Johanna Wack ist hauptberuflich Ökotrophologin und Mutter, nebenberuflich Autorin und Poetry-Slammerin, die nicht „slammt“. In ihren Texten treiben perfekte Kinder ihre Eltern in den Wahnsinn und hässliche Kinder ihre Mutter weg vom Luxuswahn. Mittendrin sprach mit der Autorin über das Elternsein, Poetry-Slams und Frühstückscerialien.
Mittendrin: Du bist durch deine Poetry- Slams bekannt geworden. Letztes Jahr hast du zusammen mit Björn Högsdal das Buch “Last Exit Babyklappe- ein Lesespaß für die halbe Familie“ mit Texten von SlammerInnen herausgegeben. Wie kam es zu der Idee und der Veröffentlichung?
Johanna Wack: Das war Björns Idee. Björn und ich waren innerhalb der „Szene“ die ersten Slammer, die regelmäßig Satire übers Elternsein und Kinderkriegen geschrieben haben. In den letzten Jahren hat das dann auch bei den anderen stark zugenommen, wir haben immer mehr großartige Texte zu dem Thema gehört. Björn hatte irgendwann die Idee eine Anthologie aus den Texten zu machen und hat beim Satyr-Verlag angefragt. Und ich war sowieso sofort mit Begeisterung dabei.
Mittendrin: In dem Buch schreibst du sarkastisch über das Kinderkriegen und Elternsein. Unter anderem erzählst du in „Das hässliche Baby“ über die Geburt eines extrem hässlichen Kindes, das die Welt der Mutter verändert . Wie kamst du auf die Geschichte?
Johanna Wack: Ich war schwanger und habe mich mit allerlei Ängsten und Gedanken herumgeschlagen. Das ist ja schon eine interessante Frage: Was, wenn ich das Kind nicht so annehmen kann, wie es ist? Was, wenn es nicht meinen Wünschen und Vorstellungen entspricht? Die erste Version entstand in der Schwangerschaft, die zweite dann nach der Geburt. Aber es geht in dem Text um mehr, als um die Mutter, die mit ihrem Kind nicht zurechtkommt. Es geht auch ums Anderssein, um Anpassung und um den gesellschaftlichen Umgang mit diesen Themen.
Mittendrin: Im Text „Die perfekten Kinder“ schreibst du wiederum über Kinder, die durch ihre ganze Perfektion ihre eigenen Eltern in den Wahnsinn treiben. Warum gehst du immer ins Extreme?
Johanna Wack: Puh, immer? Na ja, das ist doch Satire: Durch die Übertreibung bringt man die Sachen besser auf den Punkt. Und es macht mir außerdem einfach Spaß, mich in die Figuren hineinzuwerfen und mich ins Extreme treiben zu lassen, dafür habe ich ja die Freiheit in meinen Texten, anders als im realen Leben, da kommt das mitunter nicht so gut an.
Mittendrin: Im Moment liegt bei dir „in der Kürze die Würze“. Hast du vor, mal ein komplettes Buch alleine zu schreiben und zu veröffentlichen?
Johanna Wack: Sagen wir so: Das Veröffentlichen ist ein großer Traum von mir, nur das Schreiben ist so anstrengend! Im Ernst: Ich habe zwei angefangene Romane in der Schublade und mein Respekt vor den Autoren, die es schaffen, einen Roman fertig zu schreiben und der womöglich auch noch lesenswert ist, ist in den letzten Jahren enorm gewachsen.
Mittendrin: Du „slammst“ deine Texte vor. Was ist der Unterschied zwischen Vortragen/ Slammen und Für- sich- selbst- lesen?
Johanna Wack: Für mich selbst lese ich z. B. leise und meistens liege ich im Bett. Auf der Bühne liege ich seltener und das Publikum erwartet, dass ich laut lese, aber die Idee, mich da einfach mal hinzulegen und vor mich hin zu lesen, finde ich lustig, vielleicht probiere ich das mal aus. Ernsthaft: Beim Slam wird relativ viel Wert auf den Vortrag gelegt. Viele tragen auswendig vor und performen ihre Texte richtig, schreien, werfen sich auf den Boden, ziehen sich aus. Ich bin aber eher zurückhaltend in der Performance und trage einfach vor.
Mittendrin: Wann hast du mit dem Schreiben begonnen? Und warum?
Johanna Wack: Ich habe als Studentin angefangen, irgendwann aus einer Laune heraus. Und dann habe ich gemerkt, dass ich die Dinge, die mich aufregten und bewegten, in satirischen Texten auf unterhaltsame Weise zur Sprache bringen kann.
Mittendrin: Bist du noch als Slammerin aktiv?
Johanna Wack: Ich bin mittlerweile selten auf Slams, aber gelegentlich packt es mich dann doch mal wieder. Ein Slamauftritt ist viel Arbeit, man braucht Zeit, um einen geeigneten Text zu schreiben und Zeit für den Auftritt, die fehlt mir in den letzten Jahren einfach zu oft. Momentan bin ich wieder etwas aktiver und hoffe, dass sich das wieder einpendelt, ich mag einfach Slams und insbesondere die Leute, die Slams veranstalten und dort auftreten.
Du arbeitest heute als Ökotrophologin. Beschreibst du dich als Ökotrophologin oder als Autorin. Oder als Slammerin?
Johanna Wack: Ich bin vor allem Ökotrophologin, das habe ich studiert, den Beruf liebe ich und damit verdiene ich mein Geld. Aber ich bin auch Autorin, aber eben nur im Nebenberuf oder als Hobby oder beides. Aber beide Berufe liebe ich und beide wollte ich immer gerne nebeneinander machen, wenn einer davon wegfallen würde, wäre ich wohl nicht richtig glücklich. Slammerin nenne ich mich selten, weil ich auf der Slambühne nicht mehr so aktiv bin.
Mittendrin: Hast du schon über eine Verbindung der beiden Bereiche nachgedacht? Also zum Beispiel ein Buch über Ernährung zu schreiben?
Johanna Wack: Manchmal verbinde ich beides, im Schreiben geübt zu sein hat natürlich viele Vorteile, auch als Ökotrophologin. Ein Buch über Ernährung schreiben würde ich schon, wenn sich ein Thema ergeben würde, für das ich brenne. Aber die Trennung der beiden Bereiche ist für mich auch ok.
Mittendrin: Du bist in Hamburg geboren und lebst dort. Was macht Hamburg lebenswert für dich?
Johanna Wack: Hamburg hat viel, was es schön und lebenswert macht. Die Elbe und natürlich die vielen herausragenden Autoren, die hier leben (lacht).
Mittendrin: Was sagst du zu Vierteln wie Schanze, Eimsbüttel oder St. Pauli, wo „Lattemacciato- Mütter“ ihr Kinder hochloben und extrem bemuttern.
Johanna Wack: Meinst du mich? Mich finde ich super (lacht). Im Ernst: Gerade extreme Verhaltensweisen von Müttern oder auch Vätern laden natürlich dazu ein, sich lustig zu machen und zu wissen, wie es „richtiger“ wäre. Sie sind auch gerne Vorlagen für wirklich lustige Texte. Aber spätestens, wenn man selbst Mutter ist, merkt man, dass man auch nicht besser ist, dass man manchmal total überdreht, übertrieben behütend oder einfach nur wirklich witzig in seinem Bemühen darum ist, es möglichst gut zu machen. Manchmal ist man auch einfach nur ein Mensch, der total verzweifelt ist. Aber solange das alles in einem Rahmen abläuft, der fern von Kindesmisshandlung ist, kann da ja jeder machen, was er will – man muss eben nur damit rechnen, dass man als Textvorlage dient.
Mittendrin: Welchen Stellenwert hat das Lesen für dich persönlich und auch in der Erziehung eines Kindes? Warum?
Johanna Wack: Lesen war bei uns immer wichtig und ich habe meiner Tochter schon sehr früh vorgelesen. Lesen bedeutet für mich, Menschen in ihrem Leben ein Szück weit zu begleiten und an ihren Gefühlen und Erlebnissen teilzuhaben und darüber ein Verständnis für ihr Handeln zu erlangen. Oder in andere Welten oder andere Zeiten einzutauchen und diese „mitzuerleben“. Als Jugendliche habe ich zum Beispiel viele Romane gelesen, die in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus spielten, und ich denke, dass mir diese Zeit verschlossener geblieben und für mich oberflächlicher geblieben wäre, wenn ich nicht so viel gelesen und darüber mitgefühlt hätte und wie „mittendrin“ in der Tragik der einzelnen Figuren gewesen wäre. Manchmal bedeutet Lesen für mich aber auch nur einfach mal abzuschalten und gut unterhalten zu werden.
Mittendrin: Was liest du morgens am Frühstückstisch?
Johanna Wack: Seitdem ich Mutter bin: Vor allem die Zutatenlisten von pseudo-gesunden Frühstückscerealien.
Foto: Peter Vogel
Ralf
17. Mai 2014 at 10:49
Sehr schöner, amüsanter und toll geschriebener Artikel! Bitte mehr davon!!!
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