Stadtgespräch

Vierte Hamburger TEDx-Konferenz in der Laeiszhalle

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Maria Wölfle
@kulturgedanken

Ressortleitung Kultur | Studium der Kulturanthropologie, Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaft | Email: woelfle@hh-mittendrin.de

Wie können sich Menschen in und zwischen Städten miteinander verbinden? Um diese Frage drehte sich die vierte Hamburger TEDx-Konferenz, die am vergangenen Dienstag in der  Laeiszhalle stattgefunden hat.

“Urban Connectors” lautete der Titel der Konferenz, bei der nationale und internationale Redner in jeweils 18-minütigen Vorträgen über ihre Ideen zum Thema sprachen. Also darüber, wie aus ihrer Sicht Verbindungen im urbanen Raum geschaffen werden können. Die Vortragenden kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen, aus Kunst, Wissenschaft, Architektur oder Technologie. “Das ist grundsätzlich für einen TED-Tag so konzipiert, dass wir ein Thema nehmen, was möglichst zu 360 Grad abgedeckt werden kann”, sagt Stephan Balzer, Gründer und Geschäftsführer von red onion, der Kommunikationsagentur, die die TEDx-Konferenz in Hamburg organisierte. Balzer holte TEDx 2009 nach Deutschland.

Vielfältig ist das Programm in Hamburg allemal. Der Tag begann mit Paul Hilder, dem Vize-Präsidenten von Change.org, einer Online-Plattform für Petitionen. Hilder sprach in seinem Vortrag “Kraft des Herzens” darüber, wie jeder zur Veränderung beitragen kann. Das Top-Down -Prinzip, nach dem Staaten organisiert sind, befinde sich durch die zunehmende Digitalisierung im Wandel.

Von einem ganz anderen verbindenden Element sprach Jennifer Aksu von Invisible Playground, einem Kollektiv, das im öffentlichen Raum ortsspezifische Spiele entwickelt. „Menschen überall auf der Welt gehen zurück auf die Straße, um zu spielen“, sagte sie. Damit brechen sie einen Stereotypen: dass nämlich Erwachsene nur an bestimmten Orten und mit bestimmten Materialien spielen sollten. Aksu erklärte, wie mit ein bisschen Fantasie aus einer U-Bahn-Rolltreppe ein Casino werden kann. „Öffentlicher Raum ist nicht nur da, um von A nach B zu kommen“, sagte Aksu. „Es ist der Raum, an dem wir zusammenkommen können.“

Über den Tellerrand schauen

Die Hamburger TEDx-Konferenz soll den Teilnehmern an einem Tag einen Einblick geben in das, was die meisten Menschen im normalen Leben nie kennenlernen würden. „Die Leute haben ganz selten mal die Zeit, über den Tellerrand zu schauen“, sagt Balzer. „Wir versuchen, diesen Tellerrand zu bieten.“

Durch die Vielfältigkeit der Redner gelingt das der Konferenz durchaus. Ging es bei Aksu um Spiele im öffentlichen Raum, spricht etwa Erine Gray davon, wie schwierig es in den USA ist, sich einen Überblick über mögliche Sozialleistungen zu verschaffen. Also entwickelte er „Aunt Bertha“, eine Suchmaschine für Sozialleistungen.

Ein Höhepunkt für viele war der Vortrag von Kilian Kleinschmidt. Das zeigte sich unter anderem an den Standing Ovations und dem Zwischenapplaus, den er bekam. Kleinschmidt koordiniert das größte Flüchtlingslager für Syrer, das sich in der Nähe von Amman in Jordanien befindet. Mehr als 100.000 Menschen leben dort. Er sprach leidenschaftlich davon, wie durch die Vernetzung etwa mit der Stadt Amsterdam globale Resourcen in das Lager gelangen und dort eine Stadt entsteht. Dabei kam er immer wieder außer Atem. Das Publikum ist begeistert von seiner Arbeit, von seinem Vortrag. Etwas befremdlich war allerdings, dass er die Flüchtlinge als seine Klienten bezeichnete.

Ideen, die dazu anregen, um die Ecke zu denken

Balzer sieht eine grundlegende Veränderung, die sich durch alle Vorträge zieht. „Was sich dramatisch verändert, ist der partizipative Aspekt. Kommunen und Städte werden damit konfrontiert, dass die Leute eine Meinung haben und diese auch kundtun und sich organisieren.“

Bei der Hamburger TEDx werden Ideen vorgestellt, die durchaus inspirieren oder dazu anregen, mal um die Ecke zu denken. Nicht zuletzt, weil den Rednern die Begeisterung für die Sache wirklich anzumerken ist.

Ideen können verändern. Vielleicht nicht die Welt aber doch einen Teil davon. Sie können Veränderung anregen. “Ideas worth spreading” lautet denn auch das Motto der mittlerweile weltweit bekannten TED-Konferenzen, Ideen, die es wert sind, verbreitet zu werden.

TED, das steht für Technologie, Entertainment und Design. Die Konferenz stammt ursprünglich aus den USA, wo sie 1984 zum ersten Mal abgehalten wurde. TED hat sich dort im Laufe der Jahre zu einer Marke entwickelt, die für Veränderung und Innovation steht. Weltweit bekannt geworden sind die Konferenzen vor allem, seit die Vorträge im Internet kostenlos zur Verfügung stehen. Redner wie Bill Gates oder Al Gore sorgen zusätzlich für Bekanntheit. In 2000 Städten finden die Konferenzen mittlerweile statt, insgesamt acht bis zehn pro Tag. Balzer führt den Erfolg von TED aber auch auf den komprimierten Inhalt der Vorträge zurück. “Du bekommst eine Idee auf den Punkt formuliert präsentiert und kannst sie verstehen. Das ist eine Sprache, die jeder versteht”, sagt er. “Oft sind diese Talks auch insofern anders, als dass sie nicht so nüchtern und kühl sind.”

Emotionen dürfen nicht zu stark in den Mittelpunkt rücken

Doch nun kommt die Crux an der Sache. So mitreißend viele der TED-Talks und so toll die vorgestellten Ideen sind, so sehr sie manch einen tatsächlich inspirieren mögen: Eine starke Vereinfachung komplexer Themen und ein Fokus auf Emotionalität ist problematisch. Vielschichtigen Problemen oder wissenschaftlichen Sachverhalten kann in 18 Minuten niemand gerecht werden. Genau das wird bei TED aber suggeriert. Derlei Kritik führt auch der US-amerikanische Wissenschaftler Benjamin Bratton in seinem Vortrag “We need to talk about TED” an. Emotionalität ist wichtig und kann manch scheinbar fades Thema plötzlich interessant machen. Rückt sie zu sehr in den Mittelpunkt, kann sie aber auch schnell vom Kern eines Vortrags ablenken, von der Idee, um die es doch eigentlich gehen soll.

Die Hamburger TEDx-Konferenz schafft es hier, die Balance zu behalten. Das liegt sicherlich auch daran, dass wirklich komplexe oder wissenschaftliche Themen nicht dabei sind. Im Ganzen sind die Vorträge spannend und unterhaltsam und regen wohl manch einen wirklich zum Nachdenken an. Vor allem bei Kilian Kleinschmidts Vortrag ist das hoffentlich auch nachhaltig der Fall.

Schade ist bloß die Zusammensetzung des Publikums: Die 450 Zuschauer stammen fast ausschließlich aus der Bildungsschicht. Zum einen ist TED vor allem Leuten mit hohen Bildungsabschlüssen bekannt. Gleichzeitig konnten aber überhaupt nur die an der Konferenz teilnehmen, die sich ein Ticket leisten konnten. Stolze 119 Euro kostete die Teilnahme an der Konferenz, 49 Euro für Studenten. Über soziale Schichten hinweg verbreitet werden die Ideen an diesem Tag also kaum.

Kaum Raum für Nachfragen

Schade ist auch, dass kaum Raum für Nachfragen bleibt. “Das Grundformat von TED ist wie im Theater”, erklärt Balzer. “Fragen und Interaktion soll es in den Pausen geben.” Bei 450 Zuschauern ist allerdings fraglich, wie viele wirklich die Möglichkeit hatten, bei den Rednern nachzufragen oder die Ideen zu kommentieren. Das ist schade, weil Ideen besonders dann besser werden, wenn man sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt. Das kommt bei TED nicht wirklich vor.

“TED will Plattform sein, um Ideen auf die Bühne zu bringen und zugänglich zu machen”, sagt Balzer. Das zumindest schaffte die TEDx-Konferenz in Hamburg. Wie viel Veränderung dadurch tatsächlich entsteht, bleibt aber erstmal offen.

Die Vorträge der Hamburger TEDx-Konferenz werden in Kürze hier abrufbar sein.

Foto: © TEDxHamburg/ Sebastian Gabsch

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