Der Mensch wäre nicht der Mensch, wenn er nicht in Rekordgeschwindigkeit aus einem Traum einen Alptraum machen würde. So in etwa klingt das düstere Fazit der Nachwuchsregisseurin Annette Daubner, die ihr einstündiges Stück „Die Weltraumpoeten“ im Rahmen des 150% Festivals vorstellte.
Das Festival will die Vielfalt der freien Hamburger Theaterszene zeigen und hat dafür aus über 200 Bewerbungen 11 „schillernde Perlen des Off-Theaters“ ausgewählt. Bis zum 13.04. haben die Hamburger noch Gelegenheit, sich die Stücke anzuschauen.
Gibt es intelligentes Leben im All und wollen wir die Antwort wirklich wissen?
Dem Anspruch des Festivals, „unser Denken in neue Richtungen zu lenken“, wird das Stück mehr als gerecht: Die uralte Frage nach dem Leben im All wird neu beantwortet, wird umgedreht. Was sagt es eigentlich über uns aus, dass wir diese Frage immer wieder stellen? Warum beflügelt die Frage nach den anderen Planeten unsere Phantasie viel mehr als die Frage nach dem eigenen?
Die Antwort auf diese Frage wird greifbar in einem klassischen Experiment, das die beiden Hauptdarsteller Leif Scheele und Mareile Metzner uns zu Anfang des Stückes demonstrieren. Das Gedankenenexperiment, besser bekannt unter dem Namen „Schrödingers Katze“, stellt sich die Frage was passiert, wenn wir eine Katze mit einer tödlichen Menge Gift in eine Kasten sperren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze an diesem Gift stirbt, beträgt 50%. Wann entscheidet sich also, ob die Katze wirklich tot ist? In dem Moment, in dem wir unsere Neugier nicht mehr halten können, den Kasten öffnen und das Ergebnis feststellen. Davor befindet sie sich in einem sogenannten Übergangszustand- sie könnte sowohl tot als auch lebendig sein.
Unsere Neugier macht die Frage erst interessant
Das Gleiche gilt für die Frage: Gibt es intelligentes Leben im All? Solange die Frage noch nicht eindeutig beantwortet ist, sind noch alle Optionen denkbar, wir können unserer Phantasie freien Lauf lassen. Die Aliens können unendlich weiser und klüger als wir sein oder hirnlos und brutal. Doch die beiden Hauptdarsteller merken bald: Wenn die Frage wirklich beantwortet wird, wird sie langweilig.
Wir fiebern mit den verschiedenen Charakteren mit, die sich auf die Mission „Mars One“ bewerben und hoffen auf Reibungspunkte und Beziehungen zwischen ihnen. Im Vorstellungsgespräch entblößen sie sich und ihre ganz eigene Motivation, den Mars zu besiedeln. Der karriereorientierte, hypermotivierte Kandidat, der zuviele Bewerbungsratgeber gelesen hat, verspricht „an seinen Stärken dranzubleiben“. Eine verzweifelt-unsichere Kandidatin hat genug vom Leben auf der Erde und will hier einfach nur noch weg. Die disziplinierte Idealistin will ihre Utopie von der gerechten Gesellschaft verwirklichen und verspricht, nicht zu rauchen und nicht zu trinken.
Daubner vernachlässigt ihre Charaktere…
Als die Bewerberinnen dann auf dem Mars angekommen sind, wird das Publikum in zweierlei Hinsicht enttäuscht. Einerseits vom Verlauf der Geschichte: Der Zustand der idealen Gesellschaft, in der alles auf Brüderlichkeit und Gerechtigkeit aufbaut, währt nicht lange. Aus Brüderlichkeit wird Leid und die schönen Künste weichen einer neuen Straßenverkehrsordnung. Denn der Mensch wäre nicht der Mensch, wenn er nicht alles wieder zerstören würde, was er mühsam aufgebaut hat.
Andererseits werden wir enttäuscht, weil die Regisseurin ihr Versprechen nicht eingelöst hat und die Charaktere ihrer Geschichte vernachlässigt hat. Wann prallen die Idealistin und der karrieorientierte Unternehmensberater aufeinander? Wann stellt die verzweifelte Kandidatin fest, dass ihre irdischen Probleme sie auch auf dem Mars verfolgen? Oder stellt sie sich ihnen sogar und verändert sich?
… aber reißt uns mit in rasanten, dichten Monologen
In einer Stunde Spielzeit konnten diese Erzählfäden leider nicht mehr miteinander verknüpft werden- gerne wären wir nach dem abrupten Ende noch sitzen geblieben und hätten mehr erfahren. Auch wenn die Charaktere in den Weltraumpoeten leider auf der Strecke bleiben, ist Annette Daubners Marsmission ein gelungener Ausflug in Science-Fiction Welten. Die Regisseurin zeigt sich künstlerisch vielseitig- in atemberaubendem Tempo lässt sie ihre Weltraumpoeten rappen, dichten, tanzen. Die rasanten Monologe der Hauptdarsteller lassen uns manchmal kaum Zeit zum Luft holen, sind aber immer scharf auf den Punkt gebracht. Sie lassen das Publikum zum Schluss natürlich allein mit der Frage: Wollen wir die Außerirdischen wirklich finden?
Foto: Wikimedia Commons (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:17pen.jpg)
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