Die „Jute“ auf Leinwand gibt es seit Sonnabend in der Bücherhalle Billstedt zu bewundern. Das neue Bild ziert nun das Treppenhaus der Bibliothek und steht im Zentrum einer Ausstellung rund um die Jutefabrik.
Schon von weitem war der 50 Meter hohe Schornstein zu sehen, der unaufhörlich Dampf in den Himmel prustete. Zehnmal am Tag hörten die Bewohner von Schiffbek, Kirchsteinbek und Öjendorf die Sirene der Fabrik, die pünktlich Pausen und Schichtwechsel ankündigte. Direkt am Ufer der Bille lagen die langen Hallen der „Jute“ mit den schrägen Sheddächern. Zu Hochzeiten kurz nach der Jahrhundertwende arbeiteten in der Fabrik 1500 Menschen. Fast 76 Jahre lang, von 1883 bis 1959, prägte die Jute – Spinnerei und Weberei A.G. die drei Gemeinden Schiffbek, Kirchsteinbek und Öjendorf, die 1928 schließlich zum Hamburger Stadtteil Billstedt wurden, nachhaltig.
„Da die Gemeinde Schiffbek in diesem Jahr 800 wird, haben wir uns ein neues Bild für diesen Platz gewünscht“, sagt Brigitte Fleige, Mitarbeiterin der Bücherhalle. Dafür habe sie dann bei den weiterführenden Schulen im Stadtteil angefragt. Die Stadtteilschule Öjendorf erklärte sich schließlich bereit, einen künstlerischen Beitrag zu den Feierlichkeiten zu leisten. Unter der Anleitung von Lehrer Mike Holland haben die sechs jungen Künstlerinnen Ebru Angin, Madina Bayat, Lena Hansen, Deniz Dinc, Julia Hundt und Rana Azgi die ehemalige Jutefabrik auf die Leinwand gebracht. „Etwa 15 Stunden haben die Mädchen an dem Bild gearbeitet“, erklärt Mike Holland. Als Hilfestellung beim Malen diente ein Rastersystem. Auf dem Bild ist die Fabrik geradezu idyllisch am sauberen Ufer der Bille gelegen. „In Wahrheit muss das Wasser der Bille jedoch sehr verschmutzt gewesen sein“, erklärt Holland. Die Bastfasern, die in der Fabrik zur Jute verarbeitet wurden, kamen aus Indien, Ostasien und Amerika auf dem Wasserweg über die Bille nach Schiffbek.
Rund um das Bild gibt es eine Ausstellung der Geschichtswerkstatt Billstedt über die Jutefabrik, die noch bis Ende des Jahres zu sehen sein wird. „Die Jute hat den Stadtteil nachhaltig geprägt“, sagt Ingrid Plica von der Geschichtswerkstatt. Die große Fabrik habe das Wachstum der Dörfer angekurbelt und das spätere Billstedt so auch zu einem Arbeiterstadtteil gemacht. „Die Arbeitsbedingungen in der Fabrik kann man sich heute nicht mehr vorstellen“, sagt Ingrid Plica weiter. Lange haben auch Kinder in der Fabrik gearbeitet, sonst waren es hauptsächlich Frauen. Vor allem brachte die Jute auch die ersten Gastarbeiter, insbesondere aus Osteuropa, an die Bille. Auch prägte die Jute den Stadtteil auch auf sozialer Ebene. Viele Einrichtungen, wie eine Schule, einen Kinderhort, sowie Wohnungen für die Arbeiter gehörten zur Fabrik. Auch viele Sportvereine entstanden in dieser Zeit. Besonders beeinflusste die Jute die Infrastruktur des Stadtteils, wie der Bau der Straßenbahn zeigt. Für die zumeist katholischen Arbeiter aus Osteuropa wurde später die St. Paulus Kirche am heutigen Öjendorfer Weg erbaut. Im zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik stark beschädigt und 1959 schließlich geschlossen. „Wenn man genau hinsieht kann man vor allem im Winter unten an der Bille noch einige überwucherte Überreste der Jute entdecken“, sagt Ingrid Pliza.
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