Am Samstag fand auf St. Pauli, in der Sternschanze und Altona die „Lange Nacht der Solidarität“ statt. Mit unterschiedlichen Aktionen wollten die Veranstalter nach eigenen Angaben ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Unterdrückung setzen. Wir haben ein paar der Veranstaltungen besucht.
Von Michelle Meinders, Tobias Johanning und Dominik Brück
Das Programm des Spaziergang-Festivals umfasste ein breites Spektrum an Veranstaltungen – von politischen Workshops über Ausstellungen und Konzerte. In ihrem Aufruf bezogen die OrganisatorInnen der Langen Soli-Nacht deutlich Stellung zu konkreten stadtpolitischen Konflikten: Kulturelle Freiräume und politische Teilhabe werden ebenso eingefordert wie ein Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge.
Diskussionen über sogenanntes „Racial Profiling“
Um 15 Uhr sollte der Workshop mit dem Titel „Rassistische Polizeipraxis“ von der Organisation „Reach Out“ beginnen. Nach einer halben Stunde Verspätung und einem kurzen Film über sogenanntes „Racial Profiling“ wurde anschließend die Arbeit von „Reach Out“ vorgestellt und mit den zehn Teilnehmern besprochen. Außerdem wurden Erfahrungen der Teilnehmer ausgetauscht und Fragen besprochen. Auf besonderes Interesse stieß dabei die Frage wie man sich verhalten solle, wenn man der Ansicht ist Rassismus bei Beamten der Polizei zu beobachten. „Das wichtigste ist in diesem Fall dem Opfer seinen Namen und seine Telefonnummer zu hinterlassen, damit er Zeugen benennen kann. Des Weiteren empfiehlt es sich auf die Helmnummer des Polizisten und das Kennzeichen des Streifenwagens zu achten, um die Beamten später besser identifizieren zu können“, sagt Referentin Sabine Seyd Gründerin von „Reach Out“.
Praktisches Demotraining scheitert an zu geringer Teilnahme
Nach dem sehr theoretischen Workshop sollte es um 17 Uhr für die Teilnehmer einige praktische Übungen geben. Geplant war ein Rollenspiel für 15-25 Personen mit verschiedensten Szenarien einer Demonstration. Es sollten unterschiedliche Blockade-Techniken ebenso eingeübt werden, wie der Umgang mit der Polizei. Aufgrund einer zu geringen Teilnehmerzahl von zehn Personen wurde das Training spontan mündlich abgehalten. Die Teilnehmer tauschten sich unter anderem über die richtige Vorbereitung sowie über persönliche Ängste und Grenzen auf einer Demonstration aus.
Auch persönliche Erfahrungen mit angeblicher Polizeigewalt wurden thematisiert: „Als ich einmal vor Polizisten davonlaufen wollte, die auf uns zu gerannt kamen, bin ich ausgerutscht und hingefallen. Ehe ich wieder auf stehen konnte, hielt mich auch schon ein Beamter fest und schlug auf mich ein“, berichtet eine Teilnehmerin. Auf der Wache soll sie nach eigener Aussage gezwungen worden sein sich auszuziehen. „Als ich den Wunsch äußerte, die Tür zuzumachen wurde ich nur ausgelacht und dazu genötigt meine Kleidung abzulegen. Es folgten drei Stunden Haft alleine in einer kleinen Zelle“, erzählt sie weiter. Derartige Geschichten werden von Demonstranten immer wieder erzählt. Konkrete Beweise fehlen jedoch oft. Die Polizei kommentiert derartige Vorwürfe in der Regel nicht oder verweist auf ein laufendes Verfahren zu dem man sich nicht äußern könne. Anzeigen gegen Polizeibeamte werden meist durch den sogenannten Ermittlungsausschuss gesammelt und weitergeleitet.
Feuerwerk auf der Flora und ein Hassmaskenball
Laut und bunt, aber auch sehr kurz, war das Feuerwerk auf der Roten Flora gegen 22 Uhr. Zeitgleich gingen auch im Gängeviertel und in der Hafenstraße Raketen in die Luft. Viele Passanten wurden erst durch diese Aktion auf die Lange Nacht der Solidarität aufmerksam, da ein Transparent auf der Flora gehalten wurde. Den gesamten Abend über gab es im Gängeviertel den Hassmaskenball, bei dem alle Besucher sich verkleiden sollten. Die Sturmhaube war eine der beliebtesten Kopfbedeckungen des Abends. Aber auch einige Katzen hatten sich unter das Partyvolk gemischt. Musikalisch wurde die Nacht von Volker Putt und Fightball begleitet. Auf dem Ball sollten die Vermummungen getragen werden, die sonst bei Demonstrationen verboten sind.
Am Sonntag ist noch ein Abschlussspaziergang auf St. Pauli geplant, bei dem es neben musikalischer Begleitung auch einen Film über die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ geben wird. Ob es wie in den vergangenen Tagen dabei auch erneut zu spontanen Protesten kommen wird, ist noch nicht abzusehen. Mehr über den Abschlussabend lest ihr morgen bei uns.
Hier geht es zum Interview mit einem der Organisatoren der „Langen Nacht der Solidarität“.
Fotos: Daniel Müller
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