Die Blätter beginnen sich zu verfärben. Im Herbstwind taumelt die einstige Pracht der Büsche und Bäume zu Boden. Es wird Winter in Hamburg. Und doch schenkt uns Petrus erstaunlich milde Oktobertage. Spötter könnten behaupten die himmlischen Wetterspender wollten uns für den bescheidenen Sommer entschädigen. Oder leidet Petrus gar unter Stimmungsschwankungen und es steht ein bitterkalter Winter vor der Tür? Eine Antwort auf diese Frage können die Forscher der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg nicht geben. Wetterfrösche sucht man hier vergeblich. Genauso launisch und wechselhaft, wie das Wetter, ist jedoch der Hamburger, wenn es um Politik geht. In der Rolle von politischen Wetterfröschen können die Forscher Olaf Bock und Kai-Uwe Schnapp zeigen, wem ein sonniger Frühling und wem ein kalter Winter bevorstehen könnte.
Im Rahmen ihrer Studie, die jetzt veröffentlicht wurde, haben die Wissenschaftler zwischen April und August insgesamt 468 Hamburgerinnen und Hamburger über 16 Jahren am Telefon befragt. Auf diese Weise wollen Bock und Schnapp ein Bild von der derzeitigen politischen Stimmung in Hamburg zeichnen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die SPD derzeit nicht an ihren Erdrutschsieg bei der Bürgerschaftswahl von 2011 anknüpfen könnte. Hatten vergangenes Jahr noch 48,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme den Sozialdemokraten gegeben, so wären es jetzt nur noch 42 Prozent. Dass die SPD auch weiterhin stärkste politische Kraft in Hamburg ist scheint eng mit der Beliebtheit des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz verbunden zu sein. Der Großteil der Hamburger kennt den Bürgermeister und bewertet seine Arbeit als positiv. Bock und Schnapp sehen hier den Trend zur Personalisierung von Wahlen bestätigt. Den anderen Parteien scheint derzeit ein vergleichbares Zugpferd zu fehlen. Insbesondere die CDU schafft es nicht ihr Wahlergebnis von 2011 wesentlich zu verbessern. Von einem Stimmenanteil von 21 Prozent im letzten Jahr erhöht sich der Wert für die Christdemokraten auf nur 21,9 Prozent. Damit liegt die CDU in etwa mit ihrem früheren Koalitionspartner den Grünen gleich auf, die ihr Ergebnis im Vergleich zu 2011 auf rund 22 Prozent verdoppeln können. Besonders Landesvorsitzende Katharina Fegebank scheint bei den Hamburger Grünen der Grund für den hohen Zuwachs an Stimmen zu sein.
Für eine Überraschung sorgt die Piratenpartei. Prominente Vertreter der Partei und die Zustimmungswerte der Bevölkerung wurden in der Studie nicht betrachtet, da die Partei derzeit nicht in der Bürgerschaft vertreten ist. Dennoch ist es den Piraten gelungen mit einem Ergebnis von 6 Prozent an FDP und der Linken vorbei zu ziehen. Während die etablierten Parteien der Liberalen und der Linken mit jeweils 5 Prozent um den Einzug in das Parlament zittern müssten, würde den Piraten derzeit der Einzug in die Bürgerschaft gelingen.
Dass die ermittelten Werte bis zur nächsten Bürgerschaftswahl 2015 beibehalten werden können, ist jedoch für alle Parteien zu bezweifeln. Die Forscher der Universität Hamburg fanden in ihrer Studie heraus, dass die Zahl der Wechselwähler in Hamburg stetig zunimmt. Eine steigende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern fühlt sich keiner besonderen Partei verbunden. Daher entscheiden immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger kurzfristig aufgrund bestimmter Themen oder Kandidaten, welcher Partei sie ihre Stimme geben. Dabei ist eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bereit die Möglichkeit des Hamburger Wahlgesetzes zu nutzen, Stimmen auf mehrere Parteien zu verteilen. Die Wähler scheinen dabei den Wunsch zu haben, sehr konkret für sie persönlich wichtige Themen zu unterstützen. Für die Wahlen in Hamburg bedeutet dies, dass Wahlkämpfe in Zukunft wahrscheinlich immer stärker auf einzelne Personen oder besonders wichtige Themen zugeschnitten sein werden.
Stünden derzeit Bürgerschaftswahlen an, so wären nach Aussage der Studie besonders die Themen Infrastruktur, Erziehung und Bildung, Soziales und Wohnraum für die Hamburgerinnen und Hamburger von Bedeutung. Interessant ist dabei, dass der Hamburger Hafen von den Befragten kaum als wesentliches Thema wahrgenommen wird. Das Wahlprogramm der SPD von 2011 hatte eben diesem eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Alle Parteien in Hamburg werden sich zukünftig starker an der aktuellen politischen Stimmungslage der Bevölkerung orientieren müssen. Es ist daher für die Politiker wichtiger denn je ein offenes Ohr für die Belange der Bürgerinnen und Bürger zu haben. Schade, dass Petrus sich nicht auch an den Wünschen der Menschen orientieren muss.
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