Die Stadt Hamburg spart. Ab 2020 will der SPD-Senat keine neuen Schulden mehr machen. Gegen die Sparpolitik der Hansestadt kommt es immer häufiger zu Protesten. Besonders die geplanten Kürzungen im Sozialetat sowie der offenen Kinder- und Jugendhilfe sind Auslöser großer Kritik (Mittendrin berichtete). In der kommenden Woche soll die Bürgerschaft den Doppelhaushalt 2013/14 beschließen. Eine Änderung an den Haushaltsplänen in letzter Minute sorgt in der Opposition für Unmut. Der geplante Neubau der Mahatma-Gandhi-Brücke zur Elbphilharmonie wirft Fragen über die Sparpolitik der Sozialdemokraten auf.
Schon heute ist die Elbphilharmonie beliebtes Ausflugsziel von Hamburgern und Touristen. In der gesamten Republik als Steuerfass ohne Boden berühmt und berüchtigt, lockt das Konzerthaus bei schönem Wetter zahlreiche Besucher über die Elbe. Der Senat fürchtet, dass nach Fertigstellung der Elbphilharmonie die Besucherströme ein kritisches Ausmaß annehmen werden. Insbesondere im Rahmen von Konzertveranstaltungen rechnet man mit einem hohen Fußgänger- und PKW-Aufkommen. Seit Monaten wird rund um die U-Bahn Station Baumwall bereits gearbeitet, um den Weg über die Niederbaumbrücke auf den erwarteten Besucheransturm vorzubereiten. Abweichend von bisherigen Aussagen des Senats soll nun auch die Mahatma-Gandhi-Brücke für eine Summe von 15 Millionen Euro neu gebaut werden. Ein stolzer Betrag vor dem Hintergrund knapper Kassen. Die Opposition bezweifelt die Notwendigkeit dieser Maßnahme und wittert Klientelpolitik.
„Das ist reine Verschwendung von Steuergeldern“, sagt der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion die Linke, Norbert Hackbusch. „Die Darstellung der SPD, nur mit einem Neubau sei insbesondere für Fußgänger eine anforderungsgerechte Anbindung der Elbphilharmonie zu erreichen, stimmt einfach nicht“, so Hackbusch weiter. Weiterhin kritisiert die Linke das Vorgehen der SPD. Der Neubau der Brücke sei nicht im Verkehrsausschuss diskutiert worden. Ein Antrag der Sozialdemokraten im Haushaltsauschuss beantragte die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Erschließung der westlichen Hafencity. Die Notwendigkeit eines Brückenneubaus begründet der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jan Quast mit den steigenden Besucherzahlen: „Schon die heutigen Besucherströme machen deutlich, dass die bislang geplante Dimension der Brücke nicht ausreichen wird. Erst nach Aufnahme des Spielbetriebs nachzubessern, ist wenig sinnvoll, beeinträchtigt den Betrieb und ist voraussichtlich teurer.“
2009 hatte der Senat unter der Regierung von CDU und den Grünen den vormals geplanten Neubau der Brücke aus Kostengründen verworfen. Ein Verkehrsgutachten des Stadtplanungsunternehmens ARGUS kam zu dem Schluss, dass eine Verbreiterung der derzeitigen Brücke um 1,3 Meter nötig sei, um eine ausreichende Qualität der Fußgängerströme zu Stoßzeiten zu gewährleisten. Der Neubau einer breiteren Brücke wurde jedoch weiterhin als optimale Lösung beurteilt. Der Senat beschloss die Planungen für den Bau einer zusätzlichen Fußgängerbrücke zu beginnen. Nach Eröffnung der Elbphilharmonie sollte das Verkehrsaufkommen beurteilt und im Bedarfsfall durch eine zusätzliche Brücke entlastet werden. Die SPD-Fraktion und er Senat sind nun von diesem Vorhaben abgewichen und sehen den Neubau als einzige Alternative an.
Um die 15 Millionen Euro für die neue Brücke finanzieren zu können, sollen unter anderem der Etat für den Neu- und Ausbau von Straßen und die Grundinstandsetzung von Hauptverkehrsstraßen um zwei Millionen Euro gekürzt werden. Die SPD bestätigte auf Anfrage von Mittendrin, dass es durch diese Einsparungen zu keinen Beeinträchtigungen des Ausbaus und der Instandhaltung von Straßen kommen würde. Angesichts der desolaten Straßenverhältnisse nach dem letzten Winter und dem finanziellen Bedarf der Verkehrsinfrastruktur in Hamburg, muss die Frage aufgeworfen werden, warum die SPD einen geringeren Etat als ausreichend betrachtet.
Norbert Hackbusch sieht den Grund für den plötzlichen Antrag der Sozialdemokraten in einer Klientelpolitik für die Bewohner der Hafencity. „Es sieht sehr danach aus, als sei der Neubau der Brücke in erster Linie eine Verkehrsberuhigungsmaßnahme für die edelsten Immobilien der Hafencity“, sagt Hackbusch. Tatsächlich würde der Neubau der Brücke eine große Entlastung des Kaiserkai im Hinblick auf den Automobilverkehr ermöglichen. „Mit einer neuen Brücke und einer ordentlichen Anbindung kann ein Verkehrskonzept für diese Ecke der HafenCity erreicht werden, das langfristig trägt“, erklärt die Verkehrsexpertin Martina Koeppen (SPD). „Unsere Überlegungen sehen zudem vor, dass auch Private sich an der Finanzierung beteiligen können“, sagt Koeppen weiter. Für Norbert Hackbusch ist die Sache somit klar: „Der Freundeskreis der Elbphilharmonie wird ungeduldig und signalisiert, sich mit einer Million Euro an den Kosten einer neuen Brücke beteiligen zu wollen. Schon beantragt die SPD-Fraktion eine neue Brücke.“
Die Fraktion der Linken schlägt vor, die alte Brücke, wie im ARGUS-Gutachten gefordert um 1,3 Meter zu verbreitern. Diese Maßnahme würde rund 4,6 Millionen Euro kosten. Die SPD will angesichts des prognostizierten Verkehrsaufkommens jedoch keine Experimente wagen. „Eine Anbindung, die sich schon sofort nach Einweihung des Konzerthauses als nicht ausreichend herausstellt und zu einem Verkehrschaos in der HafenCity führen kann, wäre nicht nachhaltig und nicht sinnvoll. Wir wollen rund um die Elbphilharmonie keine neuen Fehlplanungen – davon gibt es wahrlich genug“, sagt Jan Quast.
In der kommenden Woche werden die zusätzlichen Mittel für den Brückenbau im Rahmen der Haushaltsberatungen voraussichtlich beschlossen – ebenso, wie die geplanten Kürzungen im Sozialetat.
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