Seit März steht der Abriss der Wohnanlage „Elisa“ in Hamm fest. Auch durch die Bezirkspolitik initiierte Verhandlungen an einem Runden Tisch konnten daran nichts ändern. In dem Mitgliedermagazin der SPD Hamburg-Mitte preist die Bezirksfraktion das Ergebnis nun dennoch als Erfolg. Mittendrin Chefredakteurin Isabella David hat mit(t)geschrieben und sich ihre Gedanken gemacht.
Seit fast zwei Jahren ist das Schicksal des Backsteinensembles am Elisabethgehölz, Chapeaurougeweg und Curtiusweg ungewiss. Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) hält seit 2011 an einem Abriss fest. Daran haben auch zahllose Proteste der MieterInnen, rund 50 Medienberichte und ein Runder Tisch mit der Genossenschaft, der Bezirkspolitik und der MieterInneninitiative „Rettet Elisa“ wenig geändert. Noch vor dem Ende des Runden Tisches verkündete die VHW im März, dass der Abriss der Wohnanlage endgültig beschlossene Sache sei und torpedierte damit die Verhandlungen. Nicht nur für MieterInnen, sondern auch für die Bezirkspolitik ein Schlag ins Gesicht. Und dennoch verbucht die SPD in Hamburg-Mitte ihr Engagement rund um „Elisa“ und das Ergebnis der Verhandlungen als Erfolg. In der aktuellen Ausgabe des „Mitte-Info“, dem Mitgliedermagazin der SPD Hamburg-Mitte, schreibt Tobias Piekatz, Bezirksabgeordneter und selbst Moderator des Runden Tischen nun einen Beitrag unter dem Titel „Erfolg in der Sache Elisabethgehölz“. Zunächst richtig stellt der SPD-Politiker dar, dass die VHW ursprünglich einen Neubau mit einer Miete von 11,50 Euro pro Quadratmeter geplant hatte. „Die durchschnittliche Nettokaltmiete lag zu diesem Zeitpunkt bei rund 4,50 Euro pro Quadratmeter“, schreibt Piekatz und folgert richtig, dass sich die derzeitigen MieterInnen diese mehr als verdoppelte Miete nicht mehr leisten könnten. „Sie müssten wegziehen und dem Stadtteil Hamm würden die angestammten Mieter und ein Teil des Stadtbildes verloren gehen“, so Piekatz weiter. Eine Feststellung, der wohl auch alle MieterInnen und BewohnerInnen des Stadtteils selbst zustimmen würden. Und doch verdreht der Politiker die Geschehnisse rund um den Runden Tisch im weiteren Verlauf des Textes, um einen Erfolg für die SPD präsentieren zu können. Durch ein Gutachten des Architekturbüros Dittert und Reumschüssel seien drei unterschiedliche Varianten auf Machbarkeit und Kosten geprüft worden. Laut Piekatz sind dies eine „kostengünstige Sanierung, eine energetische Sanierung und einen Erhalt der historischen Gebäude kombiniert mit einem Neubau“. Tatsächlich meint die letztere Variante einen Teilabriss, von dem 44 Wohnungen betroffen gewesen wären. 40 neue Wohnungen wären in diesem Fall in einem Neubau entstanden. Darüber hinaus prüfte die VHW aber intern eine vierte Variante – den Abriss und Ersatzneubau. Aus einer zusätzlichen statistischen Prüfung im Auftrag der VHW ging hervor, dass eine Sanierung des Gebäudekomplexes nicht möglich sei. Piekatz verschweigt, dass Architekt Joachim Reinig, der die MieterInneninitaitve berät, eine behutsame Sanierung sehr wohl für möglich hält.
Kein Wort verliert Piekatz darüber, dass die VHW noch vor dem Ende des Runden Tisches den Abriss von Elisa in der BILD Hamburg verkündete und erneut einen Abrissantrag stellte. Kein Wort darüber, dass die Genossenschaft den Runden Tisch nie erstgenommen zu haben scheint. Oder hat die SPD nicht – wie die anderen Beteiligten – erst aus den Medien von der Abrissentscheidung der VHW erfahren? Bereits im nächsten Absatz lässt Piekatz durchblicken, dass es zusätzlich zum Runden Tisch Hintergrundgespräche mit der VHW gegebenen hat. In diesen „engagierten Gesprächen“ soll auch die neue Miete von 5,90 Euro statt ursprünglich von der VHW angedachten 11,50 Euro für Wohnraum in dem Neubau ausgehandelt worden sein. Fest steht trotz dieser niedrigen Anfangsmiete, dass die Wohnungen in dem Neubau größer geschnitten sein sollen. Aus einer Planungsbroschüre der VHW für den Neubau geht hervor, dass die Wohnungen zwischen 47 und 93 Quadratmeter Wohnfläche haben sollen. Für die vielen kleinen Single-Wohnungen, die eine Größe von rund 30 Quadratmetern haben, bedeutet dies das Ende. Ihre MieterInnen werden sich die Miete für eine größere Wohnung in einem Neubau voraussichtlich nicht leisten können. Auch bei einer Sanierung wären die Mieten in den Elisa-Wohnungen gestiegen. Die MieterInneninitiative war jedoch dazu bereit, dies in Kauf zu nehmen, um einen Erhalt der historischen Wohnanlage zu ermöglichen. Eine Härtefallregelung soll nach den Forderungen der Initiative auch BewohnerInnen mit geringen Einkommen ermöglichen, ihre Wohnungen nach einer Sanierung zu behalten.
Einen weiteren Erfolg will Piekatz seinen LeserInnen, wohl vornehmlich selbst SPD-Mitglieder, präsentieren. Die historische Fassade der Gebäude geht bei einem Neubau verloren. Dies sei aber kein Problem: „Zudem wird in einem Workshop-Verfahren das neue Gebäude gemeinsam mit den Mietern geplant. Was jetzt schon feststeht: Es wird wieder roter Klinker. Das alles ist ein großer Erfolg für die SPD und die Bürger im Stadtteil“, schreibt Piekatz. Tatsächlich handelt es sich bei Elisa jedoch nicht um einen Rotklinker-, sondern einen Backsteinbau. Mehr noch: „Ich bin mir sicher, dass dies nicht der letzte Runde Tisch in Horn, Hamm, Borgfelde und Rothenburgsort war. Viele Nachkriegsbauten erreichen bald ihr Nutzungsende“, sagt Piekatz, der auch dem Bauausschuss für diese Stadteile vorsitzt. Was genau dieses Nutzungsende eines Gebäudes sein soll, bleibt Piekatz dem Leser schuldig. Ist ein solches dann erreicht, wenn ein Eigentümer – gar eine Genossenschaft – über Jahre die stetige Sanierung seiner Häuser vernachlässigt und dann als Belohnung von Stadt und Bund Geld für einen Neubau erhält, in dem viele bisherige MieterInnen sich das Wohnen nicht mehr leisten können?
Die Ankündigung, dass andere alte Häuser ihr „Nutzungsende“ erreichen und deshalb in Zukunft wieder Runde Tische zu erwarten sind strotzt geradezu vor Hohn und lässt die Vermutung zu, dass die viel zitierten Bemühungen der SPD nur Schmierentheater für die MieterInnen und vor allem die Öffentlichkeit gewesen sind. Selbst wenn die Bemühungen doch einen ersten Charakter hatten, dann wäre es an dieser Stelle an der Zeit gewesen zu zeigen, dass es die Genossenschaft war, die monatelang alle an der Nase herum geführt hat – auch die Bezirkspolitik. Sicher ist es gut, dass die die Mieten von den ursprünglichen 11,50 auf 5,90 Euro heruntergehandelt werden konnten. Ist dies aber nicht auch der Erfolg einer MieterInneninitiative, die nicht aufgegeben hat, trotz eisiger Kälte unter dem Dach, Schimmel an den Wänden und fortwährenden Schikanen einer Genossenschaft? Die Stellungnahme der SPD in diesem Schrieb für Parteimitglieder stellt die Konflikte um Elisa nicht nur und simplifiziert und verkürzt dar, sondern verdreht auch die Tatsachen, um aus einem Scheitern mit aller Gewalt einen Erfolg zu drehen. Einzig eines macht diese Stellungnahme von Tobias Piekatz mit aller Sicherheit deutlich: Die Entscheidung für den Abriss von Elisa war längst gefallen, noch bevor es einen ersten Runden Tisch gegeben hat. Mahnmal dessen ist die Potentialfläche 113 im Bezirklichen Wohnungsbauprogramm 2013. Bereits Ende März ist das Elisa-Grundstück hier als Fläche für den Bau neuer Wohnungen festgeschrieben.
Thomas Cirsovius
14. Mai 2013 at 08:53
Ein ausgezeichneter Artikel! Erwähnenswert ist noch, dass auch nach dem Gutachten der Architekten Dittert und Reumschüssel eine Sanierung möglich – wenn auch rel. kostenträchtig – ist. Das Hauptärgernis besteht darin, dass die Öffentliche Hand, besonders die Wohnungsbaukreditanstalt in Hamburg, sog. Ersatzneubauten ungefähr sechs- bis siebenfach stärker fördert als Sanierungsmaßnahmen. Wäre das Förderverhältnis umgekehrt, könnten die Wohnungen Am Elisabethgehölz problemlos erhalten bleiben.
C. Gülzow
14. Mai 2013 at 20:31
Ein treffender und scharfsinniger Artikel! Besser hätte man den Sachverhalt nicht darstellen können! Also vielen Dank!
Ja, es stimmt. Als betroffene Bewohnerin von „Elisa“ fühle ich mich ein zweites Mal verraten und verkauft!!!
Klar, zum Ersten durch meine Genossenschaft, die mit ihrer rein wirtschaftlichen Argumentation für einen Abriss Elisas Verrat an der genossenschaftlichen Idee betreibt, was zumindest von Journalisten erkannt wurde. Ein Tabu-Bruch, weil immer wieder wirtschaftlich mit dem Interesse der 15.000 Genossenschaftsmitglieder argumentiert wird. (Wobei anzumerken ist, dass die Mehrheit dieser 15.000 Genossen derzeit nicht in genossenschaftlichen Wohnungen wohnt, sondern das betreute Wohnen in der Zukunft im Auge hat.) Hier soll das Interesse der Elisa-Bewohner, nämlich der ureigenste, in der Satzung festgeschriebenen Zweck der Genossenschaft, sich einem maximalen Profitinteresse des VHW-Vorstandes unterordnen!
Noch immer beharrt die VHW auf einem Abriss und scheut sich offensichtlich auch nicht, dafür Ergebnisse von Gutachten nach eigenem Gutdünken zu verdrehen, selbst in der aktuellen Mitgliederzeitschrift vom April. (S. http://www.rettet-elisa.de: Zurück zu den Fakten)
Aber hier hat sie einen Partner in der SPD gefunden, wie es so schön bei Herrn Piekatz nachzulesen ist.
Allzuleicht hat sich die Bezirkspolitik von der VHW täuschen lassen. Lediglich Nachfragen in der Bürgerschaft durch die Grünen und die Linken offenbarten das „Mörtelmärchen“ der VHW, wonach Elisa sowieso nicht mehr sanierungsfähig sei. Dennoch ließ man die VHW gewähren, ebenso in der Verdrehung des Ergebnis des Prüfgutachtens zur Hausstatik, das besagt, eine Sanierung ist möglich.
Und hier geschieht für mich der zweite Verrat: Unkritisch verspielt die SPD dank Herrn Piekatz ihr soziales Anliegen. Das Interesse des Normalbürgers und erst recht das der Rentner und Geringverdiener spielt für sie keine Rolle. Stattdessen übernimmt Herr Piekatz die unintelligente VHW-Argumentation des Nutzungsendes von Nachkriegsbauten und droht der Bevölkerung quasi viele Runde Tische an! Das macht Angst! Weil für die SPD ein Abriss von momentan bezahlbaren Wohnungen ja ein Erfolg ist!
Vom architektonischen Erbe Hamburgs ganz zu schweigen. Ich frage mich, wann ist das Nutzungsende vom Michel erreicht, der ist ja noch älter? Vom Chilehaus? Vom Rathaus?
Außerdem ist in Bezug auf falsche Informationen durch Herrn Piekatz richtig zu stellen:
– die 5,90€/qm bot die VHW auf Druck der Bewohner und der Medien schon 2011 vor dem Runden Tisch an, dies ist also kein Erfolg der SPD.
– Die Initierung des Runden Tisches griff Herr Droßmann auf, auf den konkreten Vorschlag des Architekten Joachim Reinig hin, also auch hier kein ursprünglicher Vorstoß der SPD.
Herr Piekatz tut der SPD keinen Gefallen: ein gescheiterter Runder Tisch, wo er als Moderator vesäumte, die VHW auf Einhaltung von Vereinbarungen (Zwischenvermietung) sowie eine ernsthafte Prüfung einer Sanierung zusammen mit allen Beteiligten zu drängen. Das wäre der eigentliche Zweck eines Runden Tisches. Auch muss die Politik den Hauseigentümern klar machen: Eigentum verpflichtet, insbesondere die Pflege historisch wichtiger Bauten.
Also alles in Allem enttäuschend. Soweit zu dieser SPD, die mit ihrer Wohnungspolitik wieder gewählt werden möchte. Ich kann es nicht mehr. Und die Bürger, die in Nachkriegsbauten wohnen, sollten sich dies gut überlegen!
Mittendrin
16. Mai 2013 at 11:50
Per Mail erreichte uns ein Leserbrief der Initiative „Rettet Elisa“, den wir hier als Kommentar veröffentlichen:
Vielen Dank für diesen gelungenen Artikel!
Dass die SPD den Abriss von Elisa für sich als Erfolg verbucht, empfinden auch wir als Hohn und Spott. Anfangsmieten von 5,90 Euro/m² statt der ursprünglich von der VHW vorgesehenen Miethöhe von 11,50 Euro sind ein Erfolg. Allerdings nicht ein Erfolg der SPD. Unter dem Druck der Öffentlichkeit, vor allem des verheerenden Medienechos, hatte bereits der damalige VHW-Vorstand Markus Kopplin eingelenkt und die Inanspruchnahme von Fördergeldern mit Anfangsmieten von 5,90 Euro bzw. 8,10 Euro zugesagt. Das war im November 2011, also zwei Monate vor dem 1. Runden Tisch.
Ziel des Runden Tisches war es vielmehr, Möglichkeiten des Erhalts von Elisa zu prüfen. Diese Möglichkeit hat das Gutachten des Architekturbüros Dittert & Reumschüssel aufgezeigt. Mit der Festlegung auf einen Abriss von Elisa – und das noch vor dem 6. Runden Tisch – hat die VHW den Runden Tisch zum Scheitern verurteilt.
Zudem ist die in Hamburg allein regierende SPD für die Ausgestaltung der Förderrichtlinien verantwortlich. Neubauten, auch sog. Ersatzneubauten, werden weit höher subventioniert als Sanierungsmaßnahmen. Solche ‚Ersatzneubauten’, durch die kein neuer Wohnraum entsteht, sondern günstige Wohnungen wegfallen, werden in der Erfolgsbilanz von Olaf Scholz als zusätzliche Wohnflächen auftauchen. De facto wirkt sich diese einseitige Förderung wie eine Abwrackprämie für die Backsteinbauten der Schumacherzeit aus. Sie belohnt diejenigen, die die ihnen treuhänderisch anvertrauten Gebäude nicht instand gehalten haben. Hamburgs „rotes Gesicht“ verblasst – das der Backsteinbauten und das der SPD.
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