Am Samstag fand mitten in St. Georg, nicht weit vom Hauptbahnhof, das erste unkommerzielle vegane Straßenfest Hamburgs statt. Und möchte vor allem eines: aufklären.
Veganer. Das sind doch diese Körnerfresser, diese hippiesken Asketen, diese Trendläufer, die nicht wissen, wo man der Selbstoptimierung endlich ein Stoppschild vorsetzen sollte, die einem die Wurst vom Teller klauen und sogar die Milch im Kaffee madig machen wollen. Oder?
Genau dort sieht sich das vegane Straßenfest, das am Samstag erstmalig in Hamburg auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz in St. Georg stattgefunden hat, nicht. Chris, der mit zu den Organisatoren der Veranstaltung zählt, möchte vielmehr auf den Ursprung der veganen Idee zurückverweisen. „Wir wollen ein Zeichen setzen, weil wir dem ganzen Vegan-Hype und diesem Ding, bei dem es in der Ernährung nur noch um Selbstoptimierung geht und dabei die Tiere einfach gar nicht mehr oder zumindest selten erwähnt werden, etwas entgegnen wollen. Auch weil die meisten – oder zumindest sehr viele – vegane Feste sehr kommerziell ausgerichtet sind. Deswegen wollten wir ein Zeichen setzen und ein unkommerzielles Straßenfest ausrichten, um den Schwerpunkt auf Information und Aufklärung zu legen und somit das, worum es uns eigentlich geht, die Tiere, wieder in den Vordergrund zu rücken.“
Engagement statt Trend
Der Carl-von-Ossietzky-Platz ist bestens gefüllt an diesem Samstag. Am Rand stehen Buden, in der Mitte tummelt sich eine gut gelaunte Menschenmenge, großteilig auffällig bunt, in Begleitung vieler Hunde, ausgestattet mit Burgern, Eis und Prospekten. Vor den Gastronomieständen haben sich lange Schlangen gebildet, eineinhalb Stunden müsse man für den, selbstredend veganen, Cheeseburger anstehen, hört man, aber es würde sich lohnen. Die Bereitschaft und nötige Geduld scheinen vorhanden. Mitten in St. Georg gäbe es außen herum genug Möglichkeiten aufkommenden Hunger zu stillen, die langen Schlangen bleiben dennoch auf dem Platz. Laut dem Vegetarierbund Deutschlands leben heutzutage in etwa 1,1 Prozent der Deutschen vegan, das wären in etwa 900.000 Menschen im Bundesgebiet. Vegetarisch ernähren sich zwischen 8 und 9 Prozent der Bevölkerung. Wie sich die Menschenmenge heute hier zusammensetzt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Gespräche, die geführt werden, legen aber nahe, dass ein Großteil sich schon weitreichend mit dem Thema befasst hat.
Die Intention der Veranstalter vor allem Aufklärungsarbeit zu leisten, zeigt sich deutlich. Den vier Gastronomieständen stehen um die 15 Infostände gegenüber. Spricht man mit den jeweiligen Vertretern wird schnell deutlich, dass sich hier niemand als Vertreter eines Trends sieht, sondern es vor allem um eine politische und gesellschaftliche Entwicklung geht. Ein Aktivist der Tierbefreiung Hamburg erklärt dazu: „Veganismus ist halt immer noch ein Trend, es wird auch ein Trend bleiben, weil er eben auch viel vermarktet wird. Was an und für sich erstmal ja auch nicht schadet. Es ist nur wichtig, dass die Leute dann eben auch merken, dass das Engagement an dem Punkt, wo man sich vielleicht entschließt kein Fleisch mehr zu essen, nicht endet. Sei es halt, dass man sich dann auch einer Kampagne gegen Tierversuche anschließt, sich gegen Sexismus und Rassismus engagiert – an einem gewissen Punkt hängen all diese Dinge zusammen und es geht darum sich gesellschaftlichen Strukturen bewusst zu werden und sie aufzubrechen.“
Wie die Wurst auf den Teller kommt
Auch an den anderen Ständen sieht man sich nicht im Auftrag eines Lifestyles. Der sich quer durch die Medien kochende Attila Hiltmann, dessen Bücher man regelmäßig in Bioläden ausgelegt findet, erfreut sich bloß mäßiger Beliebtheit. Auch wenn jedes Futter die Bewegung nach vorne bringt, möchte man hier vor allem auf konkrete Zahlen und Fakten verweisen. Darauf, was mit den sogenannten Nutztieren in der Industrie passiert, darauf was passiert, bevor die Wurst auf dem Teller landet und darauf, dass die vegane Alternative kein geschmackloses Gummiprodukt ist und erst recht nicht Ausdruck eines selbstoptimierenden Essens.
Im Zelt liest derweil Hilal Sezgins aus ihrem neuen Buch „Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen“, das von ihrem gemeinsamen Leben mit ihren Tieren auf ihrem Hof erzählt und davon, wie entsetzt viele Leute ihr gegenübertreten, wenn sie erklärt, dass sie ihre Tiere für nichts nutzt. Im Zelt ist kein Platz mehr frei, an den Eingängen drängeln sich die Besucher, um etwas von der Lesung mitzubekommen. Die Veranstalter dürften mehr als zufrieden mit dieser ersten Ausgabe eines unkommerziellen, veganen Straßenfestes in Hamburg sein und wollen sich für die nächste Runde nach einer größeren Veranstaltungsfläche umsehen.
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