Die Bezirksversammlung ist das „Parlament um die Ecke“: Eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht prangerte diese Bezeichnung in der Kampagne der Bürgerschaft zur Bezirkswahl als irreführend an. Das Gericht lehnte diesen Einwand am Dienstag ab – die Bezirksversammlung bleibt „Parlament“.
In der vergangenen Woche stellte Götz von Grone beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Bürgerschaftskanzlei, das Landeswahlamt und den Landeswahlleiter. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag am Dienstag als unzulässig zurückgewiesen. Gegenstand des Eilverfahres war die Wahlkampagne „Du bist entscheidend“. Von Grone hält es für „wahrheitswidrig“, dass die Bezirksversammlungen im Rahmen der Kampagne von der Bürgerschaftskanzlei als Parlamente bezeichnet werden. Das Verfahren richtete sich auch gegen das Landeswahlamt und den Landeswahlleiter, da die Bezeichnung auch in einer Beilage zu den offiziellen Wahlunterlagen verwendet wird.
Von Grone bezieht sich in seinen Vorwürfen insbesondere darauf, dass die Bezirksversammlungen nach Hamburgischer Verfassung und Bezirksverwaltungsgesetz den Status von ‚Ausschüssen der Verwaltung’ und nicht den von Parlamenten inne haben. „Wenn dem Wahlbürger von der Bürgerschaftskanzlei vorgetäuscht wird, dass die Bezirksversammlungen den Status von Parlamenten hätten, ist dies der wahltaktische Versuch der Aufwertung einer Institution, die aus machtpolitischem Kalkül in den letzten Jahrzehnten in einem bedauernswert abhängigen Zustand gehalten worden ist“, so von Grone, der in der Initiative WIR-sind-Eppendorf sowie der Mietergruppe Heyn-/Hegestraße aktiv ist.
Keine Beschränkung der Wahlfreiheit
Die Entscheidung begründet das Verwaltungsgericht zunächst damit, dass die Voraussetzung für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, dass der Antragssteller in seinem subjektiven Recht verletzt worden ist. Eine „unzulässige Wahlbeeinflussung seiner Person“ liegt aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht vor. „Der Antragsteller selbst hat nicht einmal behauptet, in seiner Wahlentscheidung durch die Informationskampagne beeinflusst worden zu sein“, heißt es in dem Beschluss. Mehr noch: Die Aussage, die Bezirksversammlung sei unser „Parlament um die Ecke“, stelle keine unzulässige Beschränkung der Wahlfreiheit dar. Die Bürgerschaft ist dazu berechtigt diese Bezeichnung in der Informationskampagne zu verwenden. Dadurch, dass die Bezeichnung „Parlament“ als Beschreibung für die Bezirksversammlungen innerhalb der Kampagne in Anführungszeichen gesetzt wird, werde zusätzlich hervorgehoben, dass dieser Begriff der Veranschaulichung dient. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts solle so nicht der Eindruck bei den Leserinnen hervorgerufen werden, dass es die Bezirksversammlung „mit klassischen Parlamenten“ gleichgesetzt werde – zumal die Kompetenzen der Bezirksversammlungen in der Broschüre erläutert werden.
Ein ungewöhnliches Verfahren
Bereits im Vorfeld schätze Dr. Christian Ernst von der Bucerius Law School die Chancen des Vorgang als relativ gering ein. “Das Verfahren ist ungewöhnlich“, meint Dr. Ernst. Im Normalfall würde ein sogenanntes Wahlprüfungsverfahren durch einen bei der Bürgerschaft eingelegten Einspruch in Gang gebracht werden, womit sich dann das Landesverfassungsgericht befasst. Einen solchen Widerspruch können grundsätzlich alle BürgerInnen einbringen – jedoch auch erst nach der Wahl, da das Wahlergebnis überprüft wird. Tatsächlich ist durch ein solches Wahlprüfungsverfahren 1993 die Bürgerschaftswahl 1991 durch das Hamburgische Verfassungsgericht für ungültig erklärt worden. Wegen schwerer demokratischer Defizite im Kandidatennominierungsverfahren der CDU mussten Neuwahlen angeordnet werden.
„Der hier von Grone beim Verwaltungsgericht gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezieht sich wohl nur auf den Widerruf bzw. Richtigstellung des Begriffes ‚Parlament‘“, erläutert Verfassungsrechtler Dr. Ernst weiter. Dem Vorgang räumte er dementsprechend nur geringe Erfolgschancen ein, vor allem, da in der betreffenden Broschüre der Begriff Parlament in Anführungszeichen gesetzt wird. Für die Wählerinnen und Wählern dürfte dadurch deutlich werden, dass es sich lediglich um eine laienhafte Beschreibung und keinen formaljuristischen Fachbegriff handelt. Auch sei die Frage, inwiefern die Verwendung des Begriffes tatsächlich negative Auswirkungen auf die Wahl am 25. Mai haben könne. Dafür müsse eine tatsächliche Wettbewerbsverzerrung und Bevorteilung bestimmter Parteien vorliegen oder WählerInnen von der Teilnahme an der Wahl abgehalten werden. Das Gegenteil dürfte hier der Fall sein: Es handelt sich um einen wettbewerbsneutralen Aufruf an die BürgerInnen, die Möglichkeit der demokratischen Wahl auch tatsächlich zu nutzen. Auch die Bürgerschaft sieht sich durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts in der Ausrichtung ihrer Kampagne bestätigt: „Solch eine Wahlkampagne braucht klare Botschaften. Darin hat uns das Gericht bestätigt“, sagt Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit über den Beschluss.
Foto: Tobias Johanning
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