Die Ausschüsse der Bezirksversammlung sind für die Kommunalpolitik im Bezirk Hamburg-Mitte unverzichtbar. Durch einen Antrag der SPD sollen nun die Termine, an denen die unterschiedlichen Fachausschüsse tagen, reduziert werden. Kritiker sehen die Arbeitsfähigkeit der Bezirkspolitik gefährdet.
Bezirksabgeordnete verbringen viel Zeit im ersten Stock des Bezirksamtes am Klosterwall. Einmal im Monat tagt hier die Bezirksversammlung, das wichtigste politische Gremium des Bezirks. In der Regel beginnen die Sitzungen des Bezirksparlamentes um 17:30 Uhr und ziehen sich häufig über vier bis fünf Stunden hin. In einem Bezirk wie Hamburg-Mitte gibt es viel zu beraten und zu entscheiden. Fast 300.000 Menschen leben hier. Das entspricht der Einwohnerzahl einer Großstadt. Kommunalpolitik und Verwaltung müssen daher regelmäßig eine Vielzahl von Themen bearbeiten. Die einzelnen Ausschüsse entlasten die Politiker. Hier können Anträge und Anfragen von Fachleuten beraten werden. Die Einladung von Experten in die Ausschüsse ist die Regel. Der Bezirksversammlung wird von den einzelnen Ausschüssen eine Empfehlung vorgelegt, der die Abgeordneten meist ohne längere Debatten folgen.
Derzeit tagen die Ausschüsse, mit Ausnahme einer zweimonatigen Sommerpause, jeden Monat. Der Antrag der SPD sieht vor dies zukünftig einzuschränken. Mit Ausnahme des Hauptausschusses, der Beschlüsse in Vertretung der Bezirksversammlung fassen kann, sollen die Fachausschüsse nur noch sieben Mal pro Jahr tagen. Eine besondere Rolle wird weiterhin den Regionalausschüssen zukommen. Hier werden Themen von Politikern aus den jeweiligen Stadtteilen beraten. Die Regionalausschüsse sind daher die erste Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger, wenn es um kommunale Politik geht. Ab 2013 sollen die Regionalausschüsse acht Mal pro Jahr zusammenkommen.
Hauptargument der Sozialdemokraten für die Änderungen ist der hohe Aufwand für die Verwaltung, der durch die häufigen Sitzungen der Ausschüsse entsteht. Insbesondere die Regionalausschüsse, die derzeit gleichzeitig tagen, belasten das Personal des Bezirksamtes. „Der Bezirk muss auch seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Kerstin Gröhn. „Wir denken so einen guten Weg gefunden zu haben“. Das Bezirksamt bestätigt die Entlastungen durch den SPD-Antrag. „Der Antrag kommt uns sehr entgegen. Auf diesem Weg kann die Verwaltung Kosten sparen und wird von viel Arbeit entlastet“, sagt Sorina Weiland, Pressesprecherin des Bezirksamtes Hamburg-Mitte. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Arbeit der Bezirksversammlung durch die unregelmäßigeren Sitzungen der Ausschüsse zunehmen wird. Dringende Anträge können in Zukunft unter Umständen nicht mehr an den Fachausschuss überwiesen werden, sondern müssen in der Bezirksversammlung beraten werden. Auch wird es schwieriger werden regelmäßig Experten in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. „Die Entzerrung der Regionalausschüsse ist eine gute Sache, jedoch werden bei den übrigen Ausschüssen die Arbeitsweise und die Transparenz der Arbeit eingeschränkt“, sagt Bezirksabgeordneter Jörn Frommann (CDU). Auch die Piraten halten die Entzerrung der Regionalausschüsse für sinnvoll, stehen jedoch dem übrigen SPD-Konzept kritisch gegenüber. „Hier wird zusammengestrichen, ohne zu überprüfen wie hoch die Arbeitsbelastung der einzelnen Ausschüsse tatsächlich ist“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten. Gerhold befürchtet, dass Ausschüsse, die bereits jetzt eine lange Tagesordnung haben, zukünftig die zulässige Sitzungszeit regelmäßig überschreiten werden. So hat beispielsweise der Stadtplanungsausschuss bereits jetzt eine Sitzungsdauer von bis zu vier Stunden. Da die Fachausschüsse in der Regel um 18 Uhr beginnen und die Geschäftsordnung der Bezirksversammlung eine maximale Sitzungszeit bis 22 Uhr vorschreibt, könnte dies die Ausschussarbeit belasten. Ausnahmen zu dieser Regel können zwar im Einzelfall durch den Ausschuss beschlossen werden, würden jedoch wahrscheinlich dazu beitragen, dass die Arbeitsfähigkeit der Abgeordneten in den Marathonsitzungen schnell erschöpft ist. „Das könnte in manchen Ausschüssen ein Problem werden, aber es besteht immer die Möglichkeit Sondersitzungen bei wichtigen oder zeitaufwändigen Themen anzusetzen“, sagt Kerstin Gröhn.
Besonders der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel könnte unter den neuen Regelungen leiden. In den Plänen der Sozialdemokraten ist vorgesehen den Ausschuss im Sommer drei Monate am Stück nicht tagen zu lassen. „Vor dem Hintergrund der Ereignisse des kommenden Jahres in Wilhelmsburg und der Tatsache, dass gerade dieser Ausschuss bereits in der Vergangenheit eine Vielzahlmehr an Initiativen zu bearbeiten hatte, als andere Regionalausschüsse ist das ein Problem“, sagt Jörn Frommann. Im nächsten Jahr finden in Wilhelmsburg die Internationale Gartenschau und die Internationale Bauaustellung statt. Andreas Gerhold sieht besonders hier die Bürgernähe der Politik gefährdet: „Es besteht die Gefahr, dass hier Themen unter den Tisch fallen, oder nicht bearbeitet werden können“. Kerstin Gröhn sieht hier keine Probleme: „Die lange Pause basiert nicht auf konkreten Überlegungen, sondern kam durch den neuen Rhythmus der Sitzungen zustande. Bei Bedarf kann man hier auf jeden Fall noch eine zusätzliche Sitzung einberufen“.
Ein weiteres Argument der SPD für die Änderungen der Sitzungstermine scheint auf der Bitte des Koalitionspartners FDP zu basieren. „Aufgrund der in dieser Wahlperiode sehr breiten fachlichen Aufstellung der Bezirksversammlung und den gleichzeitig vielen kleinen Fraktionen, die diese Ausschüsse besetzen müssen, wurde ein Weg gesucht, der für den Rest der Wahlperiode einen Interessensausgleich darstellen soll“, sagt Bernd Ohde, Fraktionsvorsitzender der FDP. „Bürgernähe entscheidet sich für uns besonders außerhalb der Sitzungen.“ Zusammen mit den Piraten stellen die Liberalen die kleinsten Fraktionen der Bezirksversammlung. Andreas Gerhold wundert sich über die Fürsorge von SPD und FDP. „Wir haben uns in diesem Zusammenhang nicht beschwert und für uns längst eine Lösung gefunden unsere Arbeit effektiv zu organisieren“, sagt Gerhold. Kerstin Gröhn sieht die Entlastung der kleinen Fraktionen nicht als Grund für die Entscheidung der SPD an: „Das ist vielleicht ein Nebeneffekt. Wir freuen uns aber den kleineren Fraktionen einen Gefallen getan zu haben“.
Auch die Grünen kritisieren das Vorgehen der Sozialdemokraten. „Wir finden eine Verringerung der Tagungszeiten grundsätzlich nicht gut“, sagt Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen. „Besonders vor dem Hintergrund, dass die SPD in dieser Wahlperiode neue Ausschüsse gebildet hat.“ Die SPD hatte nach der letzten Wahl erstmals die Bildung eines Sportausschusses beschlossen. Zudem wurden die Ausschüsse Umwelt- und Verkehr, die vorher zusammen getagt haben, getrennt. „Zum damaligen Zeitpunkt waren die Sparverpflichtungen noch nicht erkennbar. Zudem sind auch die getrennten Sitzungen von Umwelt- und Verkehrsausschuss sehr lang. Deshalb ist diese Maßnahme auch heute noch sinnvoll“, erklärt Kerstin Gröhn.
Trotz der vielfältigen Kritik haben alle Fraktionen mit Ausnahme der Piraten dem neuen Terminplan der SPD zugestimmt. „Wenn man reduzieren will, dann ist dieser Vorschlag sehr vernünftig“, sagt Michael Osterburg. Die CDU gibt an nach längerer Diskussion ihre Zustimmung gegeben zu haben. „Wir stehen dem Vorhaben aber kritisch gegenüber und haben dies entsprechend deutlich gemacht“, sagt Jörn Frommann. Der Antrag der Piraten-Fraktion, der eine Vertagung zur Besprechung alternativer Ideen vorgesehen hatte, wurde abgelehnt.
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