Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei Lachen, das im Halse stecken bleibt und einen glaubhaften TV-Pädagogen gefunden.
Man kann übers TV-Jahr zwischen kommerziellem und öffentlich-rechtlichem Überfluss sicher auch viel Gutes sagen, aber Schlechtes macht mehr Spaß. Um mal einen Sender exemplarisch herauszupicken: Das ZDF begann mit einem Historienschinken („Tannbach“), dessen Deutschlandteilungsdramatik so lausig war, dass der Mumpitz flugs fortgesetzt wurde. Es endete wie gewohnt im geistigen Tiefschnee, unter dem die sonst kriminalisierten Bengalos von vaterlandsduseligen Skisprungreportern zu Freudenfeuern verniedlicht wurden, nur weil sie vaterlandsduselige Skisprungfans gezündet hatten. In dem Spannungsfeld bezog das Zweite nun auch noch Prügel von fataler Seite in ihrem letzten Kernkompetenzbereich: Nachrichten. Die vermeintlich orchestrierte Aussage eines Regimegegners in „Machtmensch Putin“ wächst sich grad zum mittelschweren Skandal aus, der Russlands Propagandamaschine ebenso neue Nahrung gibt wie den Lügenpresse-Krakeelern hierzulande.
Mehrheitlich miserabel oder sagenhaft erfolglos
Dabei hat das Leitmedium doch schon im Entertainment größte Mühe, zumindest den Anschein von Seriosität zu wahren. Besonders eigene Serien waren in den vergangenen zwölf Monaten ja mehrheitlich miserabel, und waren sie es mal nicht, waren sie zumindest sagenhaft erfolglos wie das schwer gehypte „Deutschland 83“. Waren sie hingegen weder mies noch erfolglos, hießen sie stets „Weissensee“. Ein wenig besser verhielt es sich mit Spielfilmen, die zwar häufiger Kritik und Publikum überzeugten, aber dennoch gern Wiedergekäutes zur abermaligen Nachverdauung durch fünf Mägen für die sechs Spielfilmthemen unserer stolzen Fernsehnation jagten: Romanze, Drama, Comedy, Krimi, Krimi, Krimi. Nur ein Genre bildete auch 2015 die Ausnahme im mediokren Brei: Biopics.
Sie sorgten regelmäßig für Perlen im Programm. Angefangen mit einem Porträt von Murat Kurnaz im Griff amerikanischer Menschheitsverbrechen, vertieft durchs bekannte NS-Opfer „Meine Tochter Anne Frank“, erweitert um Ulrich Tukurs „Bernhard Grzimek“, überdreht von zwei grundverschiedenen Interpretationen des Falls Uli Hoeneß, gekrönt mit einem wahren Meisterwerk über den Wendehals Luis Trenker.
Ein famoses Dokuspiel
Da passt es ins Bild, dass der Januar mit einem Mann berühmten Namens beginnt, den kaum jemand kannte, bis ihn Sandra Maischberger zum Fernsehhelden machte: „Der gute Göring“ heißt Albert und war zwar der Bruder eines gewissen Hermann gleichen Namens, allerdings – kein Scherz! – ausgewiesener Regimegegner. Aus dieser bizarren Konstellation drehte Kai Christiansen ein famoses Dokuspiel mit Barnaby Metschurat im herzlichen Clinch mit dem prunksüchtigen Reichsfeldmarschall, den Francis Fulton-Smith mit ähnlich wuchtiger Hingabe verkörpert wie zuletzt Franz-Josef Strauß. Und die Zeit nach dem vorletzten Bodensee-Tatort könnte auch schlechter sein.
Ein Sendeplatz, auf dem Nina Kunzendorf kurz heimisch war, bevor sie die hessische Mordkommission verließ, um unbeschwerter Filme wie „Das Programm“ machen zu können. Auf gleichem Kanal kriegt sie es darin tags drauf wieder als Polizistin mit Benjamin Sadler zu tun, den sie in den Zeugenschutz begleitet, was angesichts der Besetzung spannender klingt, als es tatsächlich ist. Ereignislosigkeit steht halt nicht immer für wohltuende Distinguiertheit, sondern manchmal auch einfach für – Ereignislosigkeit.
Das Highlight der Woche
Mehr los als einem lieb sein kann ist hingegen im Arte-Schwerpunkt zu den Pariser IS-Anschlägen, der sich am Dienstag vier Stunden lang ab 20.15 Uhr wohltuend um die Ursachen des Terrors kümmert, statt wie üblich nur die Folgen. Irgendwie auch im Reich der Informationsmedien spielt am Donnerstag das absolute Highlight der Woche, aber eben nur irgendwie. Im „Sandro-Report“ (ARD, 22.45 Uhr) persifliert Olli Dittrich als Außenreporter Sandro Zahlemann das Genre rasender News. Lachen, das im Halse stecken bleibt, garantiert.
Viel weiter unter verhakt sich längst alle Heiterkeit der RTL-Serie „Der Lehrer“, die Donnerstag in Staffel 4 geht. Dennoch bleibt Hendrik Duryn Deutschlands glaubhaftester TV-Pädagoge, wenn nicht der einzig glaubhafte überhaupt. Glaubhaftigkeit ist ein guter Übergang zur schwarzweißen „Wiederholung der Woche“, am Dienstag um 16.10 Uhr auf Servus: In „Die zwölf Geschworenen“ versuchte Henry Fonda 1957 den Rest der Jury in einem beispiellosen Kammerspiel von der Unschuld des Angeklagten zu überzeugen. Apropos: im farbigen Tipp namens „Reifezeugnis“, dem letzen von Wolfgang Petersens sieben Tatorten (Samstag, 22.45 Uhr, HR), startete Nastassja Kinski 1977 ihre Weltkarriere als Lolita, die das Attribut „unschuldig“ neu definierte. Für den Doku-Tipp (Donnerstag, 23.45 Uhr, RBB) reiste der neuseeländische Saxofonist Hayden Chisholm zwei Jahre durch Deutschland, um den „Sound of Heimat“ zu entdecken, Volksmusik, die vermutlich nur ein Außenstehender so vorurteilsfrei ergründen kann. Toll!
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