Der Hamburger Verfassungsschutz veranstaltete am vergangenen Donnerstag eine Podiumsdiskussion in der Finanzbehörde zum Thema „Salafismus: Möglichkeiten der Prävention und Deradikalisierung“. An der Veranstaltung nahmen Vertreter der Islamischen Gemeinschaft in Hamburg und der Behörden sowie Wissenschaftler und Sozialarbeiter teil.
Die Wurzeln des Salafismus in Deutschland reichen 15 Jahre zurück. Doch erst seit 2011 und verstärkt seit 2012 erhält die radikale Bewegung innerhalb des Islamismus Aufmerksamkeit, mediale wie politische. Um ein Problem zu lösen, müsse man es verstehen, sagte Binam Said vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) zu Beginn der Veranstaltung. Wo also liegt das Problem?
Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes
Seit 2010 intensivieren Salafisten in Deutschland ihre Außendarstellung, beispielsweise durch Missionierungsversuche und treten dabei zunehmend selbstbewusster auf, so Hartmut Licht vom LfV. So war etwa in Hamburg vor einigen Wochen eine Diskussion um religiöse Fundamentalisten aufgekommen, die an Schulen um Anhänger werben. Dabei handelt es sich vermutlich nicht nur, aber auch um Salafisten.
Die Zahl der Salafisten nehme zu, sagte Licht. Lag sie bundesweit 2012 bei 3.800, so sei sie 2013 auf 5.500 gestiegen. In Hamburg lebten 2011 / 2012 200 Salafisten, 2013 seien es 240 gewesen. Der Verfassungsschutz beobachtet sie, weil sie eine Denkweise vertreten, die unter anderem gegen das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratieprinzip und das Gleichheitsprinzip verstößt: Sie richten sich nach einer strengen Auslegung der Scharia, lehnen demokratische Wahlen ab und sprechen Andersgläubigen sowie Frauen eine Gleichstellung ab. Unterschieden wird beim Verfassungsschutz zwischen einem politischen Salafismus, dem die größere Zahl der Salafisten angehört, sowie dem dschihadistischen, gewaltbereiten Salafismus.
Wie komplex aber allein die Begrifflichkeiten sind, wird auch an diesem Nachmittag deutlich. So unterscheidet etwa die Wissenschaftlerin Claudia Dantschke nicht allein zwischen politischem und dschihadistischem Salafismus, sondern grenzt davon auch den religiösen ab. Dieser könne zwar fundamentalistisch sein, sei jedoch keine Bedrohung für die Demokratie.
Der Fokus der Beobachtung durch den Verfassungsschutz liege auf dem dschihadistischen Salafismus, dem in Hamburg 70 Personen zugerechnet werden, sagt Licht. Brennpunkte in Hamburg seien unter anderen Wilhelmsburg und Billstedt. Anhänger der Bewegung seien aber in allen Stadtteilen zu finden. Der Salafismus sei weder Problem bildungsferner Schichten noch ausschließlich von Migranten, sagte Licht. Es gebe auch eine große Zahl von Konvertiten in der Szene. Eine genaue Ziffer nannte er dabei nicht. Dass Salafisten eben nicht nur unter Zuwanderern und Muslimen Zulauf finden, betonten auch die anderen Diskussionsteilnehmer.
Eine „pop-dschihadistische radikale Jugendkultur“
Dantschke bezeichnet die salafistische Jugendbewegung in Deutschland als „pop-dschihadistische radikale Jugendkultur“, die oft gar nichts mit Religion zu tun habe. Dabei sei das Einstiegsalter in den letzten zwei bis drei Jahren auf 15 bis 16 Jahre gesunken. Dantschke wies hier auf Parallelen zum Rechtsextremismus hin.
Dass in der Frage nach Deradikalisierung und Prävention Erfahrungen aus dem Umgang mit Rechtsextremismus genutzt werden sollten, bestätigte auch André Taubert vom Beratungsnetzwerk KITAB in Bremen. Taubert wünscht sich einen Umgang mit den Jugendlichen auf Augenhöhe. Was sie brauchen, wie sie also deradikalisiert werden können, sei dabei ganz individuell. Es gehe darum, individuell zu beraten und auf das einzugehen, was dem einzelnen fehle. Oft gehe es um Themen wie Liebeskummer oder den Wunsch nach Zugehörigkeit. Vielen Jugendlichen gehe es beim Salafismus auch nicht um etwas Spirituelles, sondern vielmehr um Politik und Gesellschaft. Wichtig sei zudem, auch die Eltern miteinzubeziehen und über den Salafismus aufzuklären.
Kritik an undifferenzierter Betrachtung
Mustafa Yoldas vom Rat der islamischen Gemeinschaft in Hamburg fordert eine größere Unterstützung des Mainstream-Islam, um den Radikalen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Yoldas kritisiert eine undifferenzierte Berichterstattung in den Medien sowie auch in den Berichten des Verfassungsschutzes. Gemäßigte Muslime würden zu oft mit Radikalen in einen Topf geworfen. Yoldas stand selbst lange unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Wenig gesprochen wurde hingegen über die Finanzierung von Prävention und Deradikalisierung. Dabei sind auch hier Parallelen zum Rechtsextremismus zu finden, aus denen gelernt werden kann. Wenn in den hoch verschuldeten Kommunen nicht genügend Geld in Jugendarbeit und Jugendeinrichtungen gesteckt wird, finden radikale Gruppen, die genau das tun, viel Zuspruch. „Die salafistische Straßenarbeit ist perfekt“, sagte Dantschke. Dabei gibt es in den Beratungsstellen laut Taubert „viele Ideen aber kein Geld.“
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