Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei einen Blick ins Sommerloch gewagt.
Wenn die Nachrichten nichts Positives vermelden, wenn Kriege durchs Sachfernsehen rauschen wie Banalitäten durchs private und das Sommerloch nur mit Gewalt gefüllt wird – hilft nur Humor, um unsere Spezies zu ertragen: Der Postillion hat den Nahostkonflikt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Was geschmacklos klingen mag, verdeutlicht den Irrsinn dieser Welt einfach besser als manch ernste Reportage. Schließlich reißen die bad news auch medienintern nicht ab. Nach Karl-Heinz Böhm sind auch Dietmar Schönherr, Manfred Sexauer und James Garner gestorben. Am Übergang zum Farbfernsehen haben sie ihr Medium bereichert – Schönherr um die Talkshow, Sexauer um den Pop, Garner um Detektiv Rockford und im Rückblick bezeugen alle, dass früher eben doch manches ein bisschen besser war.
Ende für die Seifenoper
Passenderweise löste das ZDF die Redaktion „Event und Show“ auf, weil es ihm mit dem Frisieren unliebsamer Zuschauervoten zu bunt wurde. Und dann verkündet die ARD auch noch das Ende von „Verbotene Liebe“ – einer Soap, deren Quoten zwar seit langem im Sinkflug sind, die sich aber prominenter Fürsprache erfreut. Unter anderem von der Literaturkritikerin Elke Heidenreich, die sich in der SZ fragte, ob man angesichts des Endes ihrer Lieblingsserie im Frühjahr 2015 nicht lieber den Programmdirektor absetzen könne.
Na wenigstens gräbt der nicht auch noch, anders als von „Bild“ erstunken, dem „Tatort“ das Grab. Immerhin wird die Sommerpause bis 31. August verlängert, weshalb am Sonntag eine Wiederholung von 2011 läuft, was das Springerblatt auch wieder auf die Palme bringen dürfte, von wegen: Nix als Wiederholungen für unsere Gebühren. Wobei die naturgemäß das Karma der Sommermonate sind. Und wenn es mal bemerkenswerte Erstausstrahlungen gibt, dann eher auf den abseitigen Plätzen. Bei Arte zum Beispiel, wo heute der Dildo ein filmisches Denkmal erhält. Die britische Komödie „In guten Händen“ schildert den Ursprung des Vibrators nämlich nicht voyeuristisch, sondern mit viel Gefühl für den Umgang mit weiblicher Sexualität vor 134 Jahren.
Hauptgewinn oder Niete?
Weniger Humor, dafür noch mehr Realismus zeigt dagegen der ARD-Mittwochsfilm „Männertreu“. Ein Verleger (Matthias Brandt) wird darin von einer ehrgeizigen Politikerin (Margarita Broich) zum Bundespräsidenten aufgebaut. Das sorgsame Schlittern in private wie berufliche Katastrophen, hebt das Politdrama geradezu auf skandinavisches Niveau. Weniger Realismus, dafür viel mehr Humor hat die Romanze „Offroad“, in der das ZDF am Donnerstag neben Nora Tschirner und Elyas M’Barek auch sonst viel Bezug zur nachwachsenden Zuschauerschicht aufbaut. Passend dazu startet dort morgen Nacht mit „Shooting Stars“ eine weitere Plattform für junge Regisseure – wenngleich Alex Schmidts Auftakt „Du hast es versprochen“ um zwei Schulfreundinnen, die am Ort ihrer Kindheit Abstand von der Realität gewinnen wollen, zwar atmosphärisch beginnt, aber banal endet.
Dennoch: so viel Platz für Neues räumen die Platzhirsche sonst nur auf ihren Spartenkanälen frei. ZDFneo zum Beispiel, wo ab Samstag der Gewinner des TV-Labs läuft. Er heißt „Tohuwabohu“ und macht den öffentich-rechtlichen Endlosversuch, junge Zuschauer zu gewinnen, zum Inhalt einer Sendung, in der Promis eine Kinder-Jury überzeugen sollen, wer sie besser unterhält. Das ist zwar auch nicht der Stein der Entertainmentweisen, hat aber im ersten Ton der Auftaktmelodie mehr Esprit als Sat1 in 60 Minuten Neuauflage der schlichtesten Show aller Zeiten: „Deal or no Deal“. Ab Mittwoch moderiert Wayne Carpendale Guido Cantz’ abgenudelten Versuch, Boxen mit viel Geld unter Boxen mit wenig Geld ziehen zu lassen.
Das wahre Highlight
Dagegen könnte RTLs Reanimierung von Thomas Gottschalk als Moderator von „60 Jahre Rock & Pop“ am Freitag glatt unterhaltsam werden. Da selbst Populärkultur beim Kulturkanal besser aufgehoben wäre, sei aber doch lieber der nächste Teil vom „Summer oft the 90s“ auf Arte empfohlen, der sich Sonnabend Boy- und Girlgroups widmet (22.05 Uhr) und tags drauf dem Aufstieg und Fall von MTV (21.55). „Total Entertainment“ heißt die Klammer. Sie gilt quasi auch dafür, was Arte Mittwoch zuvor liefert, das wahre Highlight der Woche nämlich: „Monty Python live (mostly)“, die umjubelte Rückkehr der Anarchokomiker nach 32 Jahren Bühnenabstinenz. Kein Feuilleton, das davon nicht geschwärmt hatte.
So wie 1955 über den „Tipp der Woche“ geschwärmt wurde: „Die Ratten“, Mittwoch, 1.55 Uhr, ARD), Robert Siodmak Verlegung von Gerhard Hauptmanns wilhelminischen Sittengemälde über Reichtum und Armut in die 50er Jahre.
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