Am Freitag musste der Schiffsverkehr auf der Elbe für rund zwei Stunden unterbrochen werden. Das Aktionsbündnis „gegenstrom.13“ hatte zu einer Blockade der Hafenzufahrt aufgerufen. Mit der Aktion wollen die AktivistInnen gegen die Verwendung kolumbianischer Kohle im Kraftwerk Moorburg protestieren. Parallel zu der Blockade in Hamburg fanden auch in Kolumbien selbst Demonstrationen gegen die katastrophalen Folgen des Kohleabbaus für Mensch und Natur statt.
Um 16 Uhr formiert sich am Freitag eine lange Kette von 20 kleinen Booten und Schiffen vor der Kulisse des Hafengeburtstages. Auch ein Holzfloß schaukelt über die Wellen der aufgewühlten Elbe. Bei der Aktion handelt es sich jedoch nicht um eine Showveranstaltung für die feiernden Besucher an Land. Die Schiffskette ist kein Nachzügler der prunkvollen Einlaufparade des Vorabends und kein Vorprogramm für das Schlepperballet, das am Sonnabend zur gleichen Zeit geplant ist. Die Schiffskette ist eine symbolische Blockade der Hafenzufahrt. Zwei Stunden lang soll kein Schiff die Einfahrt zum Hafen passieren können. Das Aktionsbündnis „gegenstrom.13“ protestiert mit der Blockade gegen die Folgen des Kohleabbaus für Mensch und Natur in Kolumbien. Auch die Kohlefrachter für das Vattenfall Kraftwerk Moorburg werden zukünftig diese Zufahrt zum Hafen nutzen, um die schmutzige kolumbianische Kohle anzuliefern.
Bereits am Mittwoch hatte das Aktionsbündnis zu einer Informationsveranstaltung ins Centro Sociale eingeladen. Zwei kolumbianische Gäste berichteten hier über die Lebensbedingungen in dem weltweit größten Tagebau für Kohle in der Region El Cerrejón im Norden des Landes. Über 60 Kilometer erstreckt sich die gewaltige Minenanlage. Das entspricht der achtfachen Ausdehnung des Tagebaus an Rhein und Ruhr. Die kolumbianische Regierung beabsichtigt zukünftig rund 22 Prozent des gesamten Landes an Bergbauunternehmen zu vergeben. Eine Fläche, die 75 Prozent der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Betrieben werden die Bergwerke von multinationalen Konzernen. Die Kohle aus dem Tagebau in El Cerrejón wird überwiegend auf dem europäischen Markt verkauft – auch nach Hamburg. Die Folgen für Mensch und Natur in der Region sind katastrophal.
„Der Bergbau ist für uns gleichbedeutend mit Elend und Leid“, sagt Deris Paz, eine Vertreterin der indigenen Wayuu aus der Kohleabbauregion. Seit sieben Jahren setzt sie sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein. Das Gebiet der Wayuu zählt zu den Regionen Kolumbiens mit den größten Vorkommen an natürlichen Energieressourcen. Seit 30 Jahren wird dort bereits Bergbau im großen Stil betrieben. „Die Konzerne beuten unser Territorium aus. Durch den Bergbau verlieren wir die Grundlage unserer Kultur. Wie soll es uns erst ergehen, wenn das noch 30 Jahre so weitergeht“, sagt Deris Paz. Für den Bergbau werden große Teile der Bevölkerung durch die Regierung umgesiedelt – auch mit Gewalt. Die Lebensbedingungen seien unmenschlich. „Wer weggeht verliert seine Heimat und sein kulturelles Erbe“, sagt Deris Paz. Auch die Eingriffe in die Natur bedrohen die Lebensgrundlagen der Bevölkerung von El Cerrejón. Für den Bergbau werden kilometerlange Schneisen durch den Urwald geschlagen. Flüsse werden umgeleitet oder durch die Abwässer verschmutzt. Viele Wayuu seien dadurch krank geworden. „Man hat uns Wohlstand und Bildung versprochen, doch das waren alles Lügen. Die Kohle aus Kolumbien ist schmutzig. Wir zahlen den Preis für günstigen Strom in Europa“, sagt Deris Paz.
Gleichzeitig mit der Blockade der Elbe finden in Kolumbien Proteste gegen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes statt. „Eigentlich gibt es dort täglich Proteste, nur erfährt in Europa niemand davon“, sagt Volker Gajewski, einer der Initiatoren von „gegenstrom.13“. Anfang des Jahres war Gajewski selbst in Kolumbien. Derzeit findet in der Region El Cerrejón ein unbefristeter Streik der Bergwerksarbeiter statt. Minenarbeiter und Bevölkerung blockieren dabei die Gleise der Bahnstrecke für die Kohlezüge, die von den Einwohnern einfach nur „El Monstro“ (das Monster) genannt wird. An Bord einer Barkasse auf der Elbe ist auch Aldo Raul Amaya Daza von der kolumbianischen Minenarbeitergewerkschaft Sintracarbón. „Wir hatten uns durch den Bergbau Arbeitsplätze und wirtschaftliche Verbesserungen erhofft, doch es profitieren nur die multinationalen Konzerne“, sagt Daza. Rund 5000 Arbeiter sind in der Mine in El Cerrejón beschäftigt. Dazu kommen rund 6000 Arbeiter bei Subunternehmen der Minengesellschaften. Der Kohlestaub ist krebserregend, die Bedienung der schweren Geräte führt zu Schäden der Knochen und Muskeln bei den Arbeitern. Nach Angaben von „gegenstrom.13“ sind 700 der Minenarbeiter chronisch krank. „Wer gegen die Regierung oder die Konzerne vorgeht wird mit der Guerilla gleichgesetzt und verfolgt“, sagt Daza. Paramilitärs bedrohen insbesondere Gewerkschafter. Rund 40 Gewerkschaftsmitglieder wurden im letzten Jahr in Kolumbien ermordet, so viele, wie in keinem anderen Land.
Als sich die Blockade gegen 18 Uhr auflöst, beginnt am Ufer das Abendprogramm des Hafengeburtstages. Hell strahlen die Lichter der Bühnen und Fahrgeschäfte in den Abendhimmel. Kaum einer der BesucherInnen wird sich wohl Gedanken machen, wie der Strom für das bunte Treiben produziert wird. „gegenstrom.13“ wird daher weiter über die Zustände in kolumbianischen Bergbauregionen informieren, da auch in Hamburg ab 2014 Kohle aus El Cerrejón die Turbinen des Kraftwerkes Moorburg antreiben wird. Nach Angaben des Aktionsbündnisses werde dies auf Baustellenbesichtigungen des Kraftwerkes durch Vattenfall ohne Reue präsentiert. BesucherInnen bekämen dort zu hören: „Die Kohle aus Kolumbien ist gut und günstig. Genau das Richtige für Moorburg“.
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