Am Montag eröffnete die Ausstellung „Liberales Hamburg? Homosexuellenverfolgung durch Polizei und Justiz nach 1945“. Die Ausstellung thematisiert die Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen, die auch nach Ende der NS-Diktatur weiter strafrechtlich verfolgt wurden. Obwohl bis heute die Rechte von Lesben und Schwulen deutlich gestärkt wurden, ist es weiterhin noch ein langer Weg zum Ziel der völligen Gleichstellung.
In der Grundbuchhalle des Ziviljustitzgebäudes am Sievekingplatz kann noch bis zum 31. August die Ausstellung über die Verfolgung Homosexueller nach 1945 besucht werden. „Die Ausstellung gibt einen Einblick in ein dunkles Kapitel der Geschichte Hamburgs“, sagt Justitzsenatorin Jana Schiedek (SPD) zu Eröffnung. „Das Fortbestehen des Nazi-Paragraphen 175 im Strafgesetzbuch ist beschämend“, so Schiedek weiter.
Der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches war nach Kriegsende in der Fassung von 1935 unverändert übernommen worden. Somit galt ein vollständiges Verbot homosexueller Handlungen zwischen Männern. Im Strafrecht der Nationalsozialisten war hierzu keine Berührung notwendig. Allein die Absicht konnte bereits strafrechtlich verfolgt werden. Auch in der Bundesrepublik wurden Homosexuelle weiter durch diese Rechtsauffassung diskriminiert. „Auch wenn nur Männer strafrechtlich verfolgt wurden, so waren auch Frauen von der gesellschaftlichen Stigmatisierung und Ausgrenzung betroffen“, sagt Schiedek. Homosexualität konnte in diesem gesellschaftlichen Klima zur Exmatrikulation an der Universität oder zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Bis 1969 wurden rund 50.000 Menschen auf der Grundlage des Paragraphen 175 verurteilt. Das entspricht der Anzahl der Verurteilungen in der NS-Zeit. 1957 wies das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen den Paragraphen zurück. „Das Urteil heute zu lesen ist schwer erträglich“, sagt Schiedek. Heute sei das Gericht jedoch wesentlicher Motor der Gleichstellung Homosexueller. Der Paragraph 175 wurde 1969 entschärft, jedoch erst 1994 vollständig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. „Es ist bedauerlich, dass wir trotz vieler Fortschritte bis heute keine vollständige rechtliche Gleichstellung erreicht haben“, sagt Schiedek. Auch sei es unverständlich, warum bisher keiner der nach dem Paragraphen 175 verurteilten Männer rehabilitiert worden sei. Hamburg und Berlin hatten einen entsprechenden Antrag im Bundesrat gestellt, dem die Bundesregierung bisher nicht gefolgt ist.
Die Ausstellung will auf insgesamt 28 Informationstafeln einen Beitrag zur Aufarbeitung der Verfolgung Homosexueller in Hamburg leisten. In 15 Monaten ehrenamtlicher Arbeit wurden hierzu neue und bisher unveröffentlichte Akten untersucht. Besonders erschreckend sind dabei die teils ungebrochenen Lebensläufe Hamburger Polizei- und Justitzbeamter, die schon unter den Nazis an der Verfolgung Homosexueller beteiligt waren und nach dem Krieg weiter ihrer Arbeit nachgehen konnten. „Auf dem Weg zur staatsbürgerlichen Gleichstellung ist seitdem viel erreicht worden“, sagt Gottfried Lorenz, Autor und Mitorganisator der Ausstellung. „Doch es ist die Aufgabe der nächsten Jahre dies auszubauen und vor Revisionen zu schützen“, so Lorenz weiter. Der Hamburger Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch fasste schließlich in einem Satz zusammen was die Lehre aus der Geschichte der Verfolgung von Homosexuellen für die Gesellschaft sein muss: „Nie wieder“.
Die Ausstellung ist Montag bis Freitag von 07:30 Uhr bis 19:00 Uhr und Samstag von 08:30 Uhr bis 14:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
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