Glosse: Unerwünscht in dieser Stadt

Ein Bienenstock. Alles surrt und summt. Jeder hat ein Ziel. Einen geschäftlichen Termin, die Aktentasche wippt im Takt der schnellen Schritte. Hell erleuchtete Auslagen hinter meterhohen Schaufensterscheiben, in denen sich die Alsterfontäne spiegelt. Es wird angerempelt, gedrückt und geschubst. Der schnellere siegt. Jeder ist auf sich allein gestellt. Nur noch ein Wunsch. Sich hinsetzen, die Beine ausstrecken und sich einfach mal zurücklehnen. Doch der suchende Blick wird enttäuscht. Keine „Ruhebank“, wie Großmutter dazu wohl sagen würde. Keine klassische Holzbank, die zum Verweilen einlädt und auf der man sich zurücklehnen kann, um den Bienenstock von außen zu betrachten. Stattdessen kalte Betonmauern, harte Steintreppen, Plastiksitzschalen, Einzelsitze aus Metallstreben und immer wieder bankähnliche Gebilde, denen ein wesentliches Merkmal fehlt – eine Rückenlehne. Haben die Menschen in dieser Stadt denn keinen Rücken? Die Suche nach dem Rückgrat ist ja eine Sache, aber einen Rücken hat, mit Verlaub, auch in der Elbmetropole jedermann. Gesessen wird seit Jahrmillionen. Die Höhlenwand die erste Rückenlehne. Der Fortschritt zimmerte daraus Sitzgelegenheiten aller Art. Barhocker, Schemel, Designerklötze. Ohne Lehne wird ungern lang verweilt. Auf Stühlen, Sesseln und Bänken sitzt der Mensch hingegen gern und lang – Bänke! Eine Bank ohne Lehne, ein Einzelplatz auf harten Metallstreben, kalte Stufen aus Waschbeton. Keine Orte für einen Plausch, den langen Kuss eines Liebespaars, die Verschnaufpause einer alten Dame mit Stock. Diese Stadt ist geworden, wie ihre Bänke. Sie lädt nicht zum Verweilen ein. Sie spricht von Touristen, immer wieder. Doch selbst die wollen sitzen, sich anlehnen und die Stadt genießen. Architekten bestimmen die Stadt der Zukunft. Holzbänke sind out. Auf Bänken mit Lehne verweilen nur unerwünschte Gäste, heißt es. Ungemütlich soll es sein! Keiner soll auf die Idee kommen das Stadtbild zu zerstören. Doch wir sitzen weiter, wie Tauben, trotz Metallspitzen.