Zum dritten Mal sorgte das Elbriot für reichlich harte Klänge mitten in der Stadt. Justus Ledig gesellte sich zu den rund 10.000 Besuchern des Metal-Festivals.
Dieser komische Hamburger Sommer! Während sich das Wetter nie so richtig einig werden will, was es nun bringt, ist es schwer, sich auf ein ganztägiges Open Air angemessen vorzubereiten. Und so kommt es, dass unsereins nach Abwarten einer (harmlosen) Regenphase erst verspätet eintrifft. Nach einwandfreiem Einlass-Prozedere – das soll ja in den Vorjahren nicht immer so gewesen sein – sind noch die letzten Klänge von Black Stone Cherry zu hören, die mit gepflegtem Southern Rock den Besuchern einheizen.
“Einheizen” ist angesichts der sauna-artigen warm-feuchten Luft allerdings kaum mehr nötig, ins Schwitzen kommt man auch so. Auf dem Großmarktgelände herrscht trotz der vielen Besucher kein störendes Gedränge, die Raumaufteilung passt und auch die Versorgung mit Speis und Trank funktioniert astrein. Lediglich die großen Wellenbrecher vor der Bühne stören etwas, das mag allerdings den Sicherheitsauflagen geschuldet sein.
Schwedischer Hard Rock und deutscher Metalcore
Als nächstes sind die schwedischen Senkrechtstarter Blues Pills an der Reihe. Psychedelischer Hard Rock im Stil der 1970er Jahre ist zurzeit durchaus angesagt und so frisst das Elbriot der Band um Frontfrau Elin Larsson aus der Hand. Durchaus mit Recht, denn Blues Pills gelingt es, gleichzeitig nach improvisierter Jamsession zu klingen und ein ausgesprochen eingespieltes Klangbild abzuliefern – jetzt schon die Entdeckung des Festivals! Der Sound ist ebenfalls bestens.
Callejon stehen daraufhin auf der Bühne mit den großen Kraken. Deutschsprachiger Metalcore mit einem guten Schuss Humor, das hat durchaus seinen Reiz. Und der Fünfer liefert ordentlich ab: Energiegeladen pflügen sich Callejon durch ihr Set und verzichten auf längere Ansagen – wie fast jede Band an diesem Tag. Auch die Coverversionen “Schwule Mädchen” und “Die Ärzte” gibt es zu hören. Metalcore-Puristen mag das sauer aufstoßen; wer jedoch kein Kostverächter ist, hat seinen Spaß.
Kvelertak mit Schönheitsfehlern
Noch vor kurzem waren Kvelertak eine der Bands der Stunde. Der Hype ist zwar etwas verflogen, da länger kein Album mehr erschien. Dennoch ist die abgefahrene, dreckige Melange aus Black Metal, Rock’n’Roll und Hardcore weiterhin sehr hörenswert. Bedauerlicherweise leidet der Auftritt der Norweger an einem unausgewogenen und dünnen Sound, vor allem was den Gesang betrifft. So verpufft viel von der Energie, die Kvelertak eigentlich an den Tag legen könnten. An der spielerischen Leistung gibt es indes nichts auszusetzen, ein bisschen Show wissen die Nordmänner ebenfalls zu machen. Dass die Band ihre Spielzeit überzieht und den Auftritt schließlich etwas absägen muss, ist allerdings ein weiterer Dämpfer.
Es folgen Enter Shikari, die allerdings einer persönlichen Verschnaufpause zum Opfer fallen. Elektronisch angereicherter Post Hardcore ist nun mal nicht jedermanns Sache.
Währenddessen fällt noch einmal auf, dass die Logistik auf dem Elbriot in keinem Verhältnis zu den Horrorgeschichten der vergangenen Jahre steht. Offenbar haben die Veranstalter hier ordentlich nachgebessert. Verpflegung, Toiletten, Merchandise, Einlass und Co., das funktioniert alles sehr vernünftig. Allenfalls könnte es mehr Band-Fanartikel geben.
Es wird progressiv …
Weiter geht es mit Opeth. Die Truppe um Mastermind Mikael Åkerfeld ist für einige Besucher sogar einziger Anlass, das Elbriot 2015 zu besuchen, und manch einer hat sogar eine weite Reise für ein Hamburg-Wochenende deswegen auf sich genommen. Nun, die Fans der Band sollen voll auf ihre Kosten kommen. Der wilde Ritt durch Melodic Death Metal und Progressive Rock sorgt für zahlreiche strahlende, ja regelrecht entrückte Gesichter. Andere beklagen zwar, dass die kopflastige Musik von Opeth nur das Hirn, nicht aber das Herz berühre, doch so ist das mit Geschmäckern. Jedenfalls machen die Schweden einen aufgeweckten Eindruck, auch wenn Åkerfeld wohl aus Zeitgründen an Interaktion mit dem Publikum spart.
Nun ist es allmählich Abend auf dem Großmarkt und die Headliner nehmen ihre Posten ein. Zunächst sind Kreator an der Reihe und machen von Beginn an keine Gefangenen. Die Ruhrpott-Thrasher lassen eine Granate nach der nächsten auf die Hamburger Meute los und klotzen lieber als zu kleckern. Begleitet von heftigen Pyro-Einlagen sägen sich Klassiker der Marke “Phobia” und aktuelle Nummern wie “Phantom Antichrist” in die Gehörgänge, dass es ein wahres Fest ist. Frontmann Mille Petrozza hält sich – eher untypisch – ebenfalls mit Gesabbel zurück.
Wehrmutstropfen: Es scheint, als habe der eine oder andere Zuschauer sein gutes Benehmen am Einlass gelassen. Rücksichtsloses Verhalten und unrühmliches Gehabe abseits des eigentlichen Moshpits und der Wall of Death trüben den sonst so guten Eindruck von Kreator.
In Flames haben die besten Zeiten hinter sich
Und schließlich betreten In Flames die Bretter des Großmarktgeländes. Für manche überraschend beginnen die Schweden mit dem älteren und schwergewichtigen Song “Only for the Weak”, der nicht nur deplatziert als Opener wirkt, sondern auch stilistisch stark verfremdend klingt. Der Rest des Sets besteht zum Großteil aus jüngeren Nummern, was angesichts des Wandels im Sound von In Flames im Grunde genommen konsequent ist. Wer die Band vor langer Zeit mochte, darf von ihr heutzutage nicht mehr viel erwarten. Doch auch im Bemühen um Objektivität hat die zum Beispiel die Stimme von Sänger Anders Fridén über die Jahre nachgelassen und klingt immer weinerlicher. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern nehmen sich In Flames auch Zeit für Ansagen und Interaktion. Über die übliche Lobhudelei des Publikums geht da allerdings wenig hinaus. Alles in allem darf vermutet werden, dass die meisten Zuschauer mit der sauberen Show des Headliners zufrieden sind.
Etwa gegen 23 Uhr ist Feierabend auf dem Großmarkt und Scharen von Metallern ziehen in Richtung Hauptbahnhof. Einige legen noch einen Stop in der Markthalle ein, wo auf der Aftershowparty noch ein wenig gerockt wird. Abschließend betrachtet lässt sich das Elbriot 2015 nicht nur für die Veranstalter, sondern auch aus Besucherperspektive als voller Erfolg bezeichnen.
Pingback: Spitzen-Unterhaltung am Sonntagmittag » Magischer FC