Das Literaturfest „Lesen ohne Atomstrom“ ging dieses Jahr in die vierte Runde. Zu Gast waren auch der „Breaking News“-Autor Frank Schätzing und ehemaliger Auslandskorrespondent und Nahost-Experte Ulrich Kienzle. Neben der Entstehungsgeschichte des Romans diskutierten die Gäste über die heutige Lage und Zukunft Israels.
Am Freitag stellte Bestseller-Autor Frank Schätzing seinen neuen Polit-Thriller „Breaking News“ in der Laeiszhalle vor. Anstatt jedoch Auszüge aus seinem Buch vorzulesen, erzählte der 56-jährige Kölner von seiner Recherchereise durch Israel. Er besuchte unter anderem Tel Aviv und Teile Palästinas. Während seines Aufenthaltes habe er viele verschiedene und facettenreiche Personen kennengelernt, mit denen er sein Netzwerk an Kontakten ausbauen konnte. „Es ist wie in Köln. Kennst du einen, kennst du alle.“ Er traf Israelis sowie Palästinenser und bemerkte, dass sich die Völker näher stehen als gedacht.
Verfeindete Brüder oder verbrüderte Feinde?
Schätzing fiel auf, dass Israelis und Palästinenser gerne Witze machen. Überraschenderweise seien die Witze der Israelis nicht „explizit araberfeindlich“ und die der Bewohner in Palästina „nicht anti-semitisch“ gewesen, merkt der Autor hat. Vor allem aber würden sowohl Israelis als auch Palästinenster Witze über sich selbst machen. Nach Schätzings Auffassung, ist es dies einzige Möglichkeit der BewohnerInnen mit der politischen Situation zurecht zu kommen. Die Menschen, die der Autor besuchte, seien froh gewesen, dass Schätzing ein Unterhaltungsbuch schreibt und „keine schwere triste Reportage“. Der Roman handelt von dem Journalisten Tom Hagen, der nach einem verheerenden Fauxpas seinen Job und sein Ansehen verliert. Er stößt daraufhin auf Dokumente des israelichen Geheimdienstes, die vermuten lassen, dass auf Ex-Ministerpräsident Ariel Sharon ein Attentat verübt wurde und er nicht an einem natürlichen Tod starb. Schätzing wollte somit die multidimensionale Geschichte Israels mit Unterhaltung verbinden.
Im Gespräch mit Ulrich Kienzle
Nach Schätzings Erzählung folgte eine Diskussionsrunde mit dem deutschen Journalisten Ulrich Kienzle und Moderator Christof Siemes. Kienzle mangelte vorab die von Schätzing geschaffene Figur des Protagonisten an. Der ehemalige ZDF-Auslandskorrespondent konnte sich nicht mit dem alkoholkonsumierenden und sexuell hyperaktiven Tom Hagen identifizieren. Auch merkte Kienzle die fehlende Rolle der Palästinenser in dem Roman an. Sie seinen nur als Randfiguren dargestellt, obwohl sie eine große Rolle in der Geschichte Israel spielten. Schätzing jedoch hielt dagegen. Es sei nicht seine Intention gewesen, ein „streng paritätisches Buch“ zu schreiben. Es sei eher ein Buch über Israel und über die israelische Gesellschaft als ein Buch über den Konflikt selber und deshalb habe er sich dagegen entschieden, die Seite der Palästinenser stärker zu beleuchten. „Sonst wäre mein Buch ja noch dicker geworden“, sagte er scherzhaft.
Jedoch ist Ulrich Kienzle auch sehr beeindruckt von dem Polit-Thriller. Dass Schätzing es schafft, wahrheitsgetreu und detailgenau zu schreiben und es trotzdem ein Unterhaltungsroman geworden ist, empfand Kienzle als „bemerkenswert“. Besonders die Szenen des Massakers von Sabra und Schatila in 1982, bei dem palästinensische Flüchtlinge ermordet wurden, habe der Autor sehr detailliert und realistisch beschrieben.
„Wer nicht an Wunder glaubt ist kein Realist“
Moderator und ZEIT-Kulturreporter Christof Siemes fragte die Gäste, ob Frieden im Nahen Osten in der nahen Zukunft möglich sei. Schätzing ist der Meinung, dass der Westen zuallererst von seiner „Konsensbesessenheit“ wegkommen müsse. Man gehe stets davon aus, dass es „eine konkrete Lösung gibt und diese sofort auf den Tisch gelegt werden soll“. Die Mentalität der beiden Völker müsse sich zusätzlich ändern, was nach Schätzing noch „200 bis 300 Jahre“ dauert wird. Jedoch schließt er eine Zwei-Staaten-Lösung nicht aus. Kienzle hingegen sieht die Lage pessimistischer. Die Flüchtlinge und Siedlungen sieht er als ein großes Problem, was sich in den nächsten Jahren nicht lösen würde. Nachdem Regierungschef Benjamin Netanjahu die Friedensgespräche mit den Palästinensern ausgesetzt hat, scheine nichts mehr voran zu gehen. Dennoch ist sich Kienzle sicher: „Wer jedoch nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“.
Foto: Andreas Conradt / PubliXviewinG
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