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Streit um Reichsstraße: „Wir fühlen uns hintergangen!“

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße ist derzeit eines der am heftigsten umstrittenen Verkehrsprojekte Hamburgs. Der SPD geführte Senat und der Bezirk Hamburg-Mitte hatten angekündigt die Bürgerinnen und Bürger an den Planungen zu beteiligen. Da die Beschlüsse des eingesetzten Beratungsgremiums aus Sicht der beteiligten Anwohnerinnen und Anwohner in den bekannt gegebenen Planungen der Verkehrsbehörde nicht ausreichend berücksichtigt wurden, demonstrierten am Sonnabend rund 80 Menschen vor dem Rathaus.

Die Wilhelmsburger Reichsstraße ist eine der wichtigsten Nord-Süd Verbindungen der Stadt und verbindet die Elbinseln mit dem Hamburger Zentrum. Bereits 2009 begannen die Planungen für eine Verlegung der Straße. Im Zuge der geplanten Baumaßnahmen sollte die Strecke auch von 14 auf 28 Meter verbreitert werden. Innerhalb des Stadtteils regte sich Kritik gegen dieses Vorhaben. Die Stadt setzte ein Beratungsgremium ein, das gemeinsam mit einem externen Verkehrsgutachter einen neuen Vorschlag für das Projekt entwickelte. Nach Ansicht des Gremiums solle die Straße maximal auf 17,50 verbreitert werden. Statt der ursprünglich geplanten Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 Stundenkilometern, solle Tempo 60 auf der gesamten Strecke gelten. Das Positionspapier des Beratungsgremiums wurde durch Beschluss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte bestätigt. In der vergangenen Woche gab die Verkehrsbehörde nun einen offiziellen Planänderungsantrag heraus, der im Wesentlichen an den ursprünglichen Planungen festhält. Die Demonstranten auf dem Rathausmarkt fordern, den Beschluss des Beratungsgremiums nicht zu ignorieren. Nach Angaben des Veranstalters nahmen 80 Personen an der Demonstration teil. Die Polizei geht von 50 Teilnehmern aus.

Die Menschen auf dem Rathausmarkt sind wütend auf die Behörde und den Senat. Eine große Olaf Scholz Figur verrichtet ihr Geschäft auf den Beschluss des Beratungsgremiums. „Fäkalhumor ist eigentlich nicht üblich für uns, aber uns fiel einfach nichts mehr ein. Wir fühlen uns von der Stadt hintergangen“, sagt Jochen Klein von den „Engagierten Wilhelmsburgern“. „Ich glaube nicht, dass die Behörde auf unsere Einwände eingehen wird. Das Gremium war keine Geheimveranstaltung. Die wussten doch schon lange, was wir fordern“, so Klein weiter. Der Protest auf dem Rathausmarkt ist laut. Die Anwesenden machen ihrem Ärger Luft. „Wir sehen bisher kein Zeichen des Entgegenkommens. Der Senat muss jetzt erkennen, dass Bürgerbeteiligung auch aus Protest bestehen kann“, sagt Manuel Humburg vom Verein Zukunft Elbinseln. Die Wilhelmsburger haben bereits angekündigt juristisch gegen die Planungen der Behörde vorzugehen. Zusätzlich soll das Thema mit weiteren Aktionen in der Öffentlichkeit präsent gehalten werden. „Wir sind besonders froh über die Unterstützung der Bezirkspolitik. Dort ist man viel bürgernäher und nimmt unsere Sorgen ernst“, sagt Humburg.

Die Verkehrsbehörde gab an, dass der Beschluss des Beratungsgremiums aus internen Gründen noch nicht berücksichtigt werden konnte. Dies soll allerdings in den kommenden Wochen nachgeholt werden. Man werde den Beschluss der Bezirksversammlung nicht ignorieren. Bereits im Vorfeld der Demonstration hatten sich Bezirkspolitiker zum Vorgehen der Verkehrsbehörde geäußert. „Das Verhalten der Verkehrsbehörde, ihre Stellungnahme zu veröffentlichen, ohne eine Silbe darüber zu verlieren, dass das Votum des Bezirkes noch nicht bewertet werden konnte, halten wir für sehr ungeschickt. Ein Lehrstück dafür, wie man Politikfrust – oder besser Behördenfrust – erzeugen kann“, sagt Sonja Lattwesen, Sprecherin der Grünen Fraktion im Regionalausschuss Wilhelmsburg-Veddel. Die CDU betrachtet den Vorgang weniger kritisch: „Ich bin optimistisch, dass der Beschluss des Beratungsgremiums nicht ignoriert werden wird. Das Verkehrsprojekt insgesamt wird von uns, begrüßt und vorangetrieben. Die städtebauliche und lärmtechnische Qualitätssteigerung für den Stadtteil macht diese Maßnahme überaus sinnvoll, zumal die Kosten für Hamburg gering sind“, sagt Jörn Frommann, Fraktionsvorsitzender der CDU. Bis Ende Januar soll nun eine endgültige Entscheidung über die Pläne für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichstraße getroffen werden.

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