wirtschaft in Hamburg wieder gestiegen. Kein Grund zur Sorge also? „Nein“, sagt die Bürgerschaftsfraktion der Grünen. Der Wohlfahrtsindex, der im Auftrag der Fraktion erstellt wurde, stellte zwar fest, dass Hamburg laut BIP zwar reicher geworden ist. Die soziale Spaltung der Stadt habe sich aber vergrößert. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft und des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin.
Ein Kompass für die Politik
„Das BIP kann nicht der alleinige Maßstab sein“, sagt Jens Kerstan, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Dennoch sei dieses der vorherrschende Indikator für Wohlstand und Lebensqualität. Mit dem Wohlfahrtsindex wollen die Grünen eine neue Perspektive auf Wachstum und Zusammenleben in der Stadt ermöglichen. Das Instrument ist bereits auf Bundesebene und in anderen Bundesländern mehrfach zum Einsatz gekommen. Hamburg ist nun der erste Stadtstaat, der nach den Kriterien des Indexes untersucht wurde. Der Index setzt sich aus insgesamt 20 Komponenten zusammen, von denen in der Hansestadt 18 gemessen werden konnten. Während das BIP lediglich die Leistung der Gesamtwirtschaft einbezieht, betrachtet der Wohlfahrtsindex eine Vielzahl anderer Faktoren. So werden neben dem privaten Konsum und dem Wert von Hausarbeit auch Kosten durch Luftverschmutzung oder Kriminalität in die Berechnungen aufgenommen. „Damit wollen wir das BIP aber nicht ersetzen, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit ergänzen“, erläutert Roland Zieschank, Mitautor der Studie.
Dabei sei es wichtig, dass die Debatte über die Entwicklung von Wohlstand nicht nur in Fachkreisen geführt werde, sondern eine breite politische Öffentlichkeit erhalte. Genau das wollen die Grünen ermöglichen: „Wir versprechen uns davon einen neuen Kompass für die Politik“, sagt Kerstan. Man könne so feststellen, wo man stehe und wo es hingehen sollte, damit das Leben in der Stadt lebenswerter wird. Am Freitag will die Fraktion daher auf einem Kongress mit ExpertInnen aus der Wirtschaft die Ergebnisse der Studie diskutieren und über konkrete Maßnahmen sprechen, um eine nachhaltige Wirtschaftspolitik zu ermöglichen.
Index alleine genügt nicht
„Der Wohlfahrtsindex ist ein gutes Instrument, um zu erkennen wo es brennt“, sagt Kerstan. Seine Fraktion sei von den Ergebnissen überrascht gewesen und hätte nicht erwartet, dass die soziale Spaltung der Stadt so deutlich erkennbar sei. Es sei bekannt, dass in Hamburg einige Stadtteile abgehängt würden. Allerdings gilt der Index nur für das Gesamtgebiet der Hansestadt. Eine Übersicht über die Entwicklungen in den einzelnen Bezirken oder Stadtteilen gibt es nicht. „Auf der Ebene von Stadtteilen brauchen wir ganz andere Instrumente“, erläutert Zieschank. Diese klassischen Studien und Berichte wollen die Grünen auch weiterhin verwenden, um Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden. „Es gibt den Sozialbericht, den Armutsbericht und viele andere Statistiken über die Stadtteile. Ich finde es spannend mit dem Wohlfahrtsindex ein neues Instrument zu haben, um soziale Problemlagen zu erfassen“, sagt die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Katharina Fegebank. In den kommenden Monaten will die Fraktion darüber beraten, wie die Ergebnisse in das politische Programm einfließen können. Es stehe aber auch anderen Akteuren frei, die Studie zu nutzen. „Der Wohlfahrtsindex dockt da an, wo die politische Diskussion derzeit steht und schafft eine neue Perspektive“, sagt Jens Kerstan. „So können wir eine Debatte über Soziale Ungleichheit anstoßen, ohne das Rad neu zu erfinden“, so Kerstan weiter.
Foto: Malteser
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