Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft etwas Würze im Krimibrei gefunden.
Es kommt nicht allzu oft vor, dass man sich jenes Festival der Arglosigkeit herbeisehnt, mit dem das ZDF am Mittwoch gern die inhaltlich relevantere Konkurrenz parallel im Ersten kontert. Vorige Woche allerdings wäre der gewohnte Mix aus „Aktenzeichen XY“, halbgaren Dramen und Marie Brand geradezu von Weltniveau gewesen – verglichen zumindest mit dem, was das Zweite zur besten Sendezeit lieferte: Ein Fußballspiel zweier Teams namens PSV Eindhoven und Atlético Madrid. Für Außenstehende (also die Minderheit, aber immerhin): Das sind zwei Außenseiter der aktuellen Champions League aus Holland und Spanien, die nur deshalb zur seltsamen Ehre einer Live-Übertragung im gebührenfinanzierten Fernsehen kamen, weil es dafür zwar grotesk hohe Millionenbeträge zahlt, aber nur Mittwochsspiele übertragen darf. Da die Bayern bereits tags zuvor im Einsatz gewesen waren, hatte man in Mainz also zwei Optionen: Die Zeit sinnvoll zu nutzen, etwa für eine Dokumentation über die korrupte Klassengesellschaft UEFA. Oder eben irgendwas zeigen, Hauptsache Fußball.
Zur Belohnung gab’s je nach Perspektive fette oder magere 3,57 Millionen Unentwegter, die sich ein dem Vernehmen nach sturzlangweiliges 0:0 antaten und somit eher ein mittelprächtiger Anreiz waren, in dieser Woche an gleicher Stelle die Milliardärsspielzeuge Chelsea und Paris St.-Germain zu sehen. Dann doch lieber Radio hören. Jürgen Domian zum Beispiel, der in seiner allerletzten Saison bei 1Live unverdrossen die Probleme seiner insomnambulen Zuhörer fortschwafelt. Montagnacht jedoch wurde er dabei furchtbar reingelegt, als eine Anruferin während des Gesprächs vorgab, verdroschen zu werden. Das stellte sich später als Fake heraus, war aber ein paar Tage Anlass aufgeregter Berichte. Manchmal ist das Fernsehen doch wahrhaftiger als die vermeintliche Wahrheit da draußen.
Klischeegewitter in Postkartenoptik?
Meistens jedoch ist es (zumindest aus deutschen Landen) so artifiziell, dass dauernd einheimische Schauspieler in alle Welt geschickt werden, um dort als ortsansässige Kommissare in fließendem Deutsch unter Ausländern (die dann ja Inländer sind) mit inländischem (also irgendwie, äh, deutschem) Akzent Mordfälle zu lösen. Solche Kommissare sind bereits in Bozen, Jerusalem, Athen, Venedig und Istanbul tätig, bald kommen Island, Kroatien, Zürich hinzu, zwischendurch geht es ab Donnerstag im Ersten nach Tel Aviv, wohin die Berliner Jüdin Sara Stein unter der Regie von Matthias Tiefenbach emigriert. Allerdings erst, nachdem sie im Debüt einen „Tod in Berlin“ aufklärt.
Noch ein Klischeegewitter in Postkartenoptik also? Nix da! Trotz des blöden (und zu Beginn sachlich falschen) Titels, bringt „Der Tel-Aviv-Krimi“ etwas Würze in den Krimibrei. Verhandelt wird ja weniger ein Mord als die Identitätssuche der Protagonisten, allen voran Sara, hinreißend ungeschminkt gespielt von Katharina Lorenzt. Ebenfalls von seinen Darstellern in düsterem Ambiente lebt Philipp Kadelbachs herausragender ARD-Mittwochsfilm „Auf kurze Distanz“. Tom Schilling ist darin ein verdeckter Ermittler mit serbischen Wurzeln, der in die Wettmafia eingeschleust wird, wo er sich das Vertrauen von Luka (Edin Hasanovic), dem Neffen des Clanchefs erwirbt und fatal hineinschlittert in diese Parallelgesellschaft.
Feministin mit Cowboygang
Weniger sinister als glitzernd ist hingegen das Biopic „Liberace“ über den schillernden Hollywood-Popstar, gespielt von Michael Douglas, dem Vox gleich im Anschluss am Donnerstag ein Porträt widmet, dass den Superstar im Schatten seines Vaters Kurt schildert, der ein noch viel größerer Superstar war. Superstarprobleme eben… Erst auf dem Weg dorthin, aber schon erstaunlich weit gekommen, ist – nach deutschen Maßstäben – Alwara Höfels. Nicht so ganz deckungsgleich mit den optischen Ansprüchen an Schauspielerinnen, hat sie diese Woche ihren ersten Einsatz als Kommissarin im neuen Dresdner „Tatort“, dem sie als Feministin mit Cowboygang ungeheuer intensiv Leben einhaucht – auch dank des Drehbuchs von Ralf Husmann, der dem heimattümelnden Populismus der Pegida-Frontstadt mal augenzwinkernd, mal unverhohlen die Leviten liest.
Vielleicht sollte der „Stromberg“-Autor auch mal was über die derzeit wirkmächtigsten Populisten des Planeten machen, die Dienstag zuvor gleich in zwölf US-Bundesstaten zur Vorwahl der anstehenden Präsidentschaftswahl stellen. Phoenix steigt um 22.45 Uhr mit Vorberichten ein und überträgt ab 0.45 Uhr live aus den USA. Die „Doku der Woche“ dagegen widmet sich einem Kollegen des Superstarsohn-Leidtragenden Douglas und zeigt ihn als „Kerl aus der Bronx“: Tony Curtis (Montag, 21.50 Uhr, Arte). Die schwarzweiße Wiederholung setzt an gleicher Stelle kurz darauf (0.35 Uhr) sogar noch etwas früher an: „Die Somme. Das Grab der Millionen“ von 1930 schildert das Schicksal einer deutschen Mutter, die drei Söhne im ersten Weltkrieg verliert. Und in Farbe: „Der Mörder ist unter uns“ (Sonntag, 21.40 Uhr, ZDFneo) mit Christoph Waltz als manischer Profiler, der schon 2003 unter Markus Imbodens Regie andeutet, was in ihm steckt.
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