Wenn die Kaufkraft nach Wilhelmsburg kommt, ist allen geholfen. Das Kleingewerbe wächst, die Wohnungen werden schöner und die Menschen im Stadtteil gebildeter. Am Montag erklärte Reinhard Wolf von der Handelskammer Hamburg dem Ausschuss für Haushalt und Regionale Wirtschaftsförderung die Vorteile einer gezielten Gentrifizierung. Mittendrin-Redakteur Dominik Brück hat mit(t)geschrieben und sich seine Gedanken gemacht.
Mit den Großveranstaltungen Internationale Bauausstellung (IBA) und Internationale Gartenschau (igs) wagt Wilhelmsburg den Aufbruch. „Durch die Veranstaltungen in diesem Jahr kommt Wilhelmsburg aus der medialen Randlage heraus“, sagt Reinhard Wolf von der Handelskammer vor dem Ausschuss für Haushalt und regionale Wirtschaftsförderung. Das Image des Stadtteils würde davon positiv profitieren. Vielen Hamburgern seien die Vorteile des Lebens auf der Elbinsel bisher nicht bewusst. „Wilhelmsburg hat eine hohe Lebensqualität durch die zentrale Lage, Grünanlagen und die Nähe zum Wasser“, sagt Wolf. Aus Sicht der Handelskammer, die in Wilhelmsburg nach eigenen Angaben rund 3500 Unternehmen mit 12.000 Beschäftigten vertritt, wird der Stadtteil durch das neue Image nachhaltig zum Positiven verändert. „Wir sehen hier die Chance, dass sich der Standort sehr positiv entwickeln wird, wenn die Politik die vorhandenen Chancen und Potentiale nutzt“, sagt Wolf.
Was das bedeutet, wird den Mitgliedern des Ausschusses kurz darauf erklärt. Neue EinwohnerInnen und zusätzliche ArbeitnehmerInnen werden nach Wilhelmsburg ziehen. Der Stadtteil solle für diese Entwicklung offen sein und den Zuzug fördern. Daraus resultiere dann eine dynamische Entwicklung, die auch als Gentrifizierung bezeichnet werden kann. „Gentrifizierung ist aber keine Gefahr, sondern eine Chance“, sagt Wolf. Es werde bei gezielter Steuerung niemand verdrängt. Stattdessen würden neue Potentiale für Gewerbe entstehen, die schließlich auch dem Stadtteil zugutekommen würden. „Die Zusammensetzung der Bevölkerung wird höherwertiger sein, als die Segmente, die sich in der bisherigen Bevölkerungsstruktur abgebildet haben“, sagt Wolf.
Reinhard Wolf von der Handelskammer hat recht und irrt gewaltig. Er beschreibt den Prozess der Gentrifizierung völlig richtig, aber übersieht dabei, dass es Gentrifizierung ohne Verdrängung nicht geben kann. Das Wort wird seit den 1960er Jahren in der Soziologie genutzt, um den Wechsel von einer statusniedrigeren zu einer statushöheren Bevölkerung innerhalb eines Stadtteils zu beschreiben. Dabei leitet sich der Begriff von dem englischen Wort „gentry“ ab, das den niederen Adel in England bezeichnet. Im 19. Jahrhundert zog es diese Gruppe vom Stadtrand zurück in die Zentren. Wenn die Rede von Gentrifizierung ist, dann geht es nicht darum die bestehende Bevölkerung besser zu bilden und neue Chancen eröffnen. Es geht um einen Austausch von Menschen die weniger verdienen, durch solche die finanzkräftiger sind.
Die Ausführungen von Reinhard Wolf beschreiben genau diesen Prozess. Durch Zuzug soll die Kaufkraft in Wilhelmsburg gestärkt werden. Einen anderen Weg für den Stadtteil zeigt Gottfried Eich von der IBA auf, die selbst als Motor der Gentrifizierung nicht unumstritten ist. „Alle Akteure sollten die Ausbildung und Qualifizierung der Menschen hier im Auge behalten. Nur wer Arbeit hat, kann seine Miete bezahlen und muss nicht wegziehen. Das ist das beste Mittel gegen Gentrifizierung“, sagt Eich. Bei aller Kritik an der IBA, hier liegt er richtig. Statt Geld in Verdrängungspolitik zu investieren, sind die Mittel der Stadt bei den WilhelmsburgerInnen besser angelegt. Es geht darum Chancen zu eröffnen und Veränderungen im Sinne der BürgerInnen zu ermöglichen. Das kommt dann nicht nur der Wirtschaft zugute, sondern der gesamten Stadt und den Menschen, die hier leben.
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Lily
10. April 2013 at 05:13
Hab ich da „höherwertig“ gelesen? Und ist dieser Satz tatsächlich so gefallen, ohne dass ihn der Ausschuß zum Teufel gejagt hat? Aus welcher Höhle muss man gekrochen sein, um dieses Wort auf Menschen anzuwenden? Unerträglich.
xy
11. April 2013 at 07:43
Dieser Satz ist rassistisch und strotzt nur so von verdrängungsplitischen Zügen.
Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte. Und so etwas schimpft sich Politiker? Lobbyist! Rassist!Kapitalist!
http://mieterinitiative.twoday.net/topics/Wolf/
Vincent
10. April 2013 at 08:39
Das ist schon ganz schön menschenverachtend, was der Herr da sagt.
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tourist
13. April 2013 at 17:03
kommt irgendwie eugenik mäßig rüber was der typ da so sagt.
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Gerd
18. August 2014 at 19:01
Dieser „Herr“ von der ohnehin überflüssigen Handelskammer labert auf hohen Niveau! Ferner diskriminiert er die sozial schwachen Mitbürger! Ich fürchte wir bekommen das System nicht mehr in den Griff! Mich würde interessieren, wie es in Hamburg in jeder Beziehung in sagen wir mal 50 Jahren aussieht?!
St.Paulianer
21. August 2014 at 07:45
Der Spruch:St.Pauli lebt vom Tourismus, ist offenbar nicht auszurotten! W E R lebt hier vom Tourismus? Doch nicht der einfache Bewohner- oder die Transfer Empfänger, die erhalten ihre Unterstützung auch ohne, dass ein einziger Tourist St.Pauli betritt! Auch die Rentner leben nicht von den Touris! Und Leute, die hier für kleines Geld Arbeiten, wohnen überwiegend in anderen Stadtteilen. Ausschließlich die Geschäftsleute leben vom Tourismus!!!!!!Diese Typen sind mir gleichgültig! Was denkt sich eigentlich ein Poster, wenn er sich mit verve für Steuereinnahmen einsetzt? Als ob diese Leute alle beim Finanzamt beschäftigt sind? Weshalb höre ich keinen Protest, wenn sich Firmen arm rechnen, oder wie Starbucks in Deutschland keine Steuern zahlen? Ihr seid alle Heuchler! Steuern, von wem auch immer landen nicht bei den Bürgern in St.Pauli sondern in der Fidelbude, zum Schulden tilgen oder werden Geschäftsleuten in den A.. geblasen in Form von Subventionen oder in dem man Voraussetzungen schafft um noch einige Millionen Touristen mehr anzulocken!!!!! Die Einwohner? Ach was!