Zwei Tage voller handverlesener Metal-Bands: Das Festival “Hell over Hammaburg” in der Markthalle ging in seine vierte Runde. Justus Ledig war dabei.
An diesem Konzept ist nicht zu rütteln. Beim “Hell over Hammaburg” stehen einmal mehr Künstler auf dem Programm, die man auch als beinharter Metal-Fan nicht unbedingt kennt. Kaum entdeckte Newcomer wechseln sich mit Veteranen ab, denen der richtige Durchbruch verwehrt blieb. Statt großer Namen also eine Menge Geheimtipps aus aller Herren Länder, von denen etliche ein zweites Ohr verdient haben.
Dieses Jahr findet das Insider-Festival an zwei Tagen statt. Am Freitag geht es bereits um 17 Uhr los, was für manche Besucher nicht zu schaffen ist. Und so beginnt auch dieser Bericht erst mit dem dritten Auftritt des “Hell over Hammaburg” 2016.
Freitag
Die Band auf der Bühne hört auf den Namen Archgoat, stammt aus Finnland und spielt Black Metal. Seit 16 Jahren netto – brutto wesentlich länger – sind die Schwarzheimer im Geschäft. Dass Archgoat hier spielen, darf durchaus kritisch gesehen werden, veröffentlichten sie doch kürzlich eine Split-LP mit einer Band, die politisch äußerst fragwürdig ist. Dies geschah zwar erst, nachdem die Veranstalter sie buchten, und das Problem wurde als solches wahrgenommen. Grauzone sollte dem “Hell over Hammaburg” künftig allerdings bitte fernbleiben.
Die Markthalle ist jedenfalls gut gefüllt und Archgoat spielen so, wie man es von einer Black-Metal-Band erwarten darf: wenig Show, rotziger Sound, Musiker mit wütender Attitüde. Und so schmeißt Sänger/Bassist Lord Angelslayer auch mal sein Mikro durch die Gegend, da ihm offensichtlich der Klang nicht passt. Tatsächlich ist der nicht ganz optimal, aber das ist nichts, was nicht zu dieser Art von Musik passen würde.
Weiter geht es mit Dawnbringer. Hier ist der umtriebige Chris Black aus den USA am Werk, der in zahlreichen Bands aus allen möglichen Genres die Fäden zieht. Seine abwechslungsreiche, doch wenig prätentiöse Heavy-Metal-Combo hat er für das “Hell over Hammaburg” zum ersten Mal in ihrer 20-jährigen Historie über den großen Teich gebracht.
Mit leidenschaftlicher Performance ziehen Dawnbringer und vor allem Bandkopf “Professor” Black am Bass und Gesang den Auftritt durch. Ganz so schlagkräftig wie mit High Spirits im vergangenen Jahr – eine seiner weiteren Bands – wirkt die Truppe hier allerdings nicht. Dennoch scheinen die Amerikaner zufrieden und freuen sich über die zahlreichen Gäste, die Dawnbringer einen würdigen Applaus bereiten.
Nun hat es sich ein gutes Stück geleert, als mit Sulphur Aeon die letzte Band des Freitagabend an der Reihe ist. Death Metal aus NRW steht an, Tiefsee und der Cthulhu-Mythos sind das lyrische Sujet. Die Band ist bereits zum zweiten Mal dabei, was eigentlich so nicht in das Programm des HoH passt. Doch mit einem vielgefeierten zweiten Album haben sich Sulphur Aeon einen starken Ruf in der Szene gespielt.
Die Show lebt nicht gerade von viel Bewegung, aber an Ausdruck mangelt es ihr nicht. Der atmosphärische, tiefe Sound erweist sich als sehr bühnentauglich. Viel Nebel und fantasievolle Gewänder der Beteiligten tragen dazu bei. Für mehr als eine Stunde Spielzeit, die den Lovecraft-Jüngern zusteht, reicht der Spannungsbogen des Konzerts jedoch nur bedingt, denn es fehlt etwas an Abwechslung. Und so geht der erste Tag des Festivals zu Ende.
Sonnabend
Am nächsten Tag – es ist früher Nachmittag – ist es noch sehr leer in der Markthalle. Heat aus Berlin haben die undankbare Rolle des Anheizers, es gibt Hard Rock mit deutlichem Blues-Anteil und ein bisschen Psychedelik auf die Ohren der wenigen Besucher. Der Sound weiß sehr wohl zu gefallen, die Band zeigt sich ausgesprochen spielfreudig. Trotz geringer Zuschauerzahl scheinen Heat von ihrem eigenen Auftritt ebenfalls angetan.
Heute ist auch das MarX Schauplatz. Dort vergnügen sich Lethal Steel, eine junge Band aus Schweden auf ihrem ersten Gig außerhalb der Heimat. Dort oben im Norden muss sich wohl eine Quelle aufgetan haben, aus der unentwegt Nachwuchs-Heavy-Metal-Bands sprudeln! Lethal Steel wirken, als würden gleich die 80er anrufen und ihre Mucke zurückfordern. Spandex-Hosen, bunte Shirts, ein sehr oldschooliger Sound – einen Innovationspreis gibt’s so nicht. Allerdings lassen die Burschen auch mal schwedische Texte auf das MarX los – das jetzt schon ziemlich voll ist.
Ebenfalls aus Schweden kommen Trial, die den nächsten Slot innehaben. Diesmal sind wir wieder in der großen Markthalle, die sich etwas besser gefüllt hat. Der seit neun Jahren bestehende Fünfer kredenzt abwechslungsreichen, epischen Heavy Metal mit 70er-Jahre-Einschlag – ein sehr passend gestylter Sänger inklusive. Damit passen Trial auf jeden Fall wie die Faust aufs Auge zu diesem Festival. In völlige Ekstase versetzt die Band die Markthalle zwar nicht, aber sie macht ihre Sache gut und überspielt auch technische Probleme sehr professionell. Dankbarer Applaus ist Trial gewiss.
Während Mountain Witch im MarX an der Reihe sind, muss auch mal Pause sein. Es folgen Wederganger aus den Niederlanden, die sich mit wuchtigem Weihrauch-Duft ankündigen. Die erste Band aus dem extremeren Bereich spielt atmosphärischen, moderigen Black Metal ohne viel Schnickschnack, dafür mit zwei Sängern – einer fürs Gekrächze, einer für tiefen Klargesang. Stark!
Es zeichnet sich ab: Zahlreiche Bands des “Hell over Hammaburg” neigen dazu, sich mit schwarzen Kapuzen zu verhüllen. Damit erschöpft sich bei den Wedergangern die Show nicht, denn die beiden Sänger bringen mächtig Bewegung auf die Bühne. Ihre Songs vom bislang einzelnen Album plus ein Cover von The Devil’s Blood als Zugabe werden vom Hamburger Publikum mit Kusshand aufgenommen. Eine Band, die man auf dem Schirm behalten sollte.
Natürlich gibt es nicht nur Perlen auf dem HoH. Sagen wir so: Bestial Raids aus Polen sind wirklich nur was für Liebhaber. Kompromissloses Geknüppel prasselt durch das MarX, in das es immer schwieriger wird, hineinzukommen. Besagte Liebhaber kommen bei dem Death-/Black-Metal-Rauschen gewiss auf ihre Kosten; unsereins hält es dort nicht lange.
Damit geht es wieder über zu klassischeren Klängen, denn RAM sind im großen Saal am Drücker. Abermals haben wir es hier mit einer Gruppe aus Schweden zu tun, die mit deutlichen Anleihen bei Judas Priest Hamburg auf ihre Seite ziehen will. Das gelingt ganz gut, die Göteborger können an zahlreichen Stellen dem Publikum das Singen überlassen.
Auffällig ist, wie “armlastig” die Show des Sängers ist. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verweist Herr Carlquist auf seine Muskulatur. Ob es Zufall ist, dass RAM und “Arm” Anagramme bilden? Aber halten wir uns mit Oberflächlichkeiten nicht auf, die Musik funktioniert ausgesprochen gut und findet reichlich dankbare Abnehmer in der Markthalle.
Nun wird es mal so richtig obskur (ein Attribut, das das “Hell over Hammaburg” eigentlich ohnehin gepachtet hat): Wer auch immer sich hinter (Dolch) verbirgt, sie haben da mächtig was losgetreten. Ins MarX ist kaum hineinzukommen, so gespannt ist das Hamburger Publikum auf diese ominöse Band, die gerade erst zwei Demos veröffentlicht hat.
Okkulter, hypnotischer Sound mit Gitarrenwänden und Frauengesang, dargeboten in dunklen Kapuzen, damit auch ja keine Identität preisgegeben wird – (Dolch) wissen, wie sie mit dem Verharren im Verborgenen neugierig machen. Und dazu stimmt die Musik auch noch, denn diese erschallt wie von einer anderen Welt durch das gebannte MarX. Definitiv einer der größten Auftritte des Festivals.
Etwas Pause, dann etwas Skepticism. Die Mitbegründer des sogenannten “Funeral Doom Metal” haben ihren Auftritt in der Markthalle. Der Name des Genres wird ernstgenommen, die Stimmung ist todtraurig, die Inszenierung theatralisch: Mit viel Hingabe zelebrieren die Finnen ihre ausgesprochen langsame und depressive Klangkunst. Da steht ein Orgel-ähnliches Keyboard auf der Bühne, die Herren sind in feinem Zwirn gekleidet. Eine Show, die einer Beerdigung würdig ist. Indes stößt das Schauspiel nicht auf unbedingte Gegenliebe beim Hamburger Publikum, im Foyer scheint mehr los zu sein als im großen Saal.
So langsam bleibt es nicht – im Gegenteil. Am fortgeschrittenen Sonnabend, es ist halb zehn, entern Mgła aus Polen die Bretter der Markthalle. Die Black Metaller haben sich was ganz Besonderes für ihr Bühnenoutfit ausgesucht und tragen dunkle Kapuzen. Mag sein, dass Mgła früher damit waren als andere, aber der Trend beginnt zu langweilen.
Kurzweilig ist jedoch der Sound. Direkt nach vorn, finster, atmosphärisch und dazu ein Drummer, der richtig Tempo machen kann – das gefällt. Viel Show seitens der Musiker gibt es nicht, die Musik spricht für sich. Dass sich mitunter bunte Lichtstrahlen in die düstere Bühnenoptik einschleichen, verwirrt da nicht weiter. Mgła liefern ein astreines Brett ab, was sehr gut ankommt: Zum letzten Mal an diesem Abend ist die Halle richtig gut gefüllt.
Bei Demon, die das Finale des vierten “Hell over Hammaburg” liefern, sind schon etliche Besucher nach Hause gegangen. Das scheint die Veteranen der “New Wave of British Heavy Metal”, die in den frühen 1980er Jahren eine kleine Hochphase hatten und dann etwas in der Versenkung verschwanden, kaum zu stören. Fröhliche Herren fortgeschrittenen Alters haben sichtlich Spaß, ihre alten und neuen Songs unter das verbliebene Volk zu bringen.
Und selbst, wenn Demon mit ihrem gemütlichen Sound auch niemandem bei einem Stadtfest in Rendsburg wehtäten: Spätestens bei den großen Klassikern “Don’t Break the Circle” und “Night of the Demon”, die ganz zum Schluss des 70-minütigen Sets dargeboten werden, ist das HoH noch mal mit satten Kehlen dabei. Und so, wie sich die Band freut, dürften alle zufrieden sein.
Fazit: Das “Hell over Hammaburg” bot auch in seiner vierten Auflage eine eindrucksvolle stilistische Bandbreite von gefälligen bis extremen Rock- und Metal-Klängen, die Besucher aus der ganzen Republik und darüber hinaus anzog. Die Verteilung Freitag/Sonnabend schien nicht hundertprozentig ausgewogen, ein größeres Essensangebot wäre stark und sicherlich hätten sich manche Besucher über Tagestickets gefreut – unter rund 60 Euro für das Gesamtpaket gab es keinen Einlass.
Fest steht, dass die Macher echte Leidenschaft für Metal in seinen zahlreichen Facetten hegen und diese an die Fans weitergeben. Organisatorisch gibt es keinen Grund zur Klage und auch menschliche Ausfälle waren nicht zu beobachten. Ja, so kann es weiter gehen, HoH!
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