Der Hauptbahnhof bleibt Streitthema in St. Georg. Seit vergangenem Jahr ist die Deutsche Bahn für die Sicherheit auf dem Hachmannplatz zuständig (Mittendrin berichtete). Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Inititativen und soziale Einrichtungen sehen dies als Zeichen dafür, dass sozial schwächere Menschen verdrängt werden sollen. Gemeinsam mit dem Netzwerk „Recht auf Stadt“ und der Kirchengemeinde St.Georg-Borgfelde rief am Sonnabend der Einwohnerverein St. Georg zu einer Kundgebung gegen die Sozialpolitik von Senat und Bezirk auf.
Die klirrende Kälte zieht durch Mark und Bein. Ein eisiger Wind pfeift über den Hachmannplatz. Reisende eilen in Richtung des Hauptbahnhofes, um ihren Zug zu erwischen oder wenigstens den Minustemperaturen zu entfliehen. Der Hamburger Hauptbahnhof ist einer der am meisten frequentierten Orte in der Stadt. Bis zu 450.000 Menschen halten sich hier täglich auf. Einige sind nicht gerne gesehen und werden immer wieder von den Sicherheitskräften des Platzes verwiesen. In der Regel handelt es sich um Obdachlose, Punks und andere sozial schwache Menschen. Gegen dieses Vorgehen wollen rund 150 Demonstranten im Rahmen einer Kundgebung ein Zeichen setzen. Die Botschaft der Versammlung ist einfach und deutlich: „Hamburg ist für alle da!“
Für viele engagierte Bewohnerinnen und Bewohner von St. Georg ist die aktuelle Situation am Hauptbahnhof nur ein weiterer Ausdruck einer verfehlten Sozialpolitik. „Die Stadt soll für Besucher schöner gemacht werden. Ich höre immer wieder Berichte von Menschen, die dies konkret miterleben und habe auch selbst schon einige Male gesehen, dass zum Beispiel Raucher oder Obdachlose unsanft aus dem Bereich des Hauptbahnhofes entfernt werden“, sagt Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg. Bei dem Vorgehen der Sicherheitskräfte soll es dabei unterschiedlichen Berichten zufolge auch zu gewaltsamen Handlungen gekommen sein. „Immer wieder berichten uns Menschen, dass sie oft ohne konkrete Begründung weggeschickt werden“, sagt Gemeindepastor Gunter Marwege von der Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde. Anwesende Obdachlose erzählen, dass sie durch das Sicherheitspersonal über den Boden geschleift wurden. Auch soll es vorgekommen sein, dass wohnungslosen Menschen, die am Hauptbahnhof die Nacht verbringen wollten, Isomatten und Schlafsäcke abgenommen wurden.
„Man kann das soziale Gefälle der Stadt nicht einfach ignorieren. Wir wollen ein St. Georg für alle“, sagt Michael Joho. Pastor Marwege ergänzt: „Nicht die Menschen sind hier im Weg, sondern der Hauptbahnhof, der baulich nicht für die große Anzahl an Reisenden geeignet ist“. Auch die Bezirkspolitik ist am Sonnabend auf dem Hachmannplatz vertreten. „Ich bin froh, dass hier in St. Georg so viele unterschiedliche Bürgerinnen und Bürger gemeinsam gegen die Verdrängungspolitik protestieren. Verdrängung ist allerdings kein isolierter Vorgang, sondern ist ein breites Problem in Hamburg“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten. Bernhard Stietz-Leipnitz, Fraktionsvorsitzender der Linken, ergänzt: „Es sind nicht nur einzelne Initiativen, die hier ein Unrecht erkannt haben, sondern ein breites Spektrum an Bürgerinnen und Bürgern aus der ganzen Stadt“.
Die Forderungen der auf dem Hachmannplatz Versammelten, stellen die hilfsbedürftigen Menschen in den Mittelpunkt. Die Privatisierung der Flächen auf dem Hauptbahnhof solle sofort zurückgenommen werden. Statt ohne die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen Verdrängungskonzepte zu beschließen solle gemeinsam mit den Einwohnerinnen und Einwohner ein Sozialkonzept entwickelt werden, das Hilfe anbietet und Alternativen eröffnet. „Dabei gibt es keine einzelne Patentlösung. Die Menschen die Hilfe benötigen sind sehr unterschiedlich. Man benötigt individuelle Hilfsangebote“, sagt Pastor Marwege. Mit der Kundgebung wollen die Demonstranten ein Zeichen für ein gemeinsames Miteinander setzen. Dabei wird aus einer Gulaschkanone warme Suppe an alle Menschen auf dem Hachmannplatz verteilt – egal, wie sie angezogen sind oder wo sie herkommen.
Fotos: Jonas Walzberg
Video: Ansprache von Gudrun Greb, Leiterin des Ragazza! in St. Georg:
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