Dieser Gastkommentar von Karla Luzie Kutz (15) ist im Rahmen des Projektes „Klosterschüler machen Politik“ entstanden (mehr dazu hier).
Ich denke jedem, der St. Georg schon vor sechs Jahren kannte, ist die enorme Veränderung des einst so kreativen und belebten Stadtteils aufgefallen. Die sogenannte „Aufwertung“, wie sie nicht nur hier praktiziert wird, hinterlässt tiefe Spuren. Ich erinnere den Tag noch genau, an dem der alte Schulhof der ehemaligen Mädchenschule in der Koppel abgerissen wurde auf dem wir sonst immer spielen durften; und wie sie ihre rechteckigen Büsche in Betonkästen pflanzten. Zur gleichen Zeit errichtete man das erste lieblose Schuhkartonhaus in der Langen Reihe hin zu unserem Innenhof. Die Sicht auf die Lange Reihe war passé. Ab jetzt mussten wir, laut Vertrag, drei Meter Abstand zu jeder dieser Mauern halten. Der Ausblick auf den Lohmühlenpark wird uns neuerdings durch einen unschönen zweiten Klotz auf dem leider vergangenen „1000 Töpfe“ versperrt. Mein Ausblick aus dem Fenster beschränkt sich nun auf bonzige Flachbildschirme, die man durch die riesigen Fenster sieht. Keine Bäume mehr, kein Volleyballfeld. Keine zwei knutschenden Fußballspieler an der Wand. Die Gegend ist öde geworden.
Das kulturelle Kapital St. Georgs wird nach und nach trostlos grau übermalt oder durch Betonklötze ersetzt. Und an keinem St. Georger ist die Diskussion über die traditionelle Buchhandlung Wohlers spurenlos vorbeigezogen. Nicht nur dieses Geschäft, das den Geist St. Georgs in sich trägt, stand kurz vor der Verdrängung. So ging es schon vielen Kleinkünstlern und alteingesessenen Geschäften.
Wir leben doch in einer Demokratie, heißt es. Wie kommt es dann, dass die Mehrheit nichts unternehmen kann, nur, weil die anderen ihr Ziel mit Geld erreichen?
Ich dachte, jeder hat Recht auf Stadt!
Anna
12. November 2012 at 19:05
Ein sehr gelungener Kommentar. Gut geschrieben.
Mein Respekt an die junge Autorin.